Auferstehung: Jetzt geht’s los!

Predigt am 23. März 2008 (Ostersonntag) zu 1. Korinther 15,20-28

20 Christus ist von den Toten auferstanden! Er ist der Erste, den Gott auferweckt hat, und seine Auferstehung gibt uns die Gewähr, dass auch die, die im Glauben an ihn gestorben sind, auferstehen werden.
21  Der Tod kam durch einen Menschen in die Welt; entsprechend kommt es nun auch durch einen Menschen zur Auferstehung der Toten. 22  Genauso, wie wir alle sterben müssen, weil wir von Adam abstammen, werden wir alle lebendig gemacht werden, weil wir zu Christus gehören. 23  Aber das geschieht nach der von Gott festgelegten Ordnung. Zuerst ist Christus auferstanden. Als nächstes werden, wenn er wiederkommt, die auferstehen, die zu ihm gehören. 24  Und dann wird Christus die Herrschaft Gott, dem Vater, übergeben – dann, wenn er allen gottfeindlichen Mächten, Kräften und Gewalten ein Ende bereitet hat; dann ist das Ziel erreicht.
25  Denn Christus muss so lange herrschen, bis »Gott ihm alle seine Feinde unter die Füße gelegt hat«. 26  Der letzte Feind ist der Tod, aber auch ihm wird schließlich ein Ende bereitet, 27  denn es heißt in der Schrift: »Alles hat Gott ihm unter die Füße gelegt.« Ausgenommen von diesem »alles« ist natürlich der, der Christus zum Herrscher über alles gemacht hat. 28  Wenn dann alles unter die Herrschaft von Christus gestellt ist, wird er selbst, der Sohn, sich dem unterstellen, der ihn zum Herrn über alles gemacht hat. Und dann ist Gott alles in allen.

Das ist das Ziel von allem, was wir in diesen Tagen überlegen und feiern: dass Gott alles in Allem werde. Dass er so in seiner ganzen Schöpfung wohnt, wie er eins war mit Jesus, schon als der mit seinen Jüngern durch Galiläa zog.

Aber aus der Perspektive, die Paulus einnimmt, war diese Zeit nur das Vorspiel, und jetzt, nach der Auferstehung, da geht es erst richtig los. Eigentlich müssten wir noch viel stärker als die Passionszeit die 40 Tage nach Ostern bis Hinnelfahrt feiern, oder besser noch die fünfzig Tage bis Pfingsten: mit leckerem Essen und Sekt und Wein und meinetwegen auch Schokoladeneiern mit Eierlikör drin und mit dem frischen Grün der Bäume im Frühling, auch wenn man sich das heute bei diesem Wetter noch gar nicht so richtig vorstellen kann. Aber es grünt unterm Schnee, und wenn der Winter auch noch so viel über uns ausschüttet, er muss trotzdem gehen. Mit frischem Grün und Liedern und Bildern und Gedichten müssten wir diese Zeit gestalten, und sie müsste auf jeden Fall länger sein als die Fastenzeit vorher.

Denn das Leiden Jesu war eine begrenzte Zeit, aber die neue Welt, die in der Auferstehung Jesu angebrochen ist, die bleibt. Und wenn wir in der Fastenzeit etwas aufgegeben haben, dann sollten wir jetzt etwas Neues anfangen. Denn jetzt geht es erst richtig los.

Erinnern Sie sich an die Evangelienlesung vorhin? Wie das bei Markus einfach abbricht an der entscheidenden Stelle? Die Frauen kommen zum leeren Grab, ihnen wird gesagt, dass Jesus auferstanden ist, sie sind verwirrt und sie fürchten sich, und dann – ja dann bricht das Evangelium ab. Keiner weiß warum. Ob Markus nicht fertig geworden ist mit seinem Evangelium oder ob das Absicht war oder ob das letzte Blatt verloren gegangen ist – egal, es bricht einfach ab. Später hat man dann noch einen Schluss drangeschrieben und der ist auch gut, aber das ursprüngliche Evangelium bricht einfach ab. Und lasst es uns so verstehen, dass Markus sich vielleicht gedacht hat: jetzt fängt etwas an, was ich gar nicht mehr beschreiben kann. Etwas komplett neues, so anders, dass mir die Worte fehlen. Ich kann euch noch bis an die Schwelle des Neuen bringen, aber alles andere, das müsst ihr erleben, das müsst ihr mitmachen. So wie Johannes am Ende seines Evangeliums sagt: würde man alle Geschichten von Jesus erzählen wollen, das gäbe mehr Bücher, als in die Welt passen.

