Das große Ja

Predigt am 18. Dezember 2016 (4. Advent) zu 2. Korinther 1,18-22

´So wahr` Gott treu ist: Was wir euch sagen, ist nicht Ja und ´gleichzeitig` Nein. 19 Denn der Sohn Gottes, Jesus Christus, den wir in eurer Mitte verkündet haben – ich selbst und Silvanus und Timotheus –, hat nicht Ja und Nein zugleich verkörpert; in ihm ist vielmehr das Ja Wirklichkeit geworden. 20 Was immer Gott an Zusagen gemacht hat – in seiner Person finden sie alle ihre Erfüllung. Er ist das Ja, und deshalb sprechen wir auch unter Berufung auf ihn zur Ehre Gottes das Amen. 21 Gott selbst ist es, der uns zusammen mit euch ´im Glauben` an Christus, ´seinen Gesalbten,` festigt. Er hat uns alle gesalbt ´und damit in seinen Dienst gestellt`; 22 er hat uns auch sein Siegel aufgedrückt ´als Bestätigung dafür, dass wir jetzt sein Eigentum sind`, und hat uns seinen Geist ins Herz gegeben als Unterpfand und Anzahlung ´für das, was er uns noch schenken will`.

Bild: Maklay62 via pixabay, Lizenz: creative commons CC0
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In Jesus Christus ist das große Ja Gottes zu seinen Geschöpfen sichtbar geworden. Dieses Ja ist die geheime Kraft hinter Weihnachten, und deshalb hat sich dieses Fest weltweit ausgebreitet. Auch da, wo es fast jede Verbindung zu seinen Wurzeln verloren hat und zu einer sentimentalen Konsumschlacht geworden ist, selbst da transportiert es immer noch etwas von diesem Ja Gottes, das am Anfang von allem steht, und dieses Ja wollen Menschen überall auf der Welt hören.

Ein Ja mit Geschichte

Gott hat am Anfang sein großes Ja zur Schöpfung gesagt, und jeden einzelnen von uns hat er mit seinem Ja ins Leben gerufen. Und wir haben seinem Ja vertraut und haben uns von ihm rufen lassen. Und als dieses Vertrauen den ersten, entscheidenden Knacks bekommen hat, da hat Gott sich auf den Weg gemacht, um das zerbrochene Vertrauen zu heilen und seine Welt zurück zu holen. Das Lied von Maria, das wir vorhin als Lesung (Lukas 1,46-55) gehört haben, fasst diese lange Geschichte zusammen, wie Gott mit Abraham und seiner Familie einen Neuanfang macht und dann über viele Jahrhunderte daran arbeitet, aus ihnen eine neue befreite Menschheit zu machen. Er hat sie aus der Sklaverei in Ägypten befreit. Er hat sie durch die Wüste in ein neues Land geführt, damit sie dort als freies Volk in Solidarität miteinander leben konnten. Und immer, wenn sie in Gefahr kamen, ihre Freiheit zu verspielen, hat er sie zurückgerufen. Und als sie trotzdem ein Machtstaat, ein Unterdrückerstaat wurden, da hat er lieber diesen Staat zerschlagen, als sie zu einem Volk wie alle andern werden zu lassen. So finden sie sich als Gefangene fremder Mächte wieder. Und trotzdem bleibt er ihnen treu, er schickt neue Propheten und richtet sie wieder auf, er lässt sie überleben. Er sorgt dafür, dass ihre Identität als Volk bewahrt bleibt. Und nach vielen Jahrhunderten des Wartens erscheint unter ihnen Jesus, und an dem kann man ganz eindeutig erkennen, worauf diese ganze Geschichte schon immer hinauslaufen sollte: eine neue Art, als Mensch zu leben, und deren Grundlage ist das große Ja Gottes zu uns, mit dem er alles ins Leben gerufen hat.

Leben vom Ja

Sich an dieses Ja zu erinnern ist so wichtig, weil Menschen davon leben, dass sie dieses Ja zu hören bekommen und kein Nein. Wir sind ganz stark darauf angewiesen, dass jemand anders Ja zu uns sagt. Wir entdecken uns selbst als Person, weil jemand anders uns anschaut und zurücklächelt oder auf unsere ersten zarten oder nicht so zarten Laute reagiert. Wir entwickeln ein Gefühl für unseren Wert und unsere Würde, wenn in unserer Umgebung die Würde von Menschen behütet wird.

Viele Menschen leiden darunter, dass sie stattdessen zu oft ein Nein gehört haben, manchmal schon ganz früh und über viele Jahre hinweg: du bist nicht gut genug, du bist nicht schön genug, du bist nicht klug genug, du bist eine Last, du bist ein Betriebsunfall, du bist nicht erwünscht. Es gibt dieses Nein in vielen Formen, plump und direkt ebenso wie sehr geschickt in höflichen Worten verborgen, die trotzdem einen Stachel in die Seele pflanzen. Und jedes Mal macht es Menschen das Leben schwerer, jedes Mal zerstört es Vertrauen, jedes Mal macht es die Welt etwas mühsamer und unsicherer.

Das gibt es auch im größeren Maßstab, wenn Menschen benachteiligt werden, wenn ihnen kein Raum zum Leben mehr bleibt, wenn sie bürokratisch verwaltet werden, wenn die Infrastruktur bröckelt, weil überall angeblich gespart und gegeizt werden muss. Auf vielen Wegen kommt dieses Nein zu Menschen, direkt oder indirekt. Und es hinterlässt seine Spuren: Selbstzweifel und Schuldgefühle, Unsicherheit und Misstrauen, und der Fluss des Segens versiegt und die Fülle der Freude verarmt. Und am Ende vertrauen Menschen niemandem mehr, und gleichzeitig fallen sie auf jeden Hochstapler rein, wenn er sie nur lange genug bauchpatschelt und ihnen erzählt, er wäre der Einzige, der an ihrer Seite ist und sie vertritt. Wer zu oft dieses Nein gehört hat, der hat es schwer, sich selbst zu achten, sich zu schützen und gut für sich zu sorgen.

Alltag mit Ambivalenz

Zum Glück findet aber auch immer das Ja Gottes seinen Weg zu uns, sonst könnten wir gar nicht leben. Da waren ja Menschen, die uns angeschaut und angelächelt haben, es hat Freundlichkeit und Zugehörigkeit gegeben, und jede Mahlzeit, durch die wir satt werden, ist wieder ein kleines Ja, das wir hören dürfen. Trotz allem ist die Welt immer noch von Segen erfüllt und jeder Morgen, an dem wir mit neuer Kraft aufwachen, erzählt uns davon. Das Normale ist, dass wir aus unserer Umgebung das Ja ebenso hören wie das Nein. Und irgendeine Mischung davon geben wir auch an unsere Kinder weiter. Und so bleibt es doppeldeutig, und es hängt von vielen Zufällen ab, was überwiegt, und wieviel Mut und Freude und Zutrauen und Kraft wir in uns haben, um unseren Lebensweg zu bestehen.

Ein eindeutiger Gott, ein aktives Ja

Ganz im Gegensatz dazu hören wir aber heute, dass in Gott nicht diese Mischung aus Ja und Nein ist. Der Schöpfer der Welt bleibt bis heute bei seinem fundamentalen Ja zu seinen Geschöpfen. Das hat er immer wieder signalisiert, und schließlich ist er sogar selbst zu uns gekommen und hat unser Leben geteilt. Jesus ist das entscheidende Zeichen dafür, dass Gott sich ein für alle Mal mit der Welt und den Menschen verbunden hat und das nie aufgeben wird. Dass er auferstanden ist, das zeigt im Rückblick, dass Gott keine hohlen Sprüche gemacht hat, auch wenn seine Versprechen oft wie unglaubliche Übertreibungen aussahen. Jesus ist das große Ja in Person.

Und es ist ein Ja, das das Beste in uns hervorruft. Man kann das sogar noch bei unserem konsumgesättigten Weihnachten sehen, wie der ursprüngliche Impuls ist, anderen etwas zu schenken, einen eigentlich unnötigen Überfluss sichtbar werden zu lassen, über das Notwendige hinaus. Man kann es daran sehen, wie Menschen dann versuchen, sich ein paar Tage lang anders zu verhalten, freundlicher, friedlicher, und wir finden es besonders unpassend, wenn an Weihnachten irgendwo ein Krieg einfach weitergeht, als wäre es ein Tag wie jeder andere.

Das Vorzeichen vor allem

Wieviel mehr wird dann das Ja Gottes dort bewirken, wo es nicht nur in so reduzierter Form ankommt, sondern wo es laut ausgesprochen und gemeinsam gelebt wird wie damals in der Gemeinde, an die dieser zweite Korintherbrief gerichtet ist, über dessen einen Abschnitt wir heute nachdenken. Eine Gemeinde ist gedacht als Raum, der dieses Ja Gottes greifbar macht. Wenn ein Mensch getauft wird und so in die Gemeinde aufgenommen wird, dann sagt Gott damit ganz individuell Ja zu diesem Menschen und macht deutlich: das ist das große Vorzeichen, das jetzt über deinem Leben steht. Ich sage Ja zu dir, und ich werde nicht aufhören, so das Beste in dir hervorzurufen. Du sollst wissen, dass du mir am Herzen liegst. Deshalb kannst du dir selbst und der Welt vertrauen. Ich werde mit dir sein.

Versteht, dass das etwas anderes ist als die ganzen Beteuerungen, die man bei einer Hotline hört, wenn man da anruft und gesagt bekommt, wie sehr sie sich über den Anruf freuen, und dann hat der Typ im Callcenter trotzdem keine Ahnung, und du wirst von einem zum anderen weitergereicht. Gott hat sein Ja durch viele Jahrhunderte hindurch wiederholt, immer wieder neu, so dass Menschen es in ihrer Sprache und in ihrem Verständnishorizont verstehen konnten, und dann kam Jesus und hat tatsächlich all diese Versprechen eingelöst.

Begründetes Vertrauen

Deswegen schreibt Paulus in diesem Abschnitt des Briefes: für alle Verheißungen Gottes ist er das Ja, die Bestätigung. Und indem wir dazu Amen sagen, bestätigen wir auch von unserer Seite aus, dass Gott treu ist und zu seinen Verheißungen steht. Wenn Gott über so lange Jahrhunderte immer wieder Botschaften der gleichen Art schickt und sie am Ende auch noch so deutlich in die Tat umsetzt, das kann sich kein Mensch ausgedacht haben, das kann niemand über so lange Zeit heimlich gesteuert haben, das muss von Gott sein. Er ist treu.

Das wird besonders wichtig in einer Zeit, wo Vertrauen Mangelware wird und überall die Verdächtigungen und das Misstrauen boomen. Das hängt natürlich damit zusammen, dass der gesellschaftliche Reichtum sich in den Händen weniger konzentriert und dass Menschen tatsächlich abgehängt werden. Auf einer tieferen Ebene hängt es aber auch damit zusammen, dass Menschen immer weniger wissen von dem großen Ja Gottes über jedem Menschenleben. In dem Lied der Maria, das wir vorhin gehört haben, da wird das zusammen gehalten: das Wissen, dass es Mächtige und Hochmütige gibt, die wenig Mitleid mit den Schwachen haben, aber auf der anderen Seite das Zutrauen, dass Gott treu ist, dass er jedenfalls nicht mit den Herren der Welt im Bunde ist, sondern ihre Pläne zu Fall bringt.

Jesus, das Ja in Person

Wenn wir das wissen, dann sind wir nicht abhängig davon, dass alle Menschen um uns herum glaubwürdig sind. Es ist wichtig, dass wir ein paar Menschen begegnen, in denen Gott das Beste hervorgerufen hat. Es ist wichtig, dass wir selbst Gott erlauben, in uns das Beste hervorzurufen. Aber unser Vertrauen sollte sich nicht auf die Glaubwürdigkeit von Menschen gründen. Da kann man schnell enttäuscht werden, und das passiert uns ja auch immer wieder. Unser Vertrauen ins Leben und in die Welt soll eine tiefere Basis haben: Jesus Christus, der mit seinem Leben, Sterben und Auferstehen die Bestätigung ist, dass Gott sein aktives Ja zur Welt und zu uns nicht widerrufen hat. Dieses Ja ist immer noch dabei, sich auszubreiten und Menschen zu berühren. Es erschüttert die Welt, in der es so viel Nein gibt.

Das ist der Kern von Weihnachten, und alle Bräuche und Traditionen sind Versuche, das zu symbolisieren und erfahrbar zu machen. Vertrauen in die Welt ist nicht willkürlicher Optimismus, sondern es hat einen verlässlichen Grund, der nicht von der Glaubwürdigkeit von Menschen abhängig ist. Gott ist verlässlich, und sein aktives Ja zu uns bleibt bestehen, bis Gottes Welt an ihr Ziel gekommen ist.

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