Der echte Glanz und die Oberflächenkosmetik

Predigt am 8. Januar 2023 zu 2. Korinther 4,3-6

3 Wenn unser Evangelium dennoch verhüllt ist, ist es nur denen verhüllt, die verloren gehen; 4 denn der Gott dieser Weltzeit hat das Denken der Ungläubigen verblendet. So strahlt ihnen der Glanz des Evangeliums von der Herrlichkeit Christi, der Gottes Bild ist, nicht auf.
5 Wir verkünden nämlich nicht uns selbst, sondern Jesus Christus als den Herrn, uns aber als eure Knechte um Jesu willen.
6 Denn Gott, der sprach: Aus Finsternis soll Licht aufleuchten!, er ist in unseren Herzen aufgeleuchtet, damit aufstrahlt die Erkenntnis des göttlichen Glanzes auf dem Antlitz Christi.

Das Stichwort in diesem Text ist »Herrlichkeit«, man könnte es auch mit »Glanz« übersetzen. Immer wenn Menschen Gott oder Engeln begegnen, dann stoßen sie auf das helle Licht, auf die Klarheit und den Glanz, der die himmlische Sphäre erfüllt. Z.B. als die Engel zu den Hirten auf den Feldern bei Bethlehem kamen, um die Geburt Jesu zu verkünden, umstrahlte sie der göttliche Glanz. Und immer wenn Menschen diesem Glanz begegnen, dann ergreift sie Schrecken, und die Engel müssen zuerst sagen: fürchte dich nicht!

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Gottes unerträglicher Glanz

Der Glanz Gottes ist so stark, dass Menschen es nicht ertragen können, ihm von Angesicht zu Angesicht zu begegnen. Und auch der geringere Glanz der Engel ist immer noch so strahlend hell, dass Menschen von großer Furcht ergriffen werden. Echte Engel sind nicht niedlich wie die Holzfiguren am Weihnachtsbaum.

Und das ist ein Problem. Wie soll Gott denn noch vernünftig Kontakt mit uns aufnehmen, wenn wir schon die Engel kaum ertragen können? Im Paradies war das kein Problem; Adam und Eva waren zuerst selbst so stark und klar und herrlich, dass Gott ohne Problem nachmittags zum Tee kommen konnte. Erst als sie versuchten, hinter seinem Rücken selbst wie Gott zu werden, da verblasste ihr Glanz, sie fürchteten sich vor Gott und verloren ihre Herrlichkeit. Seit damals muss Gott immer einen Sicherheitsabstand zwischen sich und uns legen, damit wir diese Begegnungen überleben. Aber wie soll da Vertrauen wachsen können, wenn man sozusagen durch Panzerglas voneinander getrennt ist?

Gottes Lösung für dieses Dilemma bestand darin, dass er sich in die Gestalt eines Menschen übersetze, also in Jesus. Er wurde Mensch und konnte uns auf diese Weise nahekommen, ohne uns durch die Begegnung zu atomisieren. Andere Menschen können wir meistens ertragen. Deshalb verpackte Gott seine Herrlichkeit sozusagen in Menschengestalt. Gelegentlich blitzte sie bei Jesus aber doch auf, z.B. auf dem Berg der Verklärung, wo er dreien seiner Jünger den Schock fürs Leben bereitete, als sie ihn mal kurz im Glanz seiner Majestät sehen konnten.

Jesus: Herrlichkeit, (v)erträglich dosiert

Und in schwächerer Dosierung blitzte die göttliche Herrlichkeit Jesu auf, wenn er Kranke heilte oder den Menschen mit seinen Worten neue Perspektiven öffnete. Eine etwas größere Dosis Herrlichkeit, und alle bösen Geister ergriffen die Flucht. Und auch wenn irgendwelche frommen Kontrollettis versuchten, ihm eine Falle zu stellen oder ihm seine Jünger und Zuhörer abspenstig zu machen, dann ließ er mal kurz ein bisschen mehr von seiner Herrlichkeit raus, indem er sie blamierte, und das war für die wohl auch manchmal ein Schock fürs Leben.