Ostern bedeutet: jetzt geht es richtig los. Das neue Leben bricht hinein in die alte Welt. Paulus sagt: es geht um die Auferstehung der Toten. Fast alle Fraktionen des jüdischen Volkes haben damals geglaubt, dass Gott am Ende der Welt die Toten auferwecken werde. Er würde die Verstorbenen bewahren, bis er ihnen am Ende neue Körper geben würde. Bis dahin würden die Gerechten in einem himmlischen Garten auf die endgültige Auferstehung warten. Das war es, was Jesus meinte, als er zu dem Terroristen, der neben ihm gekreuzigt wurde, sagte: »Heute wirst du mit mir im Paradies sein.« Aber das ist noch nicht die Auferstehung der Toten. Das ist noch nicht die neue Welt. Unser letztes Ziel ist es nicht, in den Himmel zu kommen. Unser letztes Ziel ist die Auferstehung der Toten.

Die Älteren unter uns erinnern sich vielleicht noch daran, dass es früher im Glaubensbekenntnis hieß: ich glaube an die Auferstehung des Fleisches. Man hat die Formulierung dann im Deutschen in »Auferstehung der Toten« geändert, weil für unsere heutigen Ohren »Auferstehung des Fleisches« unappetitlich klingt. Aber egal, darum geht es, um die körperliche Auferstehung der Toten. Abgesehen von den Sadduzäern, die sowieso von Gott keine Ahnung hatten, glaubten fast alle Juden zur Zeit Jesu, dass diese Auferstehung irgendwann in der Zukunft kommen würde. Und dann würde es endlich einen Ausgleich geben für all die Ungerechtigkeiten und Leiden dieser Welt.

Aber weil sie so fest an die Auferstehung der Toten am Ende der Welt glaubten, gerade deswegen waren die Frauen und die Jünger so verwirrt, als ihnen die Engel am Ostermorgen sagten: »Jesus ist auferstanden«. Niemand im damaligen Judentum hätte damit gerechnet, dass ein einziger Mensch die Auferstehung vorwegnehmen könnte. Entweder alle oder keiner! Erst nach und nach verstanden sie es, und Paulus schreibt es dann an die Korinther: Jesus ist der erste, den Gott von den Toten auferweckt hat. Er ist lebendiger als je zuvor. Er ist nicht mehr im Paradies wie der Mann am Kreuz neben ihm, sondern er lebt schon in der neuen Welt Gottes. Die hat schon einen Bürger, nämlich Jesus. Und wenn wir zu Jesus gehören, dann haben wir auch schon das Bürgerrecht der kommenden Welt.

Damals, im römischen Reich, hatte nicht jeder das römische Bürgerrecht. Man erbte es, oder man bekam es für besondere Verdienste, oder man kaufte es sich für viel Geld. Aber sehr viele römische Bürger lebten gar nicht in Rom, sondern sie wurden in Kolonien überall im Reich angesiedelt. Philippi z.B., wohin Paulus den Philipperbrief schrieb, war so eine Kolonie, wo ehemalige Soldaten angesiedelt waren. Diese Kolonien sollten die römische Kultur und die römische Lebensart überall verbreiten.

Wenn wir also durch Jesu schon das Bürgerrecht im Himmel haben, wie Paulus an einer anderen Stelle (Phil. 3,20) schreibt, dann heißt das, das wir solche Kolonien des Himmels hier in der jetzigen Welt bilden sollen, damit wir die Kultur Gottes jetzt schon hier unter den Menschen verbreiten.

Und vielleicht erinnern sich einige, wie wir in den letzten Wochen auf das Alte Testament gehört haben, besonders auf Jesaja, und wie das Alte Testament für die Melodie der Jesusgeschichte sozusagen der Unterbau ist, die Bass­stimme, die dem Ganzen Stabilität und Tiefe gibt. Und wie es da auch schon immer darum ging, dass Gott seine Schöpfung doch noch zum Ziel bringen wird durch das, was sein Knecht tut. Und auf den letzten Seiten des Buches Jesaja ist ein paar mal die Rede von einem neuen Himmel und einer neuen Erde, z.B. so (66,22):

Denn wie der neue Himmel und die neue Erde, die ich mache, vor mir Bestand haben, spricht der HERR, so soll auch euer Geschlecht und Name Bestand haben.

