Es geschieht – jetzt

Predigt am 30. Oktober 2016 zu Offenbarung 22,6-21 (Predigtreihe Offenbarung 39)

6 Und der Engel sagte zu mir: Diese Worte sind zuverlässig und wahr. Gott, der Herr über den Geist der Propheten, hat seinen Engel gesandt, um seinen Knechten zu zeigen, was bald geschehen muss. 7 Siehe, ich komme bald. Selig, wer an den prophetischen Worten dieses Buches festhält. 8 Ich, Johannes, habe dies gehört und gesehen. Und als ich es hörte und sah, fiel ich dem Engel, der mir dies gezeigt hatte, zu Füßen, um ihn anzubeten. 9 Da sagte er zu mir: Tu das nicht! Ich bin nur ein Knecht wie du und deine Brüder, die Propheten, und wie alle, die sich an die Worte dieses Buches halten. Gott bete an!
10 Und er sagte zu mir: Versiegle dieses Buch mit seinen prophetischen Worten nicht! Denn die Zeit ist nahe. 11 Wer Unrecht tut, tue weiter Unrecht, der Unreine bleibe unrein, der Gerechte handle weiter gerecht und der Heilige strebe weiter nach Heiligkeit. 12 Siehe, ich komme bald und mit mir bringe ich den Lohn und ich werde jedem geben, was seinem Werk entspricht. 13 Ich bin das Alpha und das Omega, der Erste und der Letzte, der Anfang und das Ende. 14 Selig, wer sein Gewand wäscht: Er hat Anteil am Baum des Lebens, und er wird durch die Tore in die Stadt eintreten können. 15 Draußen bleiben die «Hunde» und die Zauberer, die Unzüchtigen und die Mörder, die Götzendiener und jeder, der die Lüge liebt und tut.
16 Ich, Jesus, habe meinen Engel gesandt als Zeugen für das, was die Gemeinden betrifft. Ich bin die Wurzel und der Stamm Davids, der strahlende Morgenstern. 17 Der Geist und die Braut aber sagen: Komm! Wer hört, der rufe: Komm! Wer durstig ist, der komme. Wer will, empfange umsonst das Wasser des Lebens. 18 Ich bezeuge jedem, der die prophetischen Worte dieses Buches hört: Wer etwas hinzufügt, dem wird Gott die Plagen zufügen, von denen in diesem Buch geschrieben steht. 19 Und wer etwas wegnimmt von den prophetischen Worten dieses Buches, dem wird Gott seinen Anteil am Baum des Lebens und an der heiligen Stadt wegnehmen, von denen in diesem Buch geschrieben steht. 20 Er, der dies bezeugt, spricht: Ja, ich komme bald. – Amen. Komm, Herr Jesus! 21 Die Gnade des Herrn Jesus sei mit allen!

Bild: Robert_C via pixabay, Lizenz: creative commons CC0
Bild: Robert_C via pixabay, Lizenz: creative commons CC0

Dass Gott kommt, darauf haben sie die ganze Bibel hindurch immer wieder gewartet. Und immer wieder ist Gott gekommen und hat den Lauf der Geschichte geändert: als sie in der Sklaverei in Ägypten waren, hat er sie befreit; er kam zum Berg Sinai und gab ihnen Gebote, wie sie als freies Volk leben sollten. Er kam zum Tempel, den Salomo baute, und wohnte unter seinem Volk. Aber als sie nicht mehr auf ihn hörten, verließ er seine Wohnung und kam nie wieder in einen Tempel zurück. Wieder warteten sie viele Jahrhunderte hindurch. Und dann kam Gott in der Gestalt eines Menschen, in Jesus, und zeigte ein für alle mal, wie er ist. Aber da war auch noch nicht das Ziel erreicht, denn nun fehlte noch, dass Gott sich nicht mehr nur an einem Ort zeigt, in Jesus, auch nicht nur in den Gemeinden der Jesusnachfolger, sondern dass er die ganze Welt erfüllt.

Ein Buch für uns?

Und das Buch von Johannes ist eine Anleitung, um in dieser Zeit zu leben, wo Gott schon sichtbar geworden ist in Menschengestalt, aber wo er noch kämpft mit den Mächten der Finsternis, die diese Welt beherrschen und knechten, die alles vergiften und ausbeuten. Nach und nach sind in der Offenbarung die Monster sichtbar geworden, die brutalen Kräfte von Gewalt und Propaganda, die sich bis zum Letzten gegen Gott wehren. Johannes schreibt das Buch für uns und für alle, die diesen Kampf miterleben und nicht verstehen, was da los ist.

Nun, vielleicht sind wir gar nicht in erster Linie die Adressaten, weil wir gerade aus einer langen Zeit kommen, in der wir in unserem Land in geordneten, ruhigen Verhältnissen gelebt haben. Nicht alles war perfekt, vieles hätte auch besser sein können, aber wir leben seit 70 Jahren im Frieden, wir sind ein wohlhabendes Land, wir sind ein freies Land, wir haben Krankenversicherung, und für die meisten anderen Schicksalsschläge, die man nicht verhindern kann, gibt es auch Versicherungen. Nur noch ein kleiner Teil von uns kann sich daran erinnern, dass es auch mal anders war.

