Die freundlichen Vertreter eines freundlichen Gottes

Predigt am 18. Oktober 2020 zu Epheser 4,22-32

22 Legt von euch ab den alten Menschen mit seinem früheren Wandel, der sich durch trügerische Begierden zugrunde richtet. 23 Lasst euch erneuern durch den Geist in eurem Denken! 24 Zieht den neuen Menschen an, der nach dem Bild Gottes geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit!

25 Legt deshalb die Lüge ab und redet die Wahrheit, ein jeder mit seinem Nächsten, weil wir untereinander Glieder sind. 26 Zürnt ihr, so sündigt nicht; lasst die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen 27 und gebt nicht Raum dem Teufel.

28 Wer gestohlen hat, der stehle nicht mehr, sondern arbeite und schaffe mit eigenen Händen das nötige Gut, damit er dem Bedürftigen abgeben kann. 29 Lasst kein faules Geschwätz aus eurem Mund gehen, sondern redet, was gut ist, was erbaut und was notwendig ist, damit es Gnade bringe denen, die es hören. 30 Und betrübt nicht den Heiligen Geist Gottes, mit dem ihr versiegelt seid für den Tag der Erlösung.

31 Alle Bitterkeit und Grimm und Zorn und Geschrei und Lästerung seien fern von euch samt aller Bosheit. 32 Seid aber untereinander freundlich und herzlich und vergebt einer dem andern, wie auch Gott euch vergeben hat in Christus.

Wovon wir da eben gehört haben, das könnte man am besten als Nachdenken über Kommunikationssünden bezeichnen: Verzerrungen der Alltagskommunikation, Vergiftungen des zwischenmenschlichen Umgangs. Wahrscheinlich sind das bis heute die häufigsten Formen von Fehlverhalten. Dass einer den anderen totschlägt, das kommt zum Glück bei uns nicht dauernd vor. Mit Diebstahl und ähnlichen kriminellen Sachen haben die meisten von uns auch nicht so häufig zu tun. Aber vergiftete, verletzende Kommunikation und Lügen, das kann man jeden Tag erleben. Damit machen sich viele Menschen gegenseitig das Leben schwer.

Und in der Öffentlichkeit ist das inzwischen auch schon wieder möglich; auch mit so einem Kommunikationsstil kann man vielleicht wieder Präsident der USA werden. Im Internet sind es die Trolle, die da ihre ganze Wut und Verachtung rauslassen und dafür sorgen, dass andere sich lieber zurückziehen und verstummen. Früher hätten sie vielleicht nur im Treppenhaus über andere hergezogen, heute kann man das vor einem weltweiten Publikum machen. Und so gibt es ganze Kommunikationsräume, in denen der am größten ist, der am verächtlichsten über andere herzieht.

Zonen göttlicher Freundlichkeit
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Hier im Epheserbrief geht es stattdessen darum, einen Kommunikationsraum zu schaffen, in dem man freundlich miteinander umgeht, wo man keine Angst davor haben muss, angegriffen oder beschimpft zu werden. Gott ist freundlich, und deshalb sollen auch seine Leute freundlich sein. In christlichen Gemeinden soll ein wohltuendes Klima herrschen. Man soll da getröstet, ermutigt und aufgerichtet werden. Man geht da gnädig miteinander um, man nutzt nicht gnadenlos jede Schwäche aus, um anderen eins reinzuwürgen. Gott macht das auch nicht, obwohl manche sich ihn so vorstellen.

Stattdessen sagt Gott: fürchte dich nicht, ich bin mit dir, ich helfe dir, ich stärke dich. Und das soll in Gottes Gemeinde im täglichen Umgang zu erleben sein. Das gehörte damals zu den Grundregeln, die Christen gleich am Anfang lernen mussten: bei uns reden wir anders miteinander.

Systeme verzerrter Kommunikation

So ein verzerrter, verachtender Kommunikationsstil hat aber tiefere Wurzeln: der wächst aus einem verärgerten, gekränkten, selbstbezogenen Denken heraus. Hinter aggressiven Worten steht ein ganzes Geflecht von Denkmustern und Emotionen: Menschen fühlen sich schwach, sie verstehen manches auch nicht so richtig, sie glauben, dass andere ihnen Böses wollen oder sie missachten. Sie fühlen sich gekränkt. Sie haben ein schwaches Selbstbewusstsein. Und wer denkt, dass ihm Unrecht getan wird, der fühlt sich im Recht, wenn er selbst aggressiv losschimpft und andere Menschen niedermacht. Das ist ein zusammenhängendes System von Gedanken und Gefühlen, und Paulus nennt das: der alte Mensch. Er sagt: das sind die eingeschliffenen Verbindungen in eurem Kopf, aber als ihr Christen wurdet, da habt ihr diesen alten Menschen verabschiedet. Ihr habt euch davon getrennt und wolltet damit nichts mehr zu tun haben.

