Die Summe der ganzen Welt

Predigt am 23. Juni 2013 zu Epheser 1,3-10

3 Gesegnet sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus! Er hat uns durch Christus gesegnet mit jedem nur denkbaren geistgewirkten Segen in der himmlischen Welt. 4 In ihm hat er uns ausgewählt, schon bevor der Grund der Welt gelegt wurde, damit wir heilig und untadelig vor ihm seien in Liebe. 5 Er hat uns vorherbestimmt, seine Söhne und Töchter zu werden durch Jesus Christus. Das war sein Plan, das war seine Freude; 6 so sollte seine Gnade in voller Größe und Herrlichkeit sichtbar werden, mit der er uns beschenkt hat durch seinen geliebten Sohn.
7 Durch ihn und durch sein Blut haben wir die Befreiung – denn unsere Sünden sind vergeben. Daran zeigt sich der Reichtum seiner Gnade, 8 mit der er uns verschwenderisch beschenkt hat. Ja, mit großer Weisheit und Übersicht 9 hat er uns sein verborgenes Ziel wissen lassen, so wie er es bei sich schon längst beschlossen und in Jesus begonnen hatte 10 als Entwurf für den Moment, an dem die Zeit dafür reif wäre. Sein Plan ist es, den ganzen Kosmos im Christus zu vereinen, Himmel und Erde, in ihm.

Paulus beginnt den Epheserbrief mit einem kosmischen Panorama, einer Gesamtschau dessen, was Gott mit der Welt vorhat. So, wie wenn du in einer großen Stadt auf den Funkturm fährst oder mit einem Ballon aufsteigst und auf einmal siehst du alles unter dir liegen und sagst: oh, schau mal, da waren wir! Und da ist das Restaurant, wo es das leckere Eis gab! Und da haben wir die Füße in den Brunnen gehalten! Und da haben wir uns verlaufen, und dabei waren wir doch schon ganz nah dran an dem Kino, wo wir hin wollten!

Worauf es von Anfang an hinauslief

So zeigt uns Paulus hier Gottes Gesamtplan, den er von Anfang an hatte. Die ganze Welt lief darauf hinaus, aber früher konnte es noch niemand verstehen. Die Menschen haben sich mehr oder weniger zutreffende Vorstellungen vom Sinn der Welt gemacht, aber erst jetzt, von Jesus her, wird das ganze Bild erkennbar. Erst jetzt kann man verstehen, worauf das alles hinauslaufen sollte, wozu die ganze Geschichte mit ihren Irrungen und Wirrungen gut war. Und jetzt können wir auch unseren persönlichen Weg da einordnen und verstehen, was Gott im Sinn hatte, als er uns so geführt hat.

Was ist Gottes Ziel? Er will den ganzen Kosmos in Christus vereinen. Das Wort, das er an dieser Stelle benutzt, trägt in sich mehrere Assoziationen: es ist ein kaufmännischer Ausdruck und bedeutet einmal, dass man die Summe zieht und aufschreibt, was bei einem Geschäft nun am Ende herausgekommen ist. Bei der ganzen Geschichte Gottes mit der Welt soll am Ende herauskommen, dass Himmel und Erde von Jesus geprägt werden, dass der ganze Kosmos sozusagen Jesus-artig, Jesus-förmig wird.

Das Wort hat aber auch mit dem Kopf zu tun, mit dem Zentrum, von dem aus der ganze Körper gesteuert wird, und man könnte sagen: Jesus soll das Zentrum werden, von dem her die ganze Welt eine Einheit wird. Jesus ist der König der Welt, und das hatte Gott schon im Sinn, als er die Fundamente der Welt legte. Dafür hat er sie geschaffen, erst mit Jesus ist sie vollständig.

Die Blaupause der neuen Welt

Man merkt schon, das ist schwer auszudrücken und noch schwerer vorstellbar, aber vielleicht kann man doch ein paar Linien ziehen. Am einfachsten ist es noch bei den Menschen: die ganze Menschheit soll nach der Art Jesu leben. Jesus ist sozusagen der Prototyp, er ist der Entwurf, an ihm können wir ablesen, auf welche Spur Gott die ganze Menschheit gesetzt hat. Stellt euch seine Freiheit vor, seine verschwenderische Großzügigkeit, seine Klarheit in allen Situationen, vor allem aber sein intensives Gespür für Gottes Sicht der Welt, seine Einheit mit dem Vater im Himmel – so soll die ganze Menschheit werden.

