Die irdische Kurzfassung des himmlischen Buches

Predigt am 1. März 2015 zu Offenbarung 10,1-11 (Predigtreihe Offenbarung 17)

1 Und ich sah: Ein anderer gewaltiger Engel kam aus dem Himmel herab; er war von einer Wolke umhüllt und der Regenbogen stand über seinem Haupt. Sein Gesicht war wie die Sonne und seine Beine waren wie Feuersäulen. 2 In der Hand hielt er ein kleines, aufgeschlagenes Buch. Er setzte seinen rechten Fuß auf das Meer, den linken auf das Land 3 und rief laut, so wie ein Löwe brüllt. Nachdem er gerufen hatte, erhoben die sieben Donner ihre Stimme. 4 Als die sieben Donner gesprochen hatten, wollte ich es aufschreiben. Da hörte ich eine Stimme vom Himmel her rufen: Halte geheim, was die sieben Donner gesprochen haben; schreib es nicht auf!
5 Und der Engel, den ich auf dem Meer und auf dem Land stehen sah, erhob seine rechte Hand zum Himmel. 6 Er schwor bei dem, der in alle Ewigkeit lebt, der den Himmel geschaffen hat und was darin ist, die Erde und was darauf ist und das Meer und was darin ist: Es wird keine Zeit mehr bleiben, 7 denn in den Tagen, wenn der siebte Engel seine Stimme erhebt und seine Posaune bläst, wird auch das Geheimnis Gottes vollendet sein; so hatte er es seinen Knechten, den Propheten, verkündet.
8 Und die Stimme aus dem Himmel, die ich gehört hatte, sprach noch einmal zu mir: Geh, nimm das Buch, das der Engel, der auf dem Meer und auf dem Land steht, aufgeschlagen in der Hand hält. 9 Und ich ging zu dem Engel und bat ihn, mir das kleine Buch zu geben. Er sagte zu mir: Nimm und iss es! In deinem Magen wird es bitter sein, in deinem Mund aber süß wie Honig. 10 Da nahm ich das kleine Buch aus der Hand des Engels und aß es. In meinem Mund war es süß wie Honig. Als ich es aber gegessen hatte, wurde mein Magen bitter.
11 Und mir wurde gesagt: Du musst noch einmal weissagen über viele Völker und Nationen mit ihren Sprachen und Königen.

 Bild: Tentes  via pixabay, creative commons CC0
Bild: Tentes via pixabay, creative commons CC0

Während alles gespannt wartet, was denn nun bei der siebten Posaune der Offenbarung geschehen wird, kommt erst einmal wieder: eine Unterbrechung. So wie im 7. Kapitel, als es eine Pause bei den Katastrophen gab, weil erst noch das Volk Gottes vorbereitet werden musste. Und als anschließend in Kapitel 8 das siebte Siegel am geheimen Buch mit dem Plan Gottes geöffnet wurde, kam immer noch nicht die Auflösung, sondern das war der Start für die Reihe der sieben Posaunen. Und gleichzeitig kamen die Gebete von Gottes Volk ins Spiel, d.h. der Beitrag, den Gottes Leute auf der Erde leisten. Es ist kompliziert.

Schon wieder eine Unterbrechung

Diesmal ist es ganz ähnlich: Gerade eben haben nach der sechsten Posaune todbringende Heere die Menschheit überrollt, und man denkt: was wird erst bei der siebten Posaune passieren? – da gibt es wieder eine Unterbrechung. Ein riesiger Engel steht auf Land und Meer. Man muss sich den mindestens so groß vorstellen wie diese Filmmonster, die ganze Städte verwüsten, King Kong oder Godzilla, eher noch größer, aber es ist kein Monster, sondern eine Lichtgestalt. Über dem Engel steht ein Regenbogen, das ist ja spontan erst einmal ein gutes Zeichen. Sein Gesicht leuchtet, das ist hier auf der Erde ein Zeichen, dass jemand vom Himmel kommt.