Auferstehung der Toten und Neue Schöpfung, das liegt ganz nahe beieinander. In der Neuen Schöpfung ist der Tod überwunden, da ist Gott alles in allem, da kommen Himmel und Erde zusammen, die jetzt noch getrennt sind. Da wird es alles noch geben, was diese Schöpfung schön und liebenswert macht, aber noch viel besser. Aber alles Traurige und Gemeinde und Zerstörte und Verkommene, das wird vorbei sein für immer.

Und da wird es immer noch das Volk Gottes geben, aber wir sind da nicht eine Versammlung von Seelen, die auf Wolken schweben, sondern wir werden Körper haben, ganz andere als jetzt, aber Körper, so wie auch Jesus nach seiner Auferstehung einen neuen Körper hatte, mit dem er gegessen hat und an dem die Wunden der Kreuzigung noch zu sehen waren.

Aber selbst das ist noch nicht der Punkt, um den es in den Auferstehungsgeschichten geht. Es geht nicht darum, dass Jesus nach seinem Tod schnurstracks in den Himmel gekommen ist, sondern dass er wieder zurückgekommen ist, damit er hier mit uns Kolonien der kommenden Welt gründen kann.

Vielleicht haben Sie schon einmal so einen Film gesehen, wo einer eine Zeitreise macht. Entweder in die Vergangenheit, um da irgendetwas in Ordnung zu bringen, was dummerweise schief gelaufen ist. Oder da kommt einer aus der Zukunft und zeigt uns, was wir anders machen sollten. Primitive Vorfahren des Menschen z.B., zu denen jemand aus der Zukunft kommt und ihnen zeigt, wie man das Feuer benutzt oder wie man sich organisiert.

So muss man sich das mit dem auferstandenen Jesus vorstellen: das ist einer aus der Zukunft zurückgekommen, um uns zu zeigen, wie man richtig als Mensch leben kann, wie Gott sich das vorgestellt hat mit uns. Er ist aus der Zukunft zu uns gekommen und sagt: ich gründe hier eine Kolonie meines Reiches. Ich bringe euch schon etwas von dem neuen Himmel und der neuen Erde, und von jetzt ab überlappt sich das sozusagen, die alte und die neue Schöpfung.

Karfreitag war der sechste Tag der Woche, am sechsten Tag der Schöpfung hat Gott gesagt: sehr gut! Und es war Karfreitag, an dem Jesus jetzt wieder sagte: es ist vollbracht! Es ist gelungen! Geschafft! Er hatte alle Bosheit, alles Leid, alle Demütigung, allen Tod der Welt auf sich gezogen, die Mächte des Bösen haben ihm das Schlimmste angetan, aber sie haben ihn nicht von seinem Weg abgebracht, und so hat er ihre Macht gebrochen, und jetzt haben sie keine Zukunft mehr, sie haben keinen Eingang mehr in die neue Welt, weil der Weg nur über Jesus läuft, und dieser Weg ist ihnen versperrt.

Und dann kommt der siebte Tag der Woche, der Samstag, der Ruhetag, wo gar nichts passierte. Und dann kommt der Sonntag, der erste Tag der neuen Woche, der Tag, an dem Jesus aufersteht, der erste Tag der neuen Schöpfung. An diesem Tag geht es richtig los.

Das ist der Punkt, wegen dem die Auferstehungsgeschichten erzählt werden: damit wir aufwachen und aufstehen und an die Arbeit gehen, damit viele Kolonien der kommenden Welt hier auf der Erde entstehen. Das ist der Punkt, weswegen wir am Karfreitag all die Dunkelheiten der alten Schöpfung hinter uns lassen, alles, was uns müde und depressiv und fantasielos werden ließ, was uns unsere Kraft geraubt und unser Format genommen hat. Und jetzt beten wir um Visionen und um geöffnete Räume und um befreite Gedanken und um Weisheit uns Inspiration, damit wir sehen, wo Gott die neue Schöpfung wachsen lässt unter uns, in unserem Leben und in den Nachbarschaften, in denen wir leben. Was wird das für ein Segen sein, wenn Leute mit geistlichen Wurzeln überall solche Samen der neuen Schöpfung ausstreuen. Wenn überall Baustellen der neuen Welt entstehen, wie in einem großen Neubaugebiet.

Wir wissen nicht, wie Gott am Ende das alles zusammenfügen wird zu seiner neuen Welt. Was er da noch machen muss, um es alles endgültig zu verwandeln und das Neue vom Alten zu trennen. Da wird es noch einen großen Akt der Umwandlung geben. Aber wir bauen jetzt schon die Kolonien der Zukunft, wir sind jetzt schon Bürger des kommenden reiches, und durch uns hindurch baut der Heilige Geist an der neuen Schöpfung mitten in der alten.