Kein Buch für stille Stunden

Besonderer Gottesdienst am 26. Januar 2014 mit Predigt zu Offenbarung 1,1-8 (Predigtreihe Offenbarung 01)


Der Gottesdienst war der Anfang einer Predigtreihe zur Offenbarung des Johannes. Er begann mit einer Theaterszene, in der populäre Vorstellungen von Apokalyptik thematisiert wurden.

Einleitung:

Ich glaube, wir haben eben so ziemlich alle Themen beieinander gehabt, die Menschen einfallen, wenn sie etwas von der Offenbarung hören: da ist einmal der Weltuntergang oder jedenfalls alle möglichen schrecklichen Katastrophen, da sind diese Katastrophenfilme, die irgendwie auch davon inspiriert sind und mit der Vorstellung eines Weltuntergangs spielen, und dann gibt es da religiöse Gruppen außerhalb des Mainstream, die jedenfalls manchmal mit der Offenbarung argumentieren. Und das Ganze gilt am Ende als Buch mit sieben Siegeln, das keiner richtig verstehen kann, und von dem man lieber die Finger lässt.

kleinasien-197x300-6341295Wenn man das Buch aber einfach mal liest und versucht, dieses Vorverständnis so gut es geht auszuschalten, dann macht man andere Entdeckungen: es geht gerade darum, dass das Buch mit sieben Siegeln nicht verschlossen bleibt, sondern geöffnet wird – nämlich das Buch, in dem die Geheimnisse Gottes stehen. Ja, da ist tatsächlich die Rede von schrecklichen Katastrophen, aber am Ende steht das neue Jerusalem und die neue Schöpfung. Und alles zusammen ist gerade nicht als Schreckensszenario gemeint, sondern als Ermutigung: seid getrost, es wird Erschütterungen und Umwälzungen geben, aber das ist unvermeidlich, wenn die heraufziehende neue Welt Gottes auf die alte Welt der Mächte trifft. Habt keine Angst, ich sorge für euch! Ganz ähnlich hat auch schon Jesus zu seinen Jüngern gesprochen, wir werden das nachher in der Lesung (Markus 13,1-8) hören.

Denn die Adressaten dieses Buches sind nicht irgendwelche naseweisen Leute, die neugierig sind, wie denn wohl das Ende der Welt aussehen wird. Die Adressaten sind sieben kleine christliche Gemeinden im Gebiet der heutigen Westtürkei. Das waren winzige Minderheiten in großen Städten, in denen die Menschen sonst die heidnischen Götter und den römischen Kaiser anbeteten. Sie stehen ziemlich unter Druck, ihre Umwelt beäugt sie misstrauisch, und manchmal hat es auch Angriffe auf sie gegeben, ja, sogar schon Tote. Der christliche Prophet Johannes ist selbst auf die Insel Patmos vor der kleinasiatischen Küste verbannt worden. Von dort aus teilt er den Gemeinden mit, was Jesus ihm für sie aufgetragen hat, und er beschreibt die Visionen, die er gehabt hat.

Und es geht immer darum, dass diese Visionen ihnen Mut machen. Jetzt kommt ihr euch vielleicht wie eine bedeutungslose Minderheit vor, sagt Johannes. Aber versteht: in Wirklichkeit spielt ihr in Gottes Plan eine entscheidende Rolle. Ihr seid in diesen ganzen Erschütterungen, die jetzt heraufziehen ein strategischer Angelpunkt. Deswegen haltet durch, lasst euch nicht einschüchtern, lasst euch nicht von eurem Weg abbringen! Davon redet die ganze Offenbarung: Gott hat euch nicht vergessen, sondern er wird eingreifen und die Welt erneuern.

Einführung in die Offenbarung

Die Offenbarung des Johannes spielt sozusagen auf drei verschiedenen Bühnen gleichzeitig: Da sind einmal die kleinasiatischen Gemeinden, die mindestens teilweise von Paulus gegründet worden sind, Gemeinden, die in einer feindseligen Umwelt mehr oder weniger gut ihren Alltag bestehen. Sieben Briefe an sie bilden das zweite und dritte Kapitel der Offenbarung, und auch danach wird das Schicksal dieser Gemeinden immer mal wieder sichtbar. Für die Menschen auf dieser Bühne ist die Offenbarung geschrieben. Aber natürlich auch für alle, die später in solch eine Lage kommen.