Wir sind jetzt nämlich nicht mehr im himmlischen Thronsaal, sondern auf der Erde. Die Offenbarung spielt parallel auf zwei Ebenen, im Himmel und auf der Erde. Und das Hauptproblem ist die Frage, wie die Kommunikation zwischen den beiden ganz verschiedenen Ebenen funktioniert.

Eine Story auf zwei Ebenen

Wir kennen das ja z.B. auch aus Star Trek, wenn die Enterprise ein Bodenkommando auf einen unübersichtlichen Planeten runter beamt, und dann sieht man parallel, wie sie unten mit Monstern oder anderen Fieslingen zu tun haben, und oben im Kommandoraum bangen sie mit, geben Informationen oder Anweisungen, und im entscheidenden Moment ist natürlich die Kommunikation gestört. Oder es gibt Meinungsverschiedenheiten zwischen oben und unten. Aber sie arbeiten gemeinsam an einem Problem, es geht oben und unten um dieselbe Sache, es ist die gleiche Story, nur es fühlt sich oben und unten jeweils ganz anders an.

So ist der Prophet Johannes jetzt wieder auf der Erde, da, wo ein Prophet hingehört. Er ist gemeinsam mit der ganzen Christenheit das Bodenkommando. Aber es geht immer noch um dieselbe Story, nur aus einer anderen Perspektive. Ein gewaltiger Engel steht auf Land und Meer, seine Beine sind Feuersäulen und erinnern damit an die Feuersäule, mit der Gott sein Volk aus Ägypten geführt hat. Feuersäulen, Regenbogen und ein sonnengleich leuchtendes Gesicht, das sind alles Zeichen von Gott selbst, dieser Engel muss also in sehr enger Verbindung zu Gott stehen. Er hat in seiner Hand ein Büchlein, eine kleine Schriftrolle, die der Prophet später aufessen wird, also stellt euch die etwa in der Größe einer chinesischen Frühlingsrolle vor. Es muss für so einen großen Engel nicht einfach sein, so eine winzige Rolle zu halten. Aber Engel können das.

Sehr laut, aber lückenhaft dokumentiert

Und dieser Engel redet so laut wie Löwengebrüll, und anschließend sprechen noch sieben Donner. Löwengebrüll war damals, als es noch keine Düsenjäger gab, das lauteste irdische Geräusch, und Donner ist das stärkste himmlische Geräusch. Aber den Inhalt darf Johannes nicht aufschreiben. Wahrscheinlich geht es da um Gottes Plan, um das, was im Himmel im Buch mit den sieben Siegeln geschrieben steht. Johannes bekommt es zu hören, aber er darf es nicht festhalten. Das muss auf Erden verborgen bleiben, mindestens vorerst.

Aber den Schluss dürfen wir hören: der Engel hebt seine Hand zu einem feierlichen, ausführlichen Schwur. Er ruft Gott zum Zeugen an – den, der alles erschaffen hat was im Himmel und auf Erden ist, der das Meer erschaffen hat und der nicht endendes Leben ist. So erinnert er daran: Gott ist stärker als alles Chaos, Gott kennt die Welt durch und durch, er hat sie ja erschaffen, er weiß genau, wie sie funktioniert, für ihn gibt es keine unerwarteten Überraschungen, und kein Geschöpf kann seinen Schöpfer überwinden.

Überraschend im Einsatz

Der Inhalt dieser feierlich beschworenen Versicherung ist: Gottes großer geheimer Plan erreicht sein Ziel. Er wird auf jeden Fall ausgeführt. Und dieser Moment steht kurz bevor. Der Höhepunkt ist schon fast erreicht. Wenn jetzt gleich die letzte Posaune ertönt, dann passiert es. Dann erfüllt Gott seine Verheißungen, die er durch alle Propheten gegeben hat.