Aber natürlich steckt dieser kaputte Kommunikationsstil immer noch in den Menschen drin. Wenn man von klein auf in so einer gnadenlosen Atmosphäre gelebt hat, dann ist es zwar zuerst ein großes Geschenk, wenn man bei den Christen ein ganz anderes Klima erlebt. Aber Menschen fallen trotzdem schnell mal zurück in ihre gewohnten Muster. Deswegen erinnert Paulus hier daran, dass man diese ganzen alten Denkmuster ausgezogen hat wie dreckige Kleidung. Die wolltet ihr doch längst in der Altkleidersammlung entsorgt haben! Und stattdessen haben die Christen neue, saubere Kleidung angezogen, in der man sich ja auch gleich ganz anders fühlt.

Denksysteme austauschen

Es geht also nicht darum, ein bisschen zivilisierter zu reden oder bestimmte böse Worte zu meiden. Es geht um den Austausch von ganzen Denksystemen und Reaktionsketten. Du gehst dann nicht mehr davon aus, dass du ein Opfer bist, dem dauernd Unrecht getan wird, sondern du hast verstanden, dass Gott dich stark macht. Du reagierst nicht wie ein Automat auf vermeintliche oder echte Kränkungen im gleichen Stil, sondern du kommst in die Offensive. Du entscheidest, was dein Kommunikationsstil ist. Es kann ja sein, dass die Menschen um dich herum unfreundlich sind, aber du kennst den freundlichen Gott. Der bewegt dich, und nicht die Trolle ringsum. Sogar einem ehemaligen Dieb legt Paulus ein neues Denkmuster nahe: du musst nicht mehr auf Kosten anderer leben, sondern du kannst so stark sein, dass du für andere eine Hilfe bist – ist das nicht ein viel besseres Lebensgefühl?

Es geht also jedes Mal um den Austausch von ganzen Gedankensystemen, tief unten in unserem Herzen, im Maschinenraum der Seele, wo unsere Grundannahmen über die Welt wohnen. Aber weil sich die neuen Denkmuster erst noch stabilisieren müssen, deshalb setzt Paulus an einzelnen Signalen an: wenn es plötzlich doch wieder Geschimpfe gibt, wenn eine beleidigt schmollt oder oder einer wütend die Stimme erhebt, dann stoppt das sofort, damit die alten Automatismen unterbrochen werden. Erinnert euch dann daran, dass ihr diesen ganzen Gedankenfilz ausgezogen habt. Den wolltet ihr doch los sein.

Lügen machen schwach

Und ganz ähnlich ist es mit den Lügen: Lügen verdrehen die Wirklichkeit so, dass wir uns nicht mehr mit ihr auseinandersetzen müssen. Wir müssen dann nicht mehr die Verantwortung für unsere Taten, Worte und Entscheidungen übernehmen, weil wir sie einfach wegreden können. Aber das macht Menschen schwach. Wer sich die Wirklichkeit zurechtlügt, der verliert die Kraft, sie wirklich zu verändern. Er ist ähnlich schwach wie der Dieb, der auf Kosten anderer lebt und nicht das Gefühl kennt: da habe ich mit meiner Kraft etwas richtig Gutes hingekriegt.

Christen müssen sich die Realität nicht irgendwie hinbiegen. Im Bündnis mit Gott sind wir stark genug, uns der Realität in uns und um uns herum zu stellen und sie nötigenfalls zu verändern. Das ganze unfruchtbare Geschimpfe, das Schmollen und Gekränktsein ist was für Feiglinge und Looser. Damit kann man zwar die Atmosphäre vergiften, aber dabei kommt nichts Starkes oder Beständiges heraus.

Bessere Grundüberzeugungen

Die Welt ist von einem freundlichen Gott geschaffen worden, und deshalb funktioniert sie auf die Dauer auch nur mit Freundlichkeit und Solidarität. Nichts in der Welt ist so, dass wir davor die Augen verschließen müssten. Überall gibt es sinnvolle Alternativen und gute Möglichkeiten. Und je konsequenter wir in den neuen Bahnen denken, die Jesus Christus uns gezeigt hat, um so leichter werden wir diese Möglichkeiten auch sehen und ergreifen.