Siege, die zuerst unscheinbar aussehen

Predigt am 25. April 2010 zu 1. Johannes 5,1-5

1 Jeder, der glaubt, dass Jesus der ´von Gott gesandte Retter,` der Christus, ist, ist aus Gott geboren. Und ein Kind, das Gott, seinen Vater, liebt, liebt auch seine Geschwister, die anderen Kinder dieses Vaters.
2 ´Es gilt aber auch das Umgekehrte:` Die Echtheit unserer Liebe zu den Kindern Gottes erkennen wir daran, dass wir Gott lieben, und ´das wiederum bedeutet:` dass wir nach seinen Geboten leben. 3 Unsere Liebe zu Gott zeigt sich nämlich im Befolgen seiner Gebote. Und seine Gebote zu befolgen ist nicht schwer. 4 Denn jeder, der aus Gott geboren ist, siegt über die Welt. Diesen Sieg macht uns unser Glaube möglich: Er ist es, der über die Welt triumphiert hat. 5 Wer erringt also den Sieg über die Welt? Nur der, der glaubt, dass Jesus der Sohn Gottes ist.

Johannes macht nicht das Gejammer mit, dass Gottes Gebote so schwer zu halten wären und einen niederdrücken und belasten. Nein, seine Gebote zu befolgen „ist nicht schwer“. Jedenfalls nicht für den, der „die Welt besiegt hat“, der unabhängig von den Mächten dieser Welt geworden ist. Schwer ist es, sich aus den Verstrickungen in das Weltsystem zu lösen, das uns das Befolgen der Gebote schwer macht. Dazu brauchen Menschen oft Überwindung. Aber wenn sie sich davon losgerissen haben, dann kriegen sie vieles andere – z.B. das Halten der Gebote – leicht hin.

Die Bibel redet ganz ungeniert davon, dass es dabei ums Siegen geht, ums Gewinnen, um einen Kampf mit einem guten Ausgang. Die Menschen der Bibel kennen natürlich Konflikte und Gefahren; aber wir sind nicht dazu verurteilt, uns da immer wieder tragisch drin zu verstricken und nie herauszukommen.

In der griechischen Mythologie gibt es die Geschichte von Sysiphos, der einen schweren Stein den Berg hoch rollen muss, und wenn er oben ist, rollt der Stein auf der anderen Seite runter, und er muss immer wieder von vorn anfangen, und er schafft es nie. So ein Bild der Vergeblichkeit ist der christlich-jüdischen Gedankenwelt fremd. Das Leben ist nicht dazu gemacht, um sinnlos oder absurd zu sein. Es gibt Konflikte, mehr als genug, aber die sind in Bewegung, und sie sollen gelöst und geklärt und bewältigt werden.

Deswegen schreibt Johannes hier von einem Sieg über die Welt. Welt, auf griechisch „Kosmos“, ist das Weltsystem, das Regiment der Mächte, die diese Welt kontrollieren. Es sind die zerstörerischen Gewalten, die die Schöpfung vermüllen und verhunzen und den Gestank des Todes hinterlassen.

Wie kämpft man gegen diese Mächte? Johannes sagt: die entscheidende Schlacht ist geschlagen worden, als ihr zum Glauben gekommen seid, und zwar zu einem Glauben, der sich an Jesus von Nazareth orientiert. Johannes betont besonders stark, dass Glaube sich an Jesus mit seinem irdischen Leben orientiert. Du gehörst zu Gott, wenn du verstanden hast, dass genau Jesus der Christus ist, der Gesandte Gottes, sein Sohn, an dem man ablesen kann, zu welchem Leben Menschen berufen sind. Wenn das für dich gilt, wenn du dazu dein Ja gesagt hast, dann ist die entscheidende Schlacht geschlagen.

Versteht ihr, wie wichtig wir dadurch werden? In unserem Leben sollen die Todesmächte besiegt werden. Wir haben normalerweise den Eindruck, dass das vor allem von den Entscheidungen der Politiker und der Mächtigen abhängt, die sowieso machen, was sie wollen. Dann denkt man: Vielleicht schafft es Obama ja, die Welt eines Tages von Atomwaffen zu befreien, aber ich kann da eigentlich nichts für tun. Hoffentlich gibt es noch rechtzeitig ein echtes, tragfähiges Abkommen gegen den Klimawandel, aber das müssen andere aushandeln. Ich bin da eigentlich außen vor.

Aber Johannes sagt: du bist überhaupt nicht unbedeutend, sondern es ist eine entscheidende Frage, ob du dich den Todesmächten unterwirfst, oder ob sie in deinem Leben zurückgewiesen werden, rausgeschmissen, besiegt. All diese Zerstörungskräfte fürchten nichts so sehr wie Menschen, bei denen sie keinen Fuß mehr in der Tür haben, Menschen, die sich von ihnen verabschieden und keine Angst mehr vor ihnen haben.