Und wenn man daran denkt, wieviel schon der einzelne Mensch Jesus mit seiner Art bewegt und bewirkt hat, was er für eine Vollmacht entwickelt hat, obwohl er nur einer war, dann ist es nicht wirklich vorstellbar, wie eine Welt aussehen würde, in der die ganze Menschheit so handelt wie Jesus.

Denkt nur mal daran, wie er Tausende Menschen wunderbar satt gemacht hat – das wäre der Entwurf für eine Weltwirtschaft, durch die alle Menschen genug haben und satt werden. Eine Wirtschaft, die auf Geben und Schenken beruht statt auf Habenwollen und Festhalten. Eine Welt, wo die Produktion und Verteilung der Güter uns mit anderen Menschen und mit der Schöpfung verbindet, anstatt uns in die Abhängigkeit von zerstörerischen Mächten und Märkten zu bringen, die die Menschen gegeneinander ausspielen und die Umwelt zerstören. Eine Welt, die sich nach dem Muster bewegt, das Jesus bis zum Tod durchgehalten hat: opferbereite Liebe statt Ellbogengesellschaft.

Das ist eine Welt, in der die Menschen und die anderen Geschöpfe versöhnt sind, wo wir für die stummen Kreaturen nicht mehr ein Schrecken sondern, sondern wo wir ihrer Lebensfreude eine Stimme geben und auch ihr Lob des Lebens vor Gott bringen. Eine Welt voller Schönheit, wo unsere Bauten und die Natur harmonieren und wir nicht mehr das Antlitz der Erde mit Betonklötzen, Plastikfassaden und Blechprofilen verhunzen.

Oder die Heilungen Jesu: die geben uns eine Ahnung davon, wie sich eine Welt anfühlen würde, in der wir nicht mehr mit den Unzulänglichkeiten und Schmerzen unseres Körpers kämpfen müssten.

Und wir müssen auch noch den ganzen kosmischen Bereich dazu nehmen. Damals wusste man ja noch gar nicht, wie groß das All mit seinen gewaltigen Räumen wirklich ist. Irgendwie würde eine von Jesus geprägte Menschheit auch das alles einbeziehen, aber da kommt unser Vorstellungsvermögen wirklich an seine Grenzen.

Alles bekommt seinen Platz

Aber so weit ist es ja auch noch nicht. Bisher haben wir erst Jesus, aber in ihm spiegelt sich schon der ganze Plan Gottes. Jesus ist der Prototyp, die neue Welt im Kleinen, und schon so hat er die alte Welt, den Himmel und die Erde, bewegt und erschüttert wie kein anderer.

Wenn wir die Geschichte von diesem Zentrum her ansehen, dann bekommen die einzelnen Dinge und auch unser eigenes Leben einen Platz in diesem großen Zusammenhang. Unsere Medizin ist dann etwa ein großer Schritt voran in eine gute Richtung, aber wir verstehen, dass Heilung immer Körper und Seele und den Geist umfassen muss. Oder der wissenschaftliche Fortschritt – der ist ein wichtiger Schritt voran im Verstehen der Welt, aber wir können nicht akzeptieren, dass da die Welt meistens als toter Stoff angesehen wird, mit dem man machen kann, was man will.

So kommt von Jesu her alles, was Menschen tun, an seinen richtigen Platz: in seiner Begrenztheit, manchmal auch in seiner Zerstörungskraft, aber auch in seiner Stärke und Lebenskraft, und man kann fast immer sagen: was wird das erst geben, wenn die Menschheit befreit ist von der Versklavung unter die Mächte, von ihrer Verstrickung ins Verkehrte, wie großartig wird das dann erst sein!

Und so findet auch unser Leben seinen Platz in diesem großen Szenario. Dass wir zu Jesus gefunden haben, dass wir mit ihm verbunden sind und von ihm befreit werden. Das alles ist Teil seines Gesamtplans, und wir haben da sogar eine ganz besondere Funktion: wir sind die ersten Befreiten, die begonnen haben, den Duft der neuen Welt zu schnuppern. Wir sind die ersten, die Gottes Plan kennen und feiern können. Die Weltgeschichte ist nicht einfach ein wirres Chaos, kein konzentriertes Knäuel aus Irrtum und Bosheit, sondern in allem bringt Gott auch seinen guten Plan voran, und wir sollen das schon wissen.

