Am Ende eines aufregenden halben Jahres

Kontemplative Übungen nach Franz Jalics – praktische Erfahrungen (9)

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Der nächste Schritt bei den Übungen besteht darin, dem Atem ein Wort mitzugeben, während man in die Hände horcht. Das war für mich nicht einfach, weil ich zuerst nicht damit zurecht kam, wie ich meine Aufmerksamkeit auf den Atem, das Wort (zu Anfang einfach ein „Ja“) und die Hände aufteilen sollte. Erst nach einiger Zeit ging es besser. Andere in unserer Gruppe hatten es leichter.

2. Juni
Im Mai habe ich gemerkt, dass ich meinen Tagesrhythmus neu gestalten muss. Mir ist deutlich geworden, dass ich morgens nicht nur Zeit fürs Üben brauche, sondern auch Zeit zum Schreiben. Die lange Pause auf diesem Blog musste sein, damit ich Zeit für die Übungen hatte, aber jetzt muss ich beides in meinem  Tagesablauf unterbringen. Auch regelmäßig zu schreiben ist wichtig für mich, weil es die Gedanken klärt und mich zwingt, die Dinge auf den Punkt zu bringen.
Nach einigem Überlegenin den letzten Tagen beginne ich ab heute um 6.00 Uhr mit den Übungen (was bedeutet, dass ich gegen 5.30 Uhr aufstehen muss – und das gelingt nur, wenn ich am Vorabend rechtzeitig schlafe). Um 6.45 Uhr ist dann die Zeit zum Schreiben für etwa eine Stunde.

7. Juni
Bisher habe ich meinen neuen Rhythmus durchgehalten. Langsam beginnt er sich zu verfestigen, er kostet keine so große Überwindung mehr. Und ich merke, dass das für mein Verhältnis zu mir selbst wichtig ist: wenn ich es schaffe, das auch gegen Widerstand durchzuhalten, kann ich mir selbst mehr trauen. Ich werde in meinen eigenen Augen vertrauenswürdiger. Mir war noch nicht klar, wie wichtig das ist.
Möglicherweise ist das auch wichtig im Verhältnis zu Gott: vielleicht muss auch er sich von unserer Vertrauenswürdigkeit überzeugen, bevor er uns die Gaben seines Geistes in größerem Maß anvertraut.

8. Juni
Allmählich habe ich eine Ahnung, wie das mit dem „Ja“ gehen könnte: auf die Hände achten und schauen, wie das Ja dort ankommt. Es breitet sich aus wie leichte Vibrationen und läuft durch die Arme in die Hände. Laut Jalics soll es helfen, die Energieströme im Körper wahrzunehmen. Es geht also um ein noch sensibleres Lauschen auf das, was da ist.
Übrigens spüre ich jetzt öfter mal Schmerzen im Körper: in den Armen, im Bauch, am Herzen. Sie gehen wieder, wenn ich mich auf die Hände konzentriere.

10. Juni
Seit zwei Wochen habe ich jetzt (mit 1 Unterbrechung) die Übungen tatsächlich kontinuierlich gemacht. Ein gutes Gefühl.

11. Juni
Heute verschlafe ich und wache zu spät auf. Im Schnellgang schaffe ich das Üben und Schreiben dann aber doch noch so gerade.

12. Juni
Ich bin gleich von mehreren Dingen sehr bewegt: ein Buch über Obama, kommende Diskussion im Kirchenkreis über die Zukunft der Volkskirche, das Gemeindefest in zwei Tagen. Schwer, sich dann auch noch auf die Hände zu konzentrieren. Aber ich denke, dass das mich gerade davor bewahrt, den ganzen Betrieb zu wichtig zu nehmen.

14. Juni
Heute ist Gemeindefest. Ich schaffe es gerade mal, 20 Minuten zu üben. Alle Unregelmäßigkeiten sind immer auch eine Gefahr für meinen noch jungen Rhythmus.

17. Juni
Wir schauen in unserer Gemeinschaft auf die letzten Monate zurück und erzählen uns, was wir in den einzelnen Untergruppen gemacht haben. Nachdem  die anderen von der Jalics-Gruppe oft hören mussten: „wir können eigentlich gar nicht richtig erzählen, was wir machen“, haben wir uns diesmal Mühe gegeben, das Ganze einigermaßen nachvollziehbar zu schildern. Ich hoffe, wir haben das richtige Maß gefunden.
Auch für unsere Gruppe ist das ein Einschnitt: diejenigen von uns, die weitermachen, werden sich in Zukunft nur noch in größeren Abständen austauschen. Möglicherweise gibt es im Herbst aber wieder eine Einführungsgruppe zu den kontemplativen Übungen.

19. Juni
Heute fahren wir in den Urlaub. Auch das ist eine Herausforderung, unter veränderten Umständen an den Übungen festzuhalten.

25. Juni
Schöner Urlaub, aber gestern habe ich mit den Übungen ausgesetzt. Das ist wie ein Fadenriss, und ich merke, dass ich erst wieder zurückfinden muss. Das Schreiben wird auch seltener, schon allein wegen der erbärmlich langsamen Internetverbindung hier. Aber das ist nicht so schlimm, schließlich habe ich Urlaub.

Damit bin ich in der Gegenwart angekommen. Ich beende erst einmal diese Serie von Erfahrungsberichten. Gelegentlich wird vielleicht etwas folgen, aber dafür müssen erst wieder genug neue Erfahrungen da sein.

Aus den täglich neuen aufregenden Entdeckungen der ersten Tage ist in diesem letzten halben Jahr ein kontinuierlicher Bestandteil meines Lebens geworden, den ich nicht mehr missen möchte. Er hat auch meinen Umgang mit Menschen, mit meiner Arbeit, mein Verhältnis zu Gott noch einmal gründlich verändert. Und immer noch habe ich das Gefühl, dass ich ganz am Anfang eines Weges stehe, von dem ich kaum ahne, wo er noch hinführen wird.

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