Aber in der Regel dosierte Jesus seine Kraft so, dass sie Menschen ermutigte und erfreute. An ihm konnte man sehen, dass die Herrlichkeit Gottes in der Kraft seiner Liebe besteht. Und wenn Menschen ihr begegnen, dann verwandelt sie das. Der Glanz, die Freude und die Klarheit, die um Jesus herum geherrscht haben, die färbte auf die Menschen ab und ging auf sie über. Und das endete nicht nach dem Tod Jesu, sondern es geht weiter, durch den Heiligen Geist. Paulus selbst hat das erlebt, sogar in so kräftiger Dosierung, dass er davon drei Tage lang blind wurde. Das war schon heftig, etwas sehr Besonderes, was nicht so oft vorkommt. Aber grundsätzlich geht es im Christenleben immer darum, dass Menschen diesem göttlichen Glanz begegnen, möglichst in der Dosierung, die sie gerade noch ertragen können.

Paulus beschreibt das kurz vor unserem Abschnitt so:

3,18 Wir alle aber schauen mit enthülltem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn wie in einem Spiegel und werden so in sein eigenes Bild verwandelt, von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, durch den Geist des Herrn.

Wer in Jesus Christus der Herrlichkeit Gottes begegnet, der wird verwandelt, er wird ein neuer Mensch.

Das Problem, über das Paulus dann in unserem Abschnitt nachdenkt, ist: Warum sehen das die Menschen nicht alle? Warum verschließen sich so viele vor dieser Begegnung, zu Lebzeiten Jesu, bei Paulus, und natürlich auch bis heute?

Der Herrlichkeit nachhelfen?

Und es gab offenbar damals Leute, die zu Paulus sagten: Es wäre alles viel einfacher, wenn du mit deiner Erscheinung ein bisschen nachhelfen würdest. Mach mehr auf Promi! Zieh dir was Eindrucksvolles an, was aktuell Modisches oder wenigstens einen Talar! Du musst mehr Glanz entfalten. Oder profilier dich mit Jeans und Schlabberpullover, aber Hauptsache: ein unverwechselbares Markenzeichen! Und such dir ein Gebäude, das dazu passt, es muss ja nicht gleich der Petersdom sein, aber ein bisschen schicker könnte es schon sein als die Bude, in der du immer predigst. Mach was aus dir, schalte ein paar Werbespots, geh in die sozialen Medien, werde moderner, style dich als Christus-Guru, dann kommen die Leute!

Und in unserem Text antwortet Paulus darauf und sagt: nein, das Problem liegt viel tiefer. Das werdet ihr mit ein bisschen Oberflächenkosmetik nicht lösen. Das Problem ist, dass die Menschen so drinstecken in ihrem Glauben an das, was als groß und wichtig und mächtig und beeindruckend und erfolgreich und modern gilt, dass sie kein Sensorium haben für die Herrlichkeit Gottes. Das ist wie mit der Lichtverschmutzung in der Atmosphäre: weil jede Lichtreklame versucht, die hellste von allen zu sein, kannst du kaum noch die echten Sterne beobachten. Es gibt hier in der Welt einen Abgott, der den Menschen den Kopf verdrehen möchte, er redet ihnen ein: je lauter etwas ist, um so wichtiger ist es. Je teurer es ist, um so erstrebenswerter ist es. Je mehr es im Trend liegt, um so weniger darfst du dich ihm widersetzen. Je erfolgreicher etwas ist, um so besser ist es.

Der Abgott versucht, die Menschen besoffen zu machen mit schlechten Imitationen Gottes, mit Macht und Geld und Popularität, so dass sie den wahren Gott nicht mehr erkennen. Das System, mir dem er die Menschen gebunden hat, macht sie so blind, dass sie sich eher das Ende der Welt vorstellen können als das Ende des Kapitalismus.

