Eine Welt voller Auferstehungsgeschichten

Predigt am 24. April 2011 (Ostern I) zu 1. Samuel 2,1-8

Dass Jesus auferstanden ist, das ist nicht irgendwie so aus heiterem Himmel gekommen. Das ist kein unverhoffter Zufall, sondern das passt einfach zu Gott. So etwas hat Gott immer schon gemacht. Bis zu Jesus war das noch nicht so klar und deutlich, aber wenn Gott sich unter den Menschen einmischte, dann ging es immer schon genau in diese Richtung, dass das Unglaubliche Realität wurde und dass der Tod vom Leben überwunden wurde.

Deswegen kann unser heutiger Predigttext ein Text aus dem Alten Testament sein. Man könnte sich ja darüber wundern: was hat das Alte Testament mit Ostern zu tun? Die Auferstehung Jesu ist doch nun wirklich eine Sache des neuen Testaments. Und trotzdem ist dies schon im Alten Testament, weit in der Frühzeit Israels, eine Auferstehungsgeschichte. Gott hat schon lange vor Jesus Zeichen gesetzt, hat Markierungen hinterlassen, an denen man mindestens im Rückblick merkt, dass er schon immer das Unterste zu oberst kehren wollte, dass er schon immer den normalen Lauf der Welt durcheinander gebracht hat, dass er schon immer dafür gesorgt hat, dass die Geschichten anders ausgehen, als man es meistens erwartet.
So eine Geschichte hören wir heute. Es ist die Geschichte von Hanna, der Mutter des großen Propheten Samuel. Lange Zeit bekam Hanna keine Kinder, und das war damals eine Katastrophe für jede Frau. Keine Kinder zu bekommen, unfruchtbar zu sein, das war wie ein Stigma, ein Makel, den man nicht wieder los wurde. Aber in der Geschichte Gottes kommen immer wieder unfruchtbare Frauen vor, die lange Zeit mit diesem Makel der Kinderlosigkeit leben müssen, aber am Ende bekommen sie Söhne, die eine große Rolle spielen in der Geschichte Gottes: Sara, die Frau Abrahams ist das bekannteste Beispiel.

Und so war es auch mit Hanna. Sie war die Frau von Elkana aus dem Stamm Efraim in Israel, und er liebte seine Frau, auch wenn sie keine Kinder bekam. Aber, wie es damals so üblich war, er hatte noch eine andere Frau, und die bekam Kinder. Peninna hieß sie, und der Peninna-Teil der Familie wurde immer größer. Besonders schlimm war es beim jährlichen Fest im Heiligtum von Silo, so wie bei uns Familienprobleme sich am liebsten zu Weihnachten melden. Beim großen Festessen teilte Elkana die Fleischstücke zu, eins für Peninna, und dann noch eins für ihr erstes Kind, und noch eins, und noch eins, und noch eins, und noch eins … und dann bekam Hanna auch ihr Stück – wieder nur eins. Die spöttischen Kommentare blieben nicht aus. Peninna hatte eine spitze Zunge und wusste, wie sie Hanna immer wieder verletzen konnte.

In einem Jahr konnte Hanna es nicht länger ertragen. Sie stand vom Tisch auf und lief in den Tempel, und da schüttete sie ihr Herz vor Gott aus und bat: »Schenk mir einen Sohn! Ich will ihn dir auch hier im Heiligtum lassen, damit er dir sein Leben lang dient.« Und der Priester Eli, der sie dort sah, sagte ihr – ohne zu wissen, worum es ging – aus einer prophetischen Eingebung heraus: „Du wirst bekommen, worum du gebeten hast.“

Um im Jahr darauf, als wieder Opferfest in Silo war, da hatte sie ihren Sohn, und sie musste sich nie wieder verspotten lassen. Und als er alt genug war, da brachte sie ihn in den Tempel, und aus ihm wurde der große Prophet Samuel. Am Tage, als sie den kleinen Samuel in den Tempel brachte, betete sie dort, und ihr Gebet an diesem Tage ist der Predigttext von heute:

1 Hanna betete:
HERR, du hast mich fröhlich gemacht, du hast mich wieder aufgerichtet und mich gestärkt! Jetzt kann ich über meine Feinde lachen. Ich bin voller Freude, weil du mir geholfen hast.
2 Der HERR allein ist heilig; es gibt keinen Gott außer ihm. Auf nichts ist so felsenfest Verlass wie auf ihn.
3 Tut nicht so groß! Spielt euch doch nicht so auf! Prahlt nicht so frech mit euren Plänen! Der HERR weiß genau, was ihr tut; er prüft alle eure Taten.
4 Starken Männern zerbricht er die Waffen; Schwachen und Entmutigten gibt er neue Kraft. 5 Reiche müssen auf einmal ihr Brot mit eigener Hand verdienen; Arme müssen nicht mehr hungern und können feiern. Die Frau, die kinderlos war, bringt sieben Kinder zur Welt, doch die Kinderreiche behält nicht eines. 
6 Der HERR tötet und macht lebendig, er verbannt in die Totenwelt, und er ruft aus dem Tod ins Leben zurück. 7 Er macht arm, und er macht reich, er bringt die einen zu Fall, und andere erhöht er. 8 Die Armen holt er aus der Not, die Hilflosen heraus aus ihrem Elend; er lässt sie aufsteigen in den Kreis der Angesehenen und gibt ihnen einen Ehrenplatz.

Liebe Freunde, auch das ist eine Auferstehungsgeschichte. Das klingt alles wie im Märchen, wenn der jüngste Sohn, dem keiner was zugetraut hat, am Ende die Königstochter bekommt. Die verspottet wurde, kann am Ende lachen. Die Armen können feiern und die, die vorher groß und angesehen waren, gehen leer aus. Das ist Gottes Handschrift. So macht er das. Er ist anders als die anderen Götter, die sich mit den Mächtigen verbünden. Der Gott Israels hat sich schon immer auf die Seite der Sklaven und Armen und der Ausgelachten geschlagen. Er hat schon immer das Unmögliche möglich gemacht. Er hat die Realität seit eh und je gegen den Strich gebürstet, und die nicht damit gerechnet haben, waren dumm dran. Wer solche Geschichten mal gehört hat, vergisst sie nicht mehr.

Ich habe das nicht ohne Grund mit den Märchen verglichen. Gottes Handschrift hat uns im christlichen Kulturkreis tief geprägt. Sogar in den Geschichten, die man den Kindern erzählt, spiegelt sich das wieder: am Ende gewinnt das tapfere Schneiderlein, die arme Stieftochter oder die heimatlosen Tiere (die Bremer Stadtmusikanten). Sei pfiffig, sei integer und tu das Unerwartete, dann ist das Glück auf deiner Seite! Das kann man bei den Brüdern Grimm lernen. Das sind oft in Märchen verpackte Auferstehungsgeschichten, genauso wie die von der kinderlosen Hanna.

Das ist überhaupt nicht selbstverständlich. Es gibt auch ganz andere Märchen. Ich wusste das nicht, bis ich mal einen Band mit Märchen aus unserer Gegend hier gelesen habe. Da gibt es lauter Geschichten, wo einer aus der Reihe tanzt, und dann kriegt er dafür eins auf den Deckel. Ein Kind läuft ins Kornfeld, obwohl es verboten ist, und dann wird es von der Kornmuhme geholt. Punkt. Geschichte zu Ende. Eigentlich ziemlich langweilig. Das ist natürlich realistisch, so läuft das ja viel zu oft. Aber die richtig guten Geschichten sind doch die, wo es anders ausgeht. Wo das Unwahrscheinliche eintrifft und die Neugier belohnt wird. Nur solche Geschichten lohnen sich, erzählt zu werden. In den heidnischen Geschichten gibt es solche Überraschungen nicht. Ohne den Gott, der das Unterste zuoberst kehrt, gibt es noch nicht mal gute Märchen. Vom Herrn der Ringe ganz zu schweigen.

Aber die Auferstehung Jesu bringt solche Hoffnungsgeschichten hervor: solche wie die von Hanna, wo noch keiner was von der Auferstehung weiß, aber Gottes Lebenshandschrift ist schon zu erkennen. Und natürlich erst recht nach der Auferstehung, da gibt es noch viel mehr Geschichten, die den Geist der Auferstehung atmen, weil ja jetzt jeder von diesem Gott wissen kann, der des Todes spottet. Auch Geschichten wie die Märchen, von den Brüdern Grimm und vielen anderen, die den Namen Jesus gar nicht nennen, und die trotzdem die Struktur des Auferstehungsdenkens in sich tragen und ganze Völker so geprägt haben, dass es uns heute so vorkommt, als sei das völlig selbstverständlich. Aber in Wirklichkeit sind es Wunder, die Menschen Kraft und Widerstandsfähigkeit geben.

Und dann gibt es noch die Auferstehungsgeschichten, die sich total getarnt haben und die trotzdem die Welt bewegen. Wir haben in diesem Jahr schon einige ganz beeindruckende Auferstehungsgeschichten miterlebt. Ich denke an die Aufbrüche in Tunesien und Ägypten und in vielen anderen Ländern, in denen bisher Willkürherrscher das Regiment geführt haben, schon seit vielen Jahrzehnten. Das sah alles dermaßen unbeweglich und unfruchtbar aus, perspektivlos und betoniert. Keiner hat damit gerechnet, dass es mal anders werden könnte. Und auf einmal bewegt sich was, und ein Regime, das stabile Friedhofsruhe zu garantieren schien, bricht in ein paar Wochen zusammen. Der Herr bringt die einen zu Fall und die anderen erhöht er. Starken Männern zerbricht er die Waffen, aber Schwachen und Entmutigten gibt er neue Kraft. Er ist der Gott der ganzen Welt, aber wir kennen seine Handschrift, auch dort, wo er sozusagen inkognito an der Arbeit ist. Man muss das erleben, wie Menschen aus diesen Ländern sich freuen, wenn diese bleiernen, erdrückenden Herrschaften ins Wanken geraten.

Und wie ist das gekommen? Weil sich da Auferstehungserzählungen verbreitet haben. Geschichten davon, wie das Unterste zuoberst gekehrt wird, und wie das Große nicht groß bleibt und klein nicht das Kleine. Über Handy und Internet haben sich solche Geschichten verbreitet, und sie unterwandern ganze Gesellschaften. Und in China haben sie auch schon Muffensausen und bewachen das Internet mit Argusaugen.

Der auferstandene Jesus ist die geheime Mitte der Welt. An seinen Auferstehungsgeschichten kommt keiner vorbei: die einen werden davon bewegt, und die anderen versuchen, sie mit aller Kraft zu unterdrücken. Jetzt im Rückblick können wir wissen, weshalb es in den letzten 10 und mehr Jahren diesen ganzen islamistischen Terror gegeben hat: da haben Leute gespürt, dass sich auch in ihren Gesellschaften die Auferstehungsluft ausbreitet und die Menschen sich nicht mehr in ihr Schicksal fügen. Und sie haben versucht, das zu stoppen oder es auf ihre Mühlen zu lenken, weil sie Angst vor der Freiheit haben, aber am Ende hat es nicht geklappt, und die Menschen haben gewaltlos und friedlich demonstriert und haben ihr Leben riskiert, so wie vor zwanzig Jahren in der DDR. So als ob sie die Bergpredigt gelesen hätten.

Gott hat so viele Wege, um seine Auferstehungsgeschichten an Männer und Frauen zu bringen. Auch wenn es vorher bleierne Zeiten gibt, in denen man die Hoffnung schon beinahe aufgibt. Zeiten, in denen die kinderlose Hanna sich verspotten lassen muss und in denen alle, die aufzumucken wagen, in den Stasigefängnissen landen. Zeiten, in denen die Kornmuhme über die Brüder Grimm zu siegen scheint. Die schreckliche Zeit zwischen Karfreitag und Ostern, in der es aussieht, als ob die Mächte gewonnen hätten und jede Hoffnung Illusion ist. Aber Gott hat schon längst seine Auferstehungsgeschichten ausgestreut, und wenn die Zeit kommt, dann geht der Same auf.

In all den bleiernen, unfruchtbaren Zeiten sieht es so aus, als wären die ganzen Hoffnungsgeschichten nette Stories ohne Realitätsgehalt. Aber diese Geschichten sind verankert in der Auferstehung Jesu, von dort her nehmen sie ihre Kraft und ihr Recht. Jesus ist auferstanden, er ist wahrhaftig auferstanden! Was sollte jetzt noch unmöglich sein? Nicht mal auf den Tod kann man sich noch verlassen. Schon Hanna hat das gespürt, obwohl es noch über 1000 Jahre dauerte, bis dann Jesus wirklich von den Toten auferstand.

In der Auferstehung Jesu haben all die anderen Auferstehungsgeschichten ihre Grundlage. Ohne Auferstehung wären sie auf Sand gebaut. Aber die Auferstehung sorgt dafür, dass sie realitätshaltig sind und keine schönen Träume bleiben. Gott rüttelt an den Toren der Welt, er will hier rein, und zum Glück gibt es die Auferstehungsmenschen, die ihm die Tür aufschließen. Und dann kommt er selbst, stark und unaufhaltsam.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. wafa

    Testkommentar.

  2. wafa

    zweiter Testkommentar.

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