Das Ende der Alternativlosigkeit

Predigt am 6. April 2015 (Ostern II) zu 1. Korinther 15,12-20

12 Wenn aber verkündigt wird, dass Christus von den Toten auferweckt worden ist, wie können dann einige von euch sagen: Eine Auferstehung der Toten gibt es nicht? 13 Wenn es keine Auferstehung der Toten gibt, ist auch Christus nicht auferweckt worden. 14 Ist aber Christus nicht auferweckt worden, dann ist unsere Verkündigung leer und euer Glaube sinnlos.
15 Wir werden dann auch als falsche Zeugen Gottes entlarvt, weil wir im Widerspruch zu Gott das Zeugnis abgelegt haben: Er hat Christus auferweckt. Er hat ihn eben nicht auferweckt, wenn Tote nicht auferweckt werden. 16 Denn wenn Tote nicht auferweckt werden, ist auch Christus nicht auferweckt worden. 17 Wenn aber Christus nicht auferweckt worden ist, dann ist euer Glaube nutzlos und ihr seid immer noch in euren Sünden; 18 und auch die in Christus Entschlafenen sind dann verloren.
19 Wenn wir unsere Hoffnung nur in diesem Leben auf Christus gesetzt haben, sind wir erbärmlicher daran als alle anderen Menschen. 20 Nun aber ist Christus von den Toten auferweckt worden als der Erste der Entschlafenen.

In den Versen direkt vorher hat Paulus die Gemeinde von Korinth ausführlich daran erinnert, wie viele Zeugen der Auferstehung Jesu es gibt, und wie genau das schon kurz danach in aller Form festgehalten worden ist. Das ist kein dunkler Mythos aus grauer Vorzeit, sondern es gab einen Haufen von bekannten Zeugen, die man damals noch befragen konnte.

Warum ist das Paulus so wichtig? Weil die Auferstehung der Geburtsmoment des christlichen Glaubens war. Ohne die Auferstehung wüssten wir vermutlich heute beinahe nichts oder gar nichts mehr von Jesus und seiner Bewegung. Gescheiterte Gruppen, die nach dem gewaltsamen Tod ihrer Anführer wieder auseinanderfielen, gab es damals viele. Dass es bei den Christen anders war, ist der stärkste Hinweis, dass da etwas ganz Besonderes passiert sein muss.

Bleiben Tote tot?

In diesen folgenden Versen des Briefes wird nun auch deutlich, weshalb Paulus das alles so stark heraus streicht. Im Korinth gab es Christen, die behaupteten, es gebe keine Auferstehung der Toten. Sie sagten damit nur, was für die allermeisten Menschen selbstverständlich war: Tote bleiben tot. Man glaubte damals, sie würden irgendwie als Schatten in der Unterwelt weiter existieren, aber als echtes Leben konnte man das nicht bezeichnen. So wie Menschen heute glauben, sie würden im Herzen ihrer Lieben weiterleben, aber das ist im Grunde noch weniger als das Schattenreich der Unterwelt. Nur die Juden glaubten damals an eine echte Auferstehung der Toten am Ende der Zeit, weil sie an den Schöpfer des Lebens und der Welt glaubten. Sie warteten darauf, dass Gott endlich den Tod aus der Welt vertreiben würde. Und wahrscheinlich war das Problem in Korinth, dass es dort in der Gemeinde fast keine Juden gab, die diese Gedanken selbstverständlich mitgebracht hätten.

Deshalb wiederholt Paulus immer wieder: wenn ihr nicht glaubt, dass Tote auferstehen, dann kann doch auch Jesus nicht auferstanden sein. Wollt ihr das wirklich? Ihr sägt gerade den Ast ab, auf dem ihr sitzt!

Hoffnung nur im kleinen Rahmen?

Wahrscheinlich waren sie in Korinth an dieser Stelle inkonsequent: sie hielten daran fest, dass Jesus auferstanden ist, aber für die Menschen im Allgemeinen und die ganze Schöpfung erwarteten sie keine grundlegende Erneuerung. Sie erlebten, wie der Heilige Geist in der Gegenwart unter ihnen äußerst lebendig war, aber sie hatten keine Hoffnung für die Zukunft und die ganze Welt. Sie freuten sich, dass ihre Sünden vergeben waren, aber sie schauten nicht voraus zu dem Tag, an dem Tod und Sünde endgültig aus der Welt vertrieben werden.