Welche Geschichte erschließt uns die Welt?

Aber indem wir das wissen, sind wir schon ein Aktivposten in Gottes Plan. Wir verstehen, dass es darum geht, alles in Christus, dem König, zu vereinen. Und dann bekommen alle Dinge diese Bedeutung, dass sie Teil eines größeren Ganzen sind. Dann kannst du mit Leuten reden und die Straße fegen und das Mittagessen machen und mit Computern kämpfen und immer ist das ein Teil von etwas Größerem. Wenn du das aus der Liebe zu den Menschen und der Freude an Gott und seiner Schöpfung machst, dann baust du da schon an der neuen Welt. Du bist schon ein Teil dieser Welt. Das ist jetzt noch gar nicht richtig sichtbar, aber wenn Himmel und Erde einmal vereint sind, wenn die Grenze dazwischen gefallen ist, dann wird es offenbar werden.

Und so erzählen wir immer wieder diese neue Geschichte der Welt, damit wir sie nicht vergessen oder aus den Augen verlieren. Wir lassen uns ja immer wieder schnell in andere Gedankenverbindungen hineinziehen. Es gibt viele andere Leitbilder dafür, was die Welt sein könnte. Vielleicht ist sie ja ein Dschungel, in dem ich mit aller Kraft gegen die anderen kämpfen muss, um wenigstens ein bisschen Glück und Leben zu haben? Oder sie ist eine Bühne, die stündlich auf meinen großen Auftritt wartet. Oder sie ist ein Zufall, entstanden aus einem Spiel von Materie und Naturgesetz, ohne jeden Sinn, gleichgültig, und genauso wird sie wieder vergehen. Oder sie ist ein Sklavenhaus, in dem man den ganzen Tag herumgescheucht wird, und am Ende seines Lebens blickt man dann bitter zurück und fragt sich: was hab ich davon gehabt?

Die Geschichte neu erzählen

Weil es diese und noch viele andere Bilder gibt, und weil die auch immer eine gewisse Plausibilität haben, deshalb müssen wir uns immer wieder in Gottes Sicht der Welt hinein holen lassen. Und zwar nicht als abstraktes Wissen, das ist gerade mal der Anfang, sondern als praktische Grundhaltung, wie wir mit der Welt und den Menschen umgehen. Das soll uns Tag für Tag begleiten und gestalten, dass die Welt für Jesus vorbereitet und geplant ist, dass seine Art zu leben der Schlüssel ist. Die Bergpredigt und überhaupt der Weg Jesu ist die wahre Gebrauchsanweisung für die Welt. Und es ist unsere Aufgabe, im Einzelnen herauszufinden, was das für uns und unser Leben bedeutet. In der Bibel stehen eben nicht Anweisungen für jede denkbare Situation, sondern es ist eine Grundgeschichte, die wir dann Tag für Tag mit unserem Leben nacherzählen und weitererzählen.

Ein Gebet

Und Paulus redet darüber hier am Anfang des Epheserbriefs in der Form eines Gebets. Der Mann saß damals wohl im Gefängnis, aber er dankt Gott für die Freiheit, die er uns allen geschenkt hat. Gesegnet sei Gott, der uns gesegnet hat! Danke Gott, dass du uns berufen hast, dass du uns befreit hast! Paulus denkt nach dem Muster der Befreiung des Volkes Israel aus Ägypten, aber jetzt sind die Sklavenhalter nicht mehr andere Menschen, sondern es ist unsere Verstrickung in das falsche Grundmuster der Welt, die Sünde, die uns gefangen hält und klein macht, aber Jesu hat uns von dieser Sklavenhalterin befreit. Deshalb kann man jetzt auch im Gefängnis ein freier Mensch sein. Danke, dass du uns mit einbeziehst in deine große Geschichte! Danke, dass du uns durch Jesus gezeigt hast, was Liebe ist und wie gut die für alle ist. Danke, dass wir deine Söhne und Töchter geworden sind, die du einweihst in deinen Plan. Danke, dass du die Welt für Jesus und seine Art zu leben geschaffen hast, dass sie genauso ist und nicht anders. Danke, dass wir jetzt schon Bürger dieser neuen Welt sind. Danke, dass du deine Freude an deiner Schöpfung mit uns teilst.

Schreibe einen Kommentar