Und man könnte denken: schön, dann setzen wir uns jetzt mal mit Johannes gemütlich vor den Fernseher und schauen zu, wie Gott das hinkriegt. Aber da gibt es eine Überraschung: Anscheinend hat Johannes keine Zeit für einen gemütlichen Fernsehabend, weil auf ihn ein Einsatz wartet. Er schaut sich nicht den neuesten Bond-Film an, sondern er ist Bond. Und so wie James Bond am Anfang immer mit einer Spezialausrüstung ausgestattet wird, so muss Johannes auch ausgerüstet werden. Und dazu muss er das kleine Buch aus der Hand des Riesenengels nehmen und essen.

Othello aufsagen oder Othello sein?

Das ist eine Erinnerung an den Propheten Hesekiel, der bei seiner Berufung auch eine Schriftrolle zu essen bekam. Ich hoffe, dieses Bild wenigstens ist klar: der Prophet muss Gottes Wort richtig in sich aufnehmen, er muss davon angefüllt und durchdrungen sein. Das Wort Gottes muss in ihn übergegangen sein. Das ist wie bei einem guten Schauspieler: der sagt nicht eine Rolle auf, wenn er den Othello spielt. Er ist Othello. Er hat sich so mit dieser Figur identifiziert, dass er weiß, wie Othello denkt, spricht, fühlt und handelt. Und ebenso weiß ein Prophet, wie Gott denkt, spricht, fühlt und handelt. Er sagt nicht Gottes Wort auf wie eine gelernte Rolle, sondern er ist Gottes Wort. So wie Jesus zu seinen Jüngern sagt (Lukas 10,16): wer euch hört, hört mich. Ihr seid so mit mir verbunden, dass ich in euch erkennbar werde.

Ein Anfänger wirft dauernd mit Bibelzitaten um sich, ein Prophet braucht das nicht, weil er Gottes lebendiges Wort in sich trägt. Er kann Bibelzitate benutzen, er kann sie abwandeln oder nur auf sie anspielen, er kann aber auch Neues sagen. So wie Johannes einmal an Hesekiel anknüpft und ein anderes Mal etwas Neues sagt.

Die Kurzfassung zum Gebrauch auf der Erde

Die Einschränkung dabei ist aber: das Buch, das Johannes in sich aufgenommen hat, ist ein kleines Buch. Es ist nicht das ganze Buch mit den sieben Siegeln, das gerade Jesus im Himmel geöffnet hat. Es ist ein gekürzter Auszug aus dem Original. Vielleicht hat Johannes ja von dem Engel und den sieben Donnern schon die ganze Story gehört, aber was er in sich aufgenommen hat und woraus er jetzt schöpft, das ist weniger. Im Himmel weiß man mehr als auf der Erde, auf der Erde können wir das ganze Bild nur andeutungsweise sehen. So wie sie im Kontrollraum der Enterprise normalerweise mehr wissen als das Landekommando unten auf dem Planeten.

Aber was Johannes in sich aufnimmt, das ist wie bei Hesekiel in seinem Mund süß. Es ist etwas wunderbar Beglückendes, wenn man Gottes Wahrheit in sich aufnimmt und merkt, wie sie sich mit dem eigenen Wesen verbindet. Aber weil der Inhalt so heftig ist, deswegen liegt die Botschaft Johannes gleichzeitig schwer im Magen.

Eine Berufungsszene

So zeigt sich dieses Kapitel eigentlich als eine Berufungsszene für den Propheten Johannes. So wie es auch bei Hesekiel, Jesaja, Jeremia und Amos Notizen darüber gibt, wie Gott sie zu ihrem Auftrag berufen hat. Der Unterschied ist, dass Johannes ja schon längst ein Prophet ist. Aber anscheinend wird ihm erst nach und nach enthüllt, was sein Auftrag ist. Die Offenbarung ist anscheinend nicht ein chronologischer Ablauf, wo eins nach dem anderen kommt, sondern es ist eher so, dass die Dinge sich nach und nach immer tiefer enthüllen.