Und so vergessen wir schnell, dass so eine Lage überhaupt nicht selbstverständlich ist: das ist eine Ausnahme auf der Welt, und es ist auch eine Ausnahme für Deutschland. Auch in unserer Geschichte gab es sehr selten solche guten Zeiten, wenn überhaupt. Die allermeisten Menschen heute und zu allen Zeiten haben sehr viel mehr Probleme und Unsicherheiten in ihrem Leben drin als wir. Und für sie in erster Linie ist die Offenbarung des Johannes geschrieben. Es ist ein Buch für Menschen, die von den großen Mächten in der Welt bedroht, herumgeschubst und misshandelt werden. Es ist nur so: keiner von uns hat die Garantie, dass ihm so etwas nie passieren wird. Kein Land hat ein Abo auf Sicherheit, Wohlstand und Frieden.

Woher die Erschütterungen?

Wir können jetzt die Augen zu machen und sagen: an so was Schreckliches will ich lieber gar nicht denken! Wir können auch versuchen, Mauern zu bauen, damit all das Schlimme draußen bleibt und wir uns irgendwie abkoppeln vom Rest der Welt. Wir können aber auch auf das Buch von Johannes hören, der uns erklärt, warum es so viele Erschütterungen und Umwälzungen gibt, und was das bedeutet. Glaubt mir, es sind wahre, zuverlässige Worte! sagt der Engel jetzt zum Schluss noch einmal. Wir können diese Zeit der Ruhe und des Friedens nutzen, um zu verstehen, was da abläuft, was die Welt erschüttert, auch wenn die Erschütterungen uns zur Zeit noch nur gedämpft erreichen. Wir können uns vorbereiten auf andere Zeiten – und wenn uns trotzdem noch eine lange Zeit der Ruhe und des Friedens geschenkt wird: um so besser!

Johannes fasst hier am Ende noch einmal seine Botschaft zusammen: Jesus kommt, und das erschüttert die Grundfesten dieser Welt. Die alte Welt der Macht und der Gier, die Welt der Monster und der Lügen, die ist herausgefordert von der neuen Welt, die sich in Jesus gezeigt hat und jetzt in den Gemeinden seiner Nachfolgerinnen und Nachfolger aufpoppt. Immer wieder wird die alte Welt herausgefordert von der Botschaft, dass es eine Alternative gibt, eine Alternative der Liebe, der Freundlichkeit und Solidarität. Und sie wehrt sich dagegen mit aller Kraft, mit miesen Tricks und mit unfairen Fouls, aber gerade so entlarvt sie sich immer mehr.

Was heißt hier »bald«?

»Ich komme bald!« lässt Jesus ausrichten. Vielleicht müsste man das für uns angemessen übersetzen mit: »Ich bin unterwegs«. Und Johannes bekommt gesagt: was du da hörst, das ist keine Prophetie für ferne Zeiten, sondern das passiert gerade jetzt, und deswegen müssen es alle wissen. Halte es nicht geheim!

Jetzt könnte jemand sagen: macht das denn nach fast 2000 Jahren immer noch Sinn, wenn Jesus sagt: ich komme bald? Was heißt denn hier »bald«? Aber diese Frage stellt sich nur, wenn man die Bilder der Bibel nicht als Bilder nimmt, sondern als Tatsachenberichte aus der Zukunft missversteht und dann auf den Tag wartet, wo Jesus mit so einer Art Raumschiff angedüst kommt. Und der kommt nie.

Diese Art, die Bibel zu verstehen, verstellt uns den Blick dafür, dass die Welt in der Tat seit 2000 Jahren einen Schub bekommen hat wie nie zuvor. Menschen haben das Gesicht der Erde so gründlich umgestaltet, wie sie es sich zur Zeit des Johannes noch nicht mal hätten vorstellen können. Dass wir heute mit entfesselter Atomkraft den ganzen Planten verbrennen könnten, dass wir gerade dabei sind, das Weltklima umzuprogrammieren und durch den steigenden Meeresspiegel die Landkarten umzuzeichnen, das war damals so unvorstellbar, dass sie nur in Bildern davon reden konnten. Und selbst wir heute können uns nicht wirklich vorstellen, wie es sein wird, wenn die Menschheit demnächst den Mars bewohnbar macht oder das menschliche Erbgut umbaut.

Momentaufnahmen eines Kampfes

Du kannst diese verrückte Beschleunigung der Geschichte nur begreifen, wenn du sie verstehst als ein verknäueltes, unübersichtliches Durcheinander, wo die Mächte dieser Welt sich mit allen Mitteln wehren gegen Gott, der seine Absichten mit der Welt vorantreibt und seine Menschen darauf vorbereitet, mit hineinzukommen in die Gemeinschaft von Vater, Sohn und Heiligem Geist. Immer mehr Kraft und Können bekommen Menschen, immer mehr wird uns möglich, und weil die Todesmächte von der Kraft der Menschen leben, deswegen werden auch sie immer stärker. Das alles passiert nicht in einer fernen Zukunft, sondern jetzt. Das ist seit 2000 Jahren so.