Die zweite Bühne, wenn man das so sagen darf, ist die himmlische Welt. Der Thronsaal Gottes mit Engeln und Königen und vielen anderen Wesen, die seinen Hofstaat darstellen. Johannes darf das in einer Vision sehen. Aber dieser Himmel ist nicht isoliert von der Erde, sondern da achten sie auf das, was auf Erden passiert. Vom Himmel aus werden die Ereignisse auf der Erde beeinflusst. Und das Gebet der Christen erreicht den Himmel.

Vor allem ist im Himmel aber das »Lamm«, und das Lamm ist eine Chiffre für Jesus. Er darf das Buch mit den sieben Siegeln öffnen. Er darf in das Geheimnis der Welt hineinschauen, er darf verstehen, wie es alles zusammenhängt. Aber jedes Mal, wenn er ein Siegel öffnet, passiert etwas Dramatisches, es gibt Krieg, Hunger und Seuchen, man sieht die Opfer der Gewalt und Katastrophen. Und im Lauf der Zeit wird das Geschehen immer krasser.

Als das Lamm schließlich das siebente Siegel öffnet, passieren immer schrecklichere Dinge. Und man kann das vielleicht so verstehen, dass jetzt all das Schreckliche zutage tritt, was im Lauf der menschlichen Geschichte an Schmerz, Unterdrückung und Gewalt geschehen ist. Wir alle, die Menschheit, wir tragen mit uns eine Gewaltgeschichte und eine Leidensgeschichte herum, die wir uns normalerweise gar nicht wirklich klar machen, weil wir das nicht ertragen könnten. Aber sie ist ja da, sie verschwindet nicht aus der Welt, und sie geht auch heute immer noch weiter. Wir leben ja hier in einer relativ privilegierten Zeit an einem privilegierten Ort. Aber auch heute tun Menschen anderen Menschen schreckliche Dinge an, die man eigentlich gar nicht beschreiben kann. Die ganze Geschichte ist voll davon.

Ich weiß nicht, wer von uns schon von dem neuen Film gehört hat, der jetzt gerade in die Kinos gekommen ist, ein Film über einen Schwarzen, der vor 1½ Jahrhunderten 12 Jahre als Sklave in den amerikanischen Südstaaten leben musste. Da wird die grausame Behandlung der Sklaven gezeigt, wie sie ausgepeitscht werden, wie sie gedemütigt und manchmal auch getötet werden. Das ist nur das Schicksal eines Einzigen, und nach 12 Jahren ist der dem System entkommen, aber da haben Millionen unter der Herrschaft der Peitsche gelebt. Was ist das für eine unglaubliche Menge an Leid und Angst und Schrecken, die sich da angesammelt hat. Oder wenn wir an die Kriege denken, vom Dreißigjährigen Krieg bei uns bis hin zu dem, was jetzt gerade in Syrien geschieht. Wir in unserer privilegierten Position können auch nicht annähernd ermessen, was dort und anderswo geschehen ist. Und diese ganzen Erinnerungen werden weggesperrt und verdrängt, weil kein Mensch das ertragen könnte. Aber wenn das Lamm die Siegel öffnet, dann kommt das alles wieder zur Sprache, es wird wieder lebendig und erschüttert die Welt. Jesus, »das Lamm, das geschlachtet wurde«, kann das, weil er einen neuen Weg gefunden hat, mit erlittener Gewalt umzugehen. Jetzt gibt es Hoffnung für die verdrängten Erinnerungen.

Und die große Welt ist die dritte Bühne, auf der die Offenbarung spielt. Die Welt, die von Königen regiert und von Händlern ausgebeutet wird, die Welt, die ein Spielball gigantischer Mächte und unwiderstehlicher Propaganda ist. Diese Machtzusammenballungen sind die Tiere, die Monster. Diese Welt gerät in Aufruhr, wenn der gekreuzigte Jesus, das Lamm, die Gewaltgeschichte der Menschheit neu aufrollt, aufrollt im buchstäblichen Sinn, weil das Buch mit den sieben Siegeln eigentlich eine Schriftrolle ist.