Paulus sagt ihnen: das eine gibt es auf Dauer nicht ohne das andere. Was ihr im Kleinen und in der Gegenwart erlebt, das ist der Anfang von Gottes großer Weltrevolution gegen den Tod. Eure individuellen Erfahrungen sind nur sinnvoll innerhalb des großen Bildes. Und ihr werdet auch eure individuellen Erfahrungen verlieren, wenn ihr nicht den großen Rahmen festhaltet. Die Auferstehung Jesu verträgt sich nicht mit einem Weltbild, das keine echte Hoffnung für die Toten hat. Die Auferstehung Jesu ist der Beginn einer neuen Welt. Wenn ihr euren Glauben auf die Dauer behalten wollt, dann müsst ihr auch das große Bild ändern. Ihr müsst euch ausklinken aus dem Mainstream-Denken, das euch umgibt, und es wagen, zu behaupten: es ist alles ganz anders. Was mit Jesus geschehen ist, das ist keine einmalige Ausnahme, sondern die Zukunft der ganzen Schöpfung.

Die Macht von Weltbildern

Wir stoßen an dieser Stelle auf die Macht von Weltbildern. Weltbilder stecken den Rahmen ab, in dem wir denken. Sie sagen uns, was möglich ist und was nicht. Sie sagen uns, woran es liegt, dass es donnert und warum es Männer und Frauen gibt. Von ihnen beziehen wir unsere Ansichten darüber, ob man mit dem Flugzeug in den Urlaub fliegen sollte und ob sich der Versuch lohnt, die Welt zu retten. Weltbilder geben uns Orientierung. Die wenigsten Dinge haben wir selbst überprüft; wir müssen uns meistens auf die Gedanken anderer verlassen, und die kommen zu uns in Form von Weltbildern: ein Bündel von Gedanken, auf denen wir aufbauen. Dass wir unsere Erfahrungen weitergeben können und nicht jeder wieder von Null anfangen muss, ist eine riesige Stärke der menschlichen Gattung.

Das Problem ist nur: manchmal übernehmen wir auch die Irrtümer anderer. Manchmal sind wir so stark von den überlieferten Erfahrungen geprägt, dass wir es gar nicht merken, wenn sie mit unseren Erfahrungen nicht zusammen passen. Lange glaubten die Menschen, die Sonne würde sich um die Erde drehen. Erst nach und nach entdeckten die Astronomen Hinweise darauf, die damit nicht zusammen passten. Aber es hat lange gedauert, bis jemand es auf den Punkt brachte und sagte: Nein, in Wirklichkeit dreht sich die Erde um die Sonne!

Der mühsame Austausch von Denkrahmen

Und es ist immer ein mühsamer Prozess, bis sich solche neuen Erkenntnisse auch allgemein durchsetzen. Unser Gehirn ist faul und hat keine Lust, alle Gedanken noch einmal neu zu durchdenken, nur weil irgendein Heini meint, dass alles ganz anders ist. Zuerst ignorieren wir ihn, dann schlagen wir ihn tot, dann sagen wir, dass seine Beobachtungen ein Einzelfall sind, und am Ende behaupten wir, wir wären schon immer seiner Meinung gewesen.

So war das auch mit der Auferstehung der Toten. Dass Jesus auferstanden sein sollte, das sprengte den antiken Denkrahmen. Und natürlich sprengt es eigentlich jeden Denkrahmen, einschließlich unseres modernen Denkens. So ziemlich alle Kulturen gehen davon aus, dass Tote nicht wiederkommen. Manchmal bringt man den toten Familienmitgliedern kleine Opfer, damit sie in der Unterwelt auch mal was Gutes zu essen haben, aber keiner erwartet, dass man ihnen jemals wieder echt begegnen könnte.

Aber genau das war den Jüngern mit Jesus passiert. Sie waren ihm begegnet. Nicht als Fantasie oder Traum, sondern in echt. Und damit war die elementare Selbstverständlichkeit in Frage gestellt, dass Tote tot bleiben. Ein Fundament menschlicher Weltbilder begann zu bröckeln.

Wenn man dem Tod nichts entgegensetzen kann

Denn wie man über den Tod denkt, das ist keine unbedeutende Nebenfrage. Es prägt unser Leben. Wenn keiner gegen den Tod ankommt, dann haben alle gewonnen, die glaubhaft mit dem Tod drohen können. Deshalb arbeiten alle Gewaltregimes dieser Welt mit dem Tod zusammen. Der Tod ist die Quelle des Satzes: »da kann man nichts machen«. Erst die Auferstehung zeigt uns die Alternative.