Ich weiß nicht, wie sehr Sie in der Zeitung diese ganze Frage der Hühnerfabriken verfolgen, die jetzt überall bei uns gebaut werden sollen. Ich schaue da immer sehr genau hin, weil da gleich in unserer Nachbarschaft etwas so schreckliches, so monströses und grausames hingesetzt werden soll, dass man da Alpträume von kriegen kann und deshalb eigentlich gar nicht dran denken mag.

Und ich frage mich: was macht das mit uns, wenn gleich nebenan Mitgeschöpfe unter solchen schrecklichen Bedingungen gehalten werden, produziert für ein kurzes qualvolles Leben, mit dem sie ihrem Besitzer etwa sieben Cent Gewinn bringen. Was macht das mit uns, wenn da gleich nebenan etwas passiert, von dem eigentlich jeder weiß, dass das übelste, gesetzlich erlaubte Tierquälerei ist? Das beschädigt auch uns, wenn nebenan Leben in 40 Tagen durch eine brutale Produktionsmaschine gedreht wird. Wenn Mitgeschöpfe nur noch Mittel zum Zweck sind, optimiert für möglichst rasche Fleischproduktion, dann wird die Würde des Lebens überhaupt mit Füßen getreten. Und das macht vor uns Menschen nicht halt. Billiges Hähnchenfleisch für billige Menschen. Das kann nicht gut gehen. Das sind die Todesmächte, die diese Welt in eine Wüste verwandeln wollen.

Und nun die Frage: Wie kommt das, dass hier mitten unter uns etwas geschieht, das eigentlich keiner gut findet? Wie bringt man Menschen dazu, dass sie etwas dulden, von dem eigentlich alle wissen, dass es das nicht geben dürfte?

Wenn man sich anschaut, was das entscheidende Argument dafür ist, dann kommt immer wieder ein einziges: ihr wollt es doch so. Ihr wollt doch alle billiges Fleisch. Spart euch eure Empörung, ihr profitiert doch auch davon. Ihr habt gar kein Recht, dagegen zu sein. Ihr seid in Wirklichkeit unsere Komplizen, ihr mit eurer Sucht nach billigem Fleisch und eurem allsommerlichen Grillmarathon. Also haltet den Mund und lasst uns machen.

Und man muss tatsächlich Angst haben, dass Menschen das mehr oder weniger zähneknirschend akzeptieren, dass sie sich geschlagen geben und sich gegen ihr Gefühl damit abfinden, und damit hinnehmen, dass ihr Gefühl für Würde und Wert nachhaltig beschädigt wird.

Merkt ihr jetzt, wie wichtig das ist, dass wir sagen können: wir haben mit diesen Todesmächten nichts gemein, wir halten da keine Aktien, wir wollen nicht davon profitieren, an diesem Spiel bin ich nicht beteiligt?

Merkt ihr, warum es so eine entscheidende Frage ist, ob wir mit Jesus und seinem Leben verbunden sind, oder ob wir immer wieder gelähmt sind durch die Bindung an das Weltsystem, an den Kosmos, der uns einredet, es gäbe keine Alternative, und wir müssten nach seiner Pfeife tanzen?

Wenn wir uns an Jesus erinnern, dann hat es bei ihm auch zwei zentrale Weichenstellungen gegeben, wo er die Todesmächte zurückgewiesen hat: das eine Mal am Anfang seines Wirkens, als der Teufel ihn in der Wüste in Versuchung führte. Und Jesus ließ sich auf nichts ein und erwartete alles von Gott, und er wurde nicht enttäuscht. Und das zweite Mal ganz am Ende, als er sich am Kreuz zu Tode quälte und trotzdem an Gott festhielt und seinen Weg bis zum Ende ging. Das war sein Sieg.

Merkt ihr die andere Art, die die Bibel hat, wenn sie von „Sieg“ spricht? Der Sieg wird in einem Leben errungen, wenn ein Mensch gegen alle Widerstände und Versuchungen an Gott festhält und sich nicht in die Komplizenschaft des Weltsystems verstricken lässt.

Vielleicht würden wir jetzt fragen: und? ist das alles? Lohnt sich das? Ist die Macht des Bösen schon gebrochen, wenn einer klar bleibt? Was ist mit den andern? Aber dem Bösen war schon klar, dass es auf den einen ankam, sonst hätte er sich nicht diese Mühe gegeben, Jesus irgendwie von seinem Weg abzubringen. Der wusste, dass seine ganze Herrschaft davon lebt, dass er die lückenlose Kontrolle hat. Ein einziger, der sich nicht einfangen ließ, war schon einer zu viel.