Es geht um immer tiefere Schichten derselben Story. Sonst wäre es ja gar nicht zu verstehen, dass der große Engel ankündigt: jetzt steht die Vollendung von Gottes Plan kurz bevor, die Frist läuft ab. Aber wir haben doch erst knapp die Hälfte des ganzen Buches hinter uns! Wenn die Frist jetzt gleich zu Ende ist, wie will Johannes die restlichen Seiten füllen? Nein, ich kündige schon mal an: danach kommt ein weiterer vertiefter Durchgang durch die Story, es wird alles noch mal von einer neuen Perspektive aus angeschaut.

Die prophetische Rolle der Christenheit

Und das kann man auch sagen: Johannes (und mit ihm die Christenheit überhaupt) steht kein gemütlicher Fernsehabend bevor. Wir haben eine wichtige Rolle zu spielen. Wie in Kapitel 8 die Gebete von Gottes Volk die Handlung vorangetrieben haben, so ist es jetzt die Prophetie, die die weiteren Geschehnisse anstößt. Deswegen wird Johannes noch einmal ausdrücklich als Prophet ausgerüstet. Und deswegen endet das Kapitel mit der Ankündigung: Du musst ein weiteres Mal als Prophet reden. Dein Thema wird sein: Völker und Nationen, Sprachen und Könige. Heute würden wir vielleicht sagen: Volksgruppen und Nationen, Kulturen und Herrschaftssysteme. Oder, etwas kürzer: es wird politisch. Politisch-kulturell-global. Wahrscheinlich habt ihr schon die ganze Zeit gemerkt, dass ich die Offenbarung so auslege. Es hat sich bisher auch keiner darüber beschwert, ich hoffe, einfach deswegen, weil diese Art der Auslegung zur Offenbarung passt. Hier jedenfalls wird es noch einmal bestätigt, dass die Offenbarung so verstanden werden muss.

Makroebene und persönlicher Bereich

Wenn ihr euch aber erinnert, dann fängt die Offenbarung an mit sieben Briefen an kleine christliche Gemeinden, die scheinbar keine Rolle in der großen Politik spielen. Kaum einer kennt sie. Einige werden noch nicht mal gemobbt, so unauffällig sind sie. Ist das wichtig, ob die gut aufgestellt sind? Ja, gerade weil sie sie eine entscheidende Rolle spielen werden, ist es so wichtig, dass sie innerlich stark sind. Sie werden weltgeschichtliche Bedeutung haben, weil in ihnen die Wahrheit Gottes lebt. Das muss auf jeden Fall so bleiben. Nicht die Größe und Bekanntheit ist das Problem, sondern ob sie so sind, wie Jüngerinnen und Jünger Jesu leben sollen.

Erinnert ihr euch noch an die Piratenpartei? Sie haben ein ganz wichtiges Thema aufgegriffen, die Kommunikatuionsrevolution durch das Internet, sie haben ganz viel Richtiges gefordert, ich hab schon überlegt, ob ich sie wählen sollte, aber sie haben sich selbst zerlegt, weil zu viele Leute dabei waren, die menschlich unreif waren. Man könnte auch sagen: die christliche Restsubstanz war bei ihnen zu klein. Nicht Wählerstimmen und Reichweite sind oft das Problem, sondern ob eine Gruppe gut miteinander und mit anderen umgeht.

Wir spielen zu oft das Eine gegen das Andere aus: die kleine Welt persönlicher Reife und persönlicher Beziehungen und die große Welt der Politik. Wir sehen nur eine Seite von den beiden. Oder wir reduzieren die eine Seite auf die andere. Die Offenbarung bringt das beides zusammen. Sie ist politisch-kulturell-global gemeint und will gleichzeitig Menschen in ihrer persönlichen Entwicklung formen und fördern, damit sie ihre politisch-kulturell-globale Rolle gut ausfüllen.

… und am Ende wieder ein Cliffhanger

Damit endet auch dieses Kapitel mit einem Doppelpunkt: folgendermaßen müsst ihr das weitere verstehen. Was das heißt? Im April geht es weiter. Bis dahin entlasse ich euch mit einem Cliffhanger.

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