Dem echten Glanz verpflichtet

Und wenn ihr, die Gemeinde Jesu, euch der Logik dieses Abgotts beugt, dann habt ihr schon verloren. Ihr sollt stattdessen dem Glanz trauen, der in euch aufgestrahlt ist, beim einen stärker und beim anderen etwas schwächer, aber ihr habt doch irgendwann verstanden, dass der wahre Gott in Jesus Christus zu finden ist. Da wird man heil, da findet man Frieden, da ist Leben und Glück. Da muss man nicht mit dem Motto »Nach mir die Sintflut« leben. Da muss man nicht noch schnell so viel wie möglich erleben und mitnehmen, bevor man tot oder über 50 ist.

Das ist es, was wir zu kommunizieren haben, und wir dürfen das nicht verwechseln mit dem mehr oder weniger großen Glanz, den wir als Menschen ausstrahlen. Paulus war mit Sicherheit jemand, der eine ganze Menge vom Glanz Jesu widerspiegelte, aber alle sollten verstehen, dass es der Glanz Gottes in Jesus war und nicht der des Paulus. Ohne Jesus wäre Paulus ein redegewandter Rechthaber geworden. Und der Glanz der Gemeinde in Korinth bestand nicht im Wohlklang der Lesungen und Gesänge, sondern in der Freiheit und Solidarität, die man durch den Geist Jesu dort finden konnte, mitten in der brutalen Welt des römischen Imperiums.

»Wir verkünden nicht uns selbst« sagt Paulus. Wir müssen uns nicht mit Symbolen oder Gebäuden wichtig machen, wir brauchen keine grünen Hosenträger oder rote Irokesenschnitte, um uns als Marke unverwechselbar zu machen. Den Glanz Gottes in Jesus widerspiegeln und den so wenig wie möglich durch unser Verhalten eintrüben, darum geht es. Das ist das wirkliche Markenzeichen der Christen, aber das muss man nicht bewerben.

Ein Triumphzug eigener Art

Am wichtigsten ist es, dass wir selbst dem trauen: dass in uns eine Herrlichkeit präsent ist, die ihre Wirkung entfalten wird. In der Zeit von Paulus galt es als die größte Herrlichkeit, wenn ein siegreicher Feldherr mit seinen Truppen im Triumphzug in der Hauptstadt einziehen durfte, er vorneweg in goldener Rüstung auf einem Schlachtross, und hintendran die Beute und die versklavten Feinde. Und die Menschen am Straßenrand jubeln und schmeißen Konfetti. Davon träumten damals die kleinen Jungen, so wie sie heute davon träumen, Fußballprofi zu werden.

Paulus dagegen beschreibt seine Reise durch Griechenland als Triumphzug: wie er in allen Orten über kurz oder lang die Flucht ergreifen musste, wie er geschlagen wurde und ins Gefängnis kam, aber trotzdem hat er überall Gemeinden hinterlassen, kleine Zellen von Menschen, so klein, dass man sie zuerst noch nicht mal verfolgt hat. Aber das war sein Triumphzug, dass trotz dauernder Anfeindungen das Licht Jesu in Menschen aufgeleuchtet ist, dass Menschen den Glanz Gottes gesehen haben und immun wurden gegen den Glanz der Imperatoren und Influencer. In Philippi kam er ins Gefängnis und gewann den Gefängnischef. Das ist Herrlichkeit, und nicht, wer die meisten Menschen versklavt und die größten Schätze geraubt und das meiste Aufsehen gemacht hat.

Wir sind berufen, Menschen zu sein, die unterscheiden können zwischen echter Herrlichkeit und ihrer billigen Kopie, ob christlich oder weltlich. Wir sind berufen, den Anfang unserer Begegnung mit dem Glanz Gottes so ernst zu nehmen, dass wir diesen Glanz immer besser verstehen und ausstrahlen. Da müssen wir nicht künstlich nachhelfen. Wir sollen uns aber auch nicht mit Klein-Klein zufriedengeben. Jesus hat sich ja schließlich auch nicht als Otto Normalverbraucher verkleidet. Jesus leuchtete.

Also, rechnet damit, dass wir tatsächlich Glanz ausstrahlen. Und er wird um so stärker, je tiefer wir selbst durch den Heiligen Geist der Herrlichkeit Gottes begegnen, die sich uns im Angesicht Jesu zeigt.