Johannes sagt: das ist weder eine kontinuierliche zivilisatorischen Höherentwicklung, noch ist es ein Weg in den Abgrund. Nein, versteht, dass der Kern von alldem darin besteht, dass Jesus kommt und uns zurückholt auf den Weg, der schon immer für uns vorgesehen war. Und unsere Rolle als Christen ist es, beständig an Jesus festzuhalten und uns dem Dienst der Mächte zu verweigern. Bleibt gerecht, bleibt barmherzig, und haltet euer Herz frei von Lüge und Gier. Glaubt nicht an die Macht der Gewalt, glaubt nicht die Geschichten, dass es keine Alternativen gibt und wir hartherzig sein müssen. Vertraut darauf, dass Jesus euch von der anderen Seite aus entgegen kommt und euch im richtigen Moment hilft.

Mitten in dieser ganzen unübersichtlichen Welt soll es doch immer Gemeinden geben, in denen Menschen sich nicht am Tanz ums Goldene Kalb beteiligen, wo Menschen unbeirrbar festhalten am Weg Jesu, und das gehört zu den wichtigsten Wegen, auf denen Gott seine Welt zu ihrem Ziel bringt. »Ich bin der Anfang und das Ende, das Alfa und das Omega« sagt Jesus. Ich habe die Welt geschaffen, ich weiß am besten, wie sie tickt, und deswegen weiß ich auch, wie ich sie zu ihrem Ziel bringe. Vertraut auf mich! Ich komme. Ich bin schon längst unterwegs.

Gott durch die Hintertür

Und dann gibt es unter der Nase der Herrscher dieser Welt die Gemeinde, die das weiß, und die sagt: Ja, komm, Herr Jesus! Hinter den Mauern aller Art, mit denen sich die Herren der Welt gegen Gott verschanzen, gibt es die Menschen, die Gott ein Hintertürchen aufmachen und sagen: Komm herein, Jesus, wir lieben dich, wir warten auf dich, bei uns bist du willkommen! Und so umgeht er alle Mauern und gewinnt die Welt von innen heraus.

Und Jesu Leute halten ihre Herzen frei von der Gier der Mächte, indem sie Lieder der Freiheit singen, Lieder des Lobes auf den Schöpfer, der seine Welt nie aufgegeben hat und sie gegen alle Widerstände ans Ziel bringen wird. Nicht umsonst gibt es in der Offenbarung an den entscheidenden Wendepunkten immer wieder Lieder und Chöre, die jenseits allen Argumentierens die Freude und die Hoffnung in uns und im Himmel zum Klingen bringen.

Der Geist lädt ein

Es ist der Heilige Geist, der dafür sorgt, dass es diese Menschen gibt. Schon die ganze Zeit war er am Werk: er hat Johannes zu seinen prophetischen Einsichten geleitet, er hat die alten Bibelworte in seiner Prophetie weiterentwickelt und neu belebt. Und so entwickelt er auch die Worte Jesu weiter. Schon Jesus hat ja angekündigt, dass der Heilige Geist seine Nachfolger »in alle Wahrheit leiten« würde (Johannes 16,13). D.h. er wird uns Einsichten geben, die Jesus so noch gar nicht sagen konnte, weil die Situation noch nicht da war. Aber der Geist wird die Konsequenzen der Worte Jesu nach und nach in voller Tragweite enthüllen. Er hat den Christen Mut zum Durchhalten gegeben. Er hat dafür gesorgt, dass es Gemeinde gibt, obwohl die Mächte alles tun, um das zu verhindern.

Die »Braut« nennt Johannes die Kirche: die Menschen, die am Ende Jesus so ebenbürtig sind, wie Mann und Frau sein sollen, wenn sie miteinander einen Bund fürs Leben schließen. Der Heilige Geist sorgt dafür, dass es auf der Erde trotz allem dieses Gegenüber für Jesus gibt. Und weil er in der Kirche lebt, ruft er gemeinsam mit der Braut: »Komm« und lädt Jesus ein in die Welt. Und genauso lädt er Menschen ein, in dieser Gemeinde das Leben in Fülle zu finden.

Der Morgenstern ist aufgegangen, die Nacht ist am Schwinden, der erste Schimmer des neuen Tages ist zu sehen. Mitten in den Katastrophen dieser Welt schauen wir nach vorn und nach oben, weil wir wissen, dass die Macht der Monster gebrochen ist. Wir warten auf das weltweite Sichtbarwerden von Jesus, den wir längst kennen, weil er immer wieder zu uns kommt und uns Mut macht, der uns jetzt schon verbindet über alle menschlichen Grenzen hinweg, der unser Herz mit Freude erfüllt, der die Wunden heilt und der das schließlich in der ganzen Welt tun wird.

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