Deswegen: es ist überhaupt keine nebensächliche Frage, ob du Anteil hast an diesem Sieg Jesu, ob du mit ihm verbunden bist und seine Siegesenergie in dein Leben lenkst. So einen Menschen nennt Johannes „aus Gott geboren“. Und er weist energisch darauf hin, dass man dann Gottes Willen tun kann.

Wenn du nämlich mit Jesus verbunden bist, dann musst du dich nicht mehr zum Komplizen der Mächte machen lassen. Dann bist du frei und kannst sagen: ich hab mit euch nichts zu tun. Für mich baut ihr eure Hähnchen-KZ nicht. Mein Strom produziert keinen Atommüll, und er heizt auch nicht die Atmosphäre auf. Ich glaube nicht an eure kaputten Bilder von Sexualität. Ich muss nicht leben im Schutz eurer Atombomben. Mich verteidigt ihr nicht am Hindukusch. Für mich müsst ihr keine Steuererleichterungen auf Pump beschließen. Mein Geld hat eure Wirtschaftskrise nicht ausgelöst.

Es ist wichtig, dass wir das sagen können. Nicht so sehr, weil der Markt für Billighähnchen zusammenbricht, wenn deine und meine Familie nur noch Biofleisch essen. Sondern damit wir nicht in unserer Integrität beschädigt werden, damit wir unser Gefühl für das, was gut und richtig ist, behalten. Damit wir nicht zähneknirschend schweigen müssen, weil wir ahnen, dass wir Komplizen sind, wenn auch widerwillige.

Als Jesus sein Leben in Übereinstimmung mit Gott ganz zu Ende gebracht hatte, da war noch keine Veränderung in der Welt zu sehen. Aber Gott sieht anders. Gott sah, dass es den entscheidenden Sieg gegeben hatte. Gott sieht im kleinen Keim schon den großen Baum. Gott sieht in der Gegenwart schon, was in der Zukunft daraus werden wird. Und deshalb sah er in dem einen Jesus Christus, der dem Versucher keinen Fußbreit Raum gegeben hatte, schon die erneuerte Menschheit. Gott sieht in dem auferstandenen Jesus schon die ganze neue Welt. Er sieht in den unbeholfenen ersten Schritten, die du mit Jesus machst, schon deinen Anteil an dieser kommenden Welt. Der Böse sieht es übrigens auch, aber er sieht es mit Schrecken. Er hat Angst vor der Zukunft. Wir sind die Freunde der Zukunft. Wir warten darauf, dass der kleine Anfang groß herauskommt.

Und das passiert, auch jetzt schon, immer wieder. Man muss nur hinschauen. Dass vor knapp 200 Jahren der Sklavenhandel verboten wurde, dafür haben Christen 40 oder 50 Jahre lang gekämpft. Und womit haben sie angefangen? Sie haben aufgehört, Zucker zu essen. Weil Zucker von den Plantagen kam, auf denen die Sklaven unter grausigen Bedingungen schuften mussten. Sie haben kein Löffelchen Zucker mehr gegessen, und in manchen Familien hat es Ärger gegeben, wenn die Kinder auf einmal nichts mehr aßen, wo Zucker dran war. Hat diese Verweigerung den Zuckermarkt zusammenbrechen lassen? Natürlich nicht, die Sklaverei wurde erst später per Gesetz verboten. Aber der erste Schritt war, dass Menschen sagten: für mich müsst ihr keine Sklaven Zuckerrohr schneiden lassen. Es hat damit begonnen, dass Menschen zuerst sich selbst trennten von der Welt der Gewalt und Ausbeutung. Ich bin mir sicher, dass Gott in diesem kleinen Anfang schon das Ergebnis gesehen hat. Und im Rückblick können wir das jetzt auch sehen.

Diese ganze Schöpfung mit all ihren misshandelten Kreaturen wartet darauf, dass Gottes neue Menschen sichtbar werden, sagt Paulus. Es geht gar nicht darum, dass das Endergebnis schon sichtbar wird. Das kommt, wenn es so weit ist. Aber der Anfang soll geschehen und sichtbar werden: Menschen, die so auf Jesus ausgerichtet sind, dass sein Leben zu uns rüber kommen kann. Es geht darum, wem dein Leben gehört. Wessen Waffe und Werkzeug du bist. Alles andere ist dann gar nicht so schwer. Es hängt daran, dass wir wissen, wem wir gehören wollen. Dass wir nicht in diesem schrecklichen einerseits-andererseits hängen, sondern uns mit ungeteiltem Herzen von den Todesordnungen verabschieden. Wir kennen ja das neue Leben, das durch die Auferstehung Jesu schon in der Welt ist. Es geht ums Siegen und Gewinnen, um einen Kampf, der ein gutes Ende nimmt. Und du kannst, sollst und darfst dabei sein.

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