Über diese Welt der Gewalt werden dann die Schalen des Zornes Gottes ausgeschüttet. Gott kann nicht darüber hinwegsehen, wie Menschen mit Füßen getreten und zerstört werden. Was sonst oft im Bild des Endgerichts beschrieben wird, das wird hier im Bild der Katastrophen und Zerstörungen beschrieben. Und schließlich wird immer deutlicher sichtbar, wer hinter all dem Unrecht und all den Entstellungen steckt, die den Menschen angetan werden: der Böse, der Satan, der Drache, der Zerstörer. Und auch über ihn wird am Ende Gericht gehalten.

Aber kurz bevor es ihm an den Kragen geht, muss erst Babylon dran glauben, und Babylon ist ein Codename: in Wirklichkeit ist Rom gemeint. In zwei langen Kapiteln beschreibt Johannes den Untergang Roms, er nennt die Profiteure, die in Roms Schutz Geschäfte gemacht haben, mit Luxuswaren und mit Sklaven. Und am Ende steht ein riesiger Jubel, als das verhasste System zusammenbricht. Danach wird nur noch mit dem Satan abgerechnet, und dann beginnt der neue Himmel und die neue Erde.

Da kommen dann die drei Bühnen zusammen: der Himmel und die große Welt und die kleine Welt der christlichen Gemeinden. Wenn das Böse weggeschafft ist, dann gibt es keine Trennung mehr zwischen Himmel und Erde, dann kommt das neue Jerusalem vom Himmel herab auf die Erde, und Gott wohnt für immer bei seinem Volk.

Man kann sich vielleicht vorstellen, dass es nicht ungefährlich war, solche Gedanken zu entwickeln. Deswegen die vielen Andeutungen und die Codewörter wie »Babylon«. Man konnte damals nicht offener reden und erst recht nicht schreiben, das wäre zu gefährlich gewesen. Die römischen Aufpasser folterten irgendwie Verdächtige ganz routinemäßig. Und man ist dann eben in Bilder und Gleichnisse ausgewichen. Das macht die Offenbarung für uns manchmal schwierig, weil wir wahrscheinlich eine ganze Menge Andeutungen gar nicht mehr verstehen und bei anderen nicht wirklich sicher sein können.

Auf jeden Fall begegnen wir hier einer Weltsicht, wo alles ganz eng zusammengehört: der Lauf der Geschichte mit ihren großen Katastrophen und Wendepunkten, das Leben, der Tod und die Auferstehung Jesu, die – wir würden heute sagen: privaten – Entscheidungen und Verhaltensweisen der Christen und schließlich die verborgene, himmlische Seite der Welt. Das alles ist jetzt schon ganz eng miteinander verknüpft, auch wenn es für uns noch getrennte Sphären sind. In Wirklichkeit gehört das aber jetzt schon ganz eng zusammen, und am Ende wird es endlich eins werden. Wenn das Böse überwunden ist, dann wird Gott alle Tränen abwischen, und dann beginnt die eigentliche Geschichte der Welt, zu der das, was wir jetzt erleben, eigentlich nur ein Vorspiel ist.

Aber wir mit unserer eigenen kleinen Geschichte sind schon jetzt ein wichtiger Teil und Beitrag zur Geschichte der ganzen Welt, mit ihrer irdischen und himmlischen Seite. Was wir hier tun und entscheiden, es wirkt sich aus auf den großen Kampf Gottes um die Befreiung der Erde.

Predigt:

Und nun werden wir uns den ersten 8 Versen der Offenbarung zuwenden:

1 In diesem Buch enthüllt Jesus Christus, was ihm von Gott über die Zukunft gezeigt worden ist. Gott hatte ihm den Auftrag gegeben, seine Diener wissen zu lassen, was kommen muss und schon bald geschehen wird. Deshalb sandte Jesus seinen Engel zu seinem Diener Johannes mit der Anweisung, ihn die zukünftigen Dinge sehen zu lassen. 2 Johannes nun berichtet alles so, wie es ihm gezeigt wurde und wie er es als Botschaft Gottes von Jesus Christus empfangen hat. 3 Glücklich, wer aus diesem Buch vorliest, und glücklich, wer diese prophetische Botschaft hört und sich danach richtet! Denn was hier angekündigt ist, wird sich bald erfüllen.