Wenn wir hier auf dieser Erde keine Zukunft haben, dann kann es uns auch egal sein, dass die Erde vermüllt und vergiftet wird. Wer glaubt, dass der Tod alternativlos ist, der verbreitet Tod.

Wenn der Tod endgültig ist, dann ist das Leben die letzte Gelegenheit, die wir haben. Und dann ist es schwer, sich zu entscheiden – für einen Beruf, einen Partner, einen Lebensstil, einen Wohnort, weil: es könnte ja immer noch etwas Besseres kommen. Wie schlimm, wenn du plötzlich merkst, dass du dich nur für den, die oder das Zweitbeste entschieden hast! Und du kannst nicht wieder zurück auf Los. Jeder Fehler ist schrecklich. Wie soll man diese Verantwortung tragen? Am besten bleibt man im Bett liegen, dann macht man keine Fehler.

So kann der Glaube an die Macht des Todes auf alle mögliche Weise vom Leben abhalten. Mindestens von einem guten, starken, ganzen Leben, das man aus vollem Herzen lebt. Wenn die Macht des Todes über die Welt nicht gebrochen ist, dann steht alles Leben in seinem Schatten. Übrigens auch das christliche Leben.

Alternativen zum Pessimismus

Deswegen schreibt Paulus: seht Jesus nicht als einmalige Ausnahme. Seht ihn als Anfang, als Beginn der Zukunft, die in unsere Gegenwart hineinplatzt. Er ist als erster auferweckt worden, aber nicht als letzter. Er ist das Modell für die ganze Welt. Deshalb fordert die Kultur der Hoffnungslosigkeit heraus! Wer nach der Auferstehung Jesu keine Hoffnung für die ganze Welt hat, der ist wie einer, der immer noch behauptet, dass die Sonne sich um die Erde dreht. Die Auferstehung Jesu mutet unserem faulen Gehirn zu, alles noch einmal neu unter diesem Gesichtspunkt zu durchdenken, alle Selbstverständlichkeiten in Frage zu stellen und unser Leben unter dieser Voraussetzung zu führen: Jesus ist auferstanden!

Von der Auferstehung her zu denken bedeutet, sich Alternativen vorzustellen. Im Kleinen wie im Großen. Für unser Leben wie für die ganze Gesellschaft. Nirgendwo kann man sich noch damit zufrieden gaben, dass man nichts machen kann. Alles, was wir im Geist Jesu tun, ist ein Same der kommenden Welt. Egal, ob wir noch zu unseren Lebzeiten den Erfolg sehen oder nicht. Egal, ob wir belohnt und anerkannt werden oder nicht. Hauptsache, es ist gesund und stark und im Geist Jesu.

Auferstehung heißt: Alternativen kennen

Deshalb läuft das lange Auferstehungskapitel des ersten Korintherbriefs auf einen Satz zu, ganz am Ende in Vers 58:

»Darum, meine lieben Brüder, seid fest, unerschütterlich und nehmt immer zu in dem Werk des Herrn, weil ihr wisst, dass eure Arbeit nicht vergeblich ist in dem Herrn.«

Darum geht es Paulus wenn er seitenlang über Weltbilder schreibt, über komplizierte theologische und philosophische Fragen. Am Ende läuft es darauf hinaus: krempelt die Ärmel auf, weil ihr die Leute seid, die Hoffnung haben. Auferstehungshoffnung. Lasst euch diese Hoffnung und diese Energie nicht dadurch nehmen, dass ihr die pessimistischen Weltbilder eurer Gesellschaft übernehmt. Auch nicht in der christlichen Variante.

Wir erleben das heute genauso, dass die Alternativlosigkeit versucht, die christliche Hoffnung zu begrenzen und am Ende zu zerstören. Und auch uns erinnert Paulus daran, dass wir als lebendiges, praktisches Zeichen der Hoffnung für die ganze Welt gedacht sind. Wir sollen wissen, dass nichts von dem, was wir im Geist Jesu tun, vergeblich ist. Noch nicht einmal unsere Fehler. Es gibt keinen Grund, im Bett liegen zu bleiben. Der Morgen der neuen Welt ist angebrochen.

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