Kontemplative Übungen – Versuch einer theologischen Einordnung (2): Die jesuitische Tradition

Dritter Teil einer Reihe über die Exerzitien von Franz Jalics Teil 1 | Teil 2 Es ist nicht unwichtig, dass Jalics Mitglied des Jesuitenordens ist. Die Jesuiten sind gegenüber den klassischen Orden eine vergleichsweise junge Gründung (1540). Jesuiten tragen keine Ordenskleidung, sie leben nicht in klassischen Klöstern. Sie üben kein gemeinsames Chorgebet. Der Schwerpunkt ihrer […]

Dritter Teil einer Reihe über die Exerzitien von Franz Jalics Teil 1 | Teil 2

Es ist nicht unwichtig, dass Jalics Mitglied des Jesuitenordens ist. Die Jesuiten sind gegenüber den klassischen Orden eine vergleichsweise junge Gründung (1540). Jesuiten tragen keine Ordenskleidung, sie leben nicht in klassischen Klöstern. Sie üben kein gemeinsames Chorgebet. Der Schwerpunkt ihrer Tätigkeit liegt auf Bildung und Seelsorge. Die Grundbewegung ist nicht Abkehr von der Welt, sondern Hinwendung zu ihr. Damit sind die Jesuiten eine deutlich neuzeitlich geprägte Gründung, im Unterschied zu den eher mittelalterlich zu verortenden älteren Orden.

Auch die Tradition der von Ignatius, dem Ordensgründer, erfundenen Exerzitien ist ein neuer Weg. Sie ist stärker intellektuell als liturgisch geprägt. Jedoch ist das Ziel eine ganzheitliche Prägung des Lebens. Exerzitien sind ein Weg vom Kopf ins Herz, mit Hilfe durchdachter Methodologie. Sie sind gleichzeitig ein individueller Weg: es geht um das Potential und die geistliche Reife des Einzelnen – aber dieser Weg macht ihn in höherem Maß gemeinschaftsfähig.

Wenn wir in der monastischen Tradition des Volkes Gottes nach Impulsen für die Gegenwart suchen, dann sind diese Unterscheidungen nicht unwichtig. Die jesuitische Tradition steht uns näher, weil sie von ihrer Entstehung her neuzeitlich ist. Da ist die Zuwendung zur Welt von Anfang an angelegt, nicht nachträglich hinzugefügt. Genauso ist der neuzeitliche Individualismus schon aufgenommen – und