4 Johannes an die sieben Gemeinden in ´der Provinz` Asien: Gnade und Frieden ´wünsche ich` euch von dem, der ist, der war und der kommt, von den sieben Geistern vor seinem Thron 5 und von Jesus Christus, dem vertrauenswürdigen Zeugen ´für die Wahrheit`, der als Erster von den Toten auferstanden ist und jetzt über alle Könige der Erde regiert. Ihm, der uns liebt und uns durch sein Blut von unseren Sünden erlöst hat, 6 ihm, der uns zu Mitherrschern in seinem Reich und zu Priestern für seinen Gott und Vater gemacht hat, ihm gebührt die Ehre und die Macht für immer und ewig. Amen. 7 Und er wird wiederkommen! Auf den Wolken wird er kommen, und alle werden ihn sehen, auch die, die ihn durchbohrt haben. Sein Anblick wird alle Völker der Erde in Schrecken und Trauer versetzen. Ja, amen, ´so wird es sein`. 8 »Ich bin das A und das O, ´der Ursprung und das Ziel aller Dinge`«, sagt Gott, der Herr, der ist, der war und der kommt, der allmächtige Herrscher.

Das ist sozusagen eine Kurzfassung des ganzen Buches, die Ouvertüre, wo alle Themen schon einmal anklingen:

  1. Jesus enthüllt, was Gott ihm über die Zukunft gesagt hat. Jesus gibt das weiter an seine Leute. Jesus ist der Einzige, der das Buch mit den sieben Siegeln lesen kann, der also den Lauf der Welt überblicken kann. Aber er sorgt dafür, dass wir auch davon erfahren.
  2. Die Christen sollen das wissen, damit sie nicht in Verwirrung geraten, wenn es in der Welt drunter und drüber geht. Das ist, glaube ich, das Entscheidende. Christen sollen die Erschütterungen begreifen können, die mit der Erde geschehen. Wir sollen da nicht ratlos und fassungslos daneben stehen, sondern sagen können: ja, es macht Sinn, auch wenn es erschreckend und furchterregend ist.
    Die Welt ist in einer immer schnelleren Umwälzung, und nicht erst seit heute. Vor 1¾ Jahrhunderten, als die ersten Eisenbahnen fuhren, haben die Menschen noch gedacht: jetzt ist das Ende der Welt nahe. Wir finden das heute lustig, aber aus der Sicht der Menschen damals war das eine totale Umwälzung: einmal dieses fauchende Monster auf Schienen, aber vor allem, dass nun die kleinen Räume, in denen man lebte, eng zusammenrückten und man in kurzer Zeit ganz woanders sein konnte. Das war mindestens so epochal wie die Einführung der Computer und des Internet. Und man kann sagen, dass tatsächlich seit 2000 Jahren ein enormer Entwicklungsschub durch die Menschheit geht, dass das Gesicht der Erde in einer Weise verändert worden ist, wie das vorher noch nie passiert ist.
    Und das ist ja nicht nur die Entwicklung der Technik. Die ganze Art, wie Menschen die Welt erleben, ändert sich. Nur ein Beispiel, aber ein sehr zentrales: das ganze patriarchalische Gesellschaftsgefüge kommt ins Wanken, in dem Menschen die letzten paar Jahrtausende gelebt haben. Und das bedeutet ganz praktisch: arabischer Frühling mit all seinen Folgen im Guten wie im Schrecklichen. Oder im Moment die Ukraine: Traditionell lebten die Menschen in Stämmen oder Großfamilien, und was das Familienoberhaupt entschied, das galt. Die anderen mussten gar nicht nachdenken und sparten sich das auch gleich. Und genau so waren auch die Staatsordnungen: ein starker Mann an der Spitze, und die anderen richteten sich nach ihm.
    Wir erleben im Augenblick das Ende dieses Modells, aber es ist ein langes und umkämpftes Ende. Und das ist eine Spätfolge davon, dass Jesus zu seinen Jüngern gesagt hat: unter euch soll sich keiner Vater nennen, ihr habt nur den Vater im Himmel, und untereinander seid ihr Brüder (und Schwestern). Deshalb sollen wir nicht in Verwirrung geraten, wenn diese ganzen traditionellen Ordnungen und Werte ins Wanken kommen. Es muss so sein, und der Weg führt nicht zurück in irgendeine gute alte Zeit, sondern nur nach vorn auf den kommenden Jesus Christus und seine Zukunft hin.
  3. Das alles ist die Folge davon, dass Jesus auferstanden ist und nun herrscht über alle Könige der Erde. Alles andere ergibt sich letztlich daraus. Bisher waren alle Gesellschaftsordnungen auf den Tod und die Drohung mit dem Tod aufgebaut. Bisher sagten alle Herrscher: »Mein Freund, wenn du zu sehr aufmuckst, dann werde ich dich einsperren und aufhängen lassen!« Wenn Jesus auferstanden ist und den Tod besiegt hat, dann kommt diese Grundlage allen menschlichen Zusammenlebens ins Wanken. Dann werden Menschen mutiger, sie gehen auf die Straße und demonstrieren, man kann das nicht mehr einfach zusammenschießen, auch wenn es immer wieder versucht wird. Menschen werden auch gebildeter und lassen sich nicht mehr so einfach manipulieren. Könige und Herrscher mögen immer noch das Sagen haben, aber Jesus zieht ihnen langsam ihre Basis unter den Stiefeln weg.
  4. Jesus hat sich ein Volk auf der Erde berufen, Israel und die Christenheit: ein Volk von Königen und Priestern. Könige verwalten traditionellerweise die Macht, Priester das Denken. Wenn jetzt ein ganzes Volk, ganz normale Menschen, lernen, mit Macht und Wissen auf eine andere Art umzugehen: auch das erschüttert die Grundfesten der Welt. Die Königs- und Priesterfunktionen werden quasi demokratisiert. Erst mal nur beim Volk Gottes, und auch da geht es damit mehr schlecht als recht. Aber wenn es erst einmal bei einer Gruppe angefangen hat, dann werden sich andere das abgucken. Immer wieder haben unterprivilegierte Gruppen zuerst in ihren Kirchengemeinde gelernt, sich selbst zu organisieren, ihre Würde zurückzugewinnen und Verantwortung zu übernehmen: die antiken Sklaven genauso wie die amerikanischen Schwarzen 19 Jahrhunderte später.
  5. Aber das alles geht nicht so glatt und einfach, wie es vielleicht klingt. Es ist mit gewaltigen Erschütterungen verbunden, in der äußeren Welt und in den Herzen. In all diesen Veränderungen kommt Jesus, und er wird für alle immer klarer erkennbar werden, auch für die, »die ihn durchbohrt haben«, wie es da heißt, also für die Verantwortlichen für seinen Tod und all ihre Nachfolger im Geiste. Die einen verstehen immer besser, was sie angerichtet haben, und die Opfer der Geschichte verstehen immer besser, was ihnen angetan worden ist. Die Siegel, mit denen diese Gewaltgeschichte unter Verschluss gehalten wird, brechen nach und nach auf. Und das ist eine gewaltige Erschütterung – so wie es eine gewaltige Erschütterung im Kleinen ist, wenn ein Mensch anfängt von seinem Kriegstrauma zu sprechen oder von der Gewalt, die ihm als Kind angetan worden ist und die er bis jetzt in einer geheimen Kammer seines Herzens unter Verschluss gehalten hat. Das auf die ganze Welt übertragen, ist ein wichtiger Teil des Geheimnisses der Offenbarung. Globale Traumatisierungen und globale Erschütterungen hängen zusammen.
  6. Schließlich: für all das wird Gott in der Offenbarung immer wieder gelobt. Man könnte ja auch sagen: muss Gott denn daran rühren? Kann er nicht alles so lassen, wie es ist und uns die Erschütterungen ersparen? Aber das würde bedeuten: die Mächte des Todes behalten für immer die Herrschaft über die Welt. Wollen wir das wirklich, dass wir ihnen ohne Schutz auf unabsehbare Zeit ausgeliefert sind? Wollen wir, dass Gott nicht um seine Schöpfung kämpft? Ich glaube, das kann keiner wollen. Es ist gut, dass Gott eingreift, auch wenn sich das Böse mit seiner ganzen zerstörerischen Macht dagegen auflehnt. Auch wenn sich dann so viele kollektive Erinnerungen an Gewalt und Leid wieder melden.
    Aber Gott ist der Schöpfer, und er hält an seiner Schöpfung fest und wird sich nie damit abfinden, dass sie von grausamen Mächten entstellt und in den Dreck getreten wird. Das ist unsere Hoffnung. Wir sollen davon wissen, damit wir unsere Rolle in dieser Geschichte Gottes gut ausfüllen können.

Schreibe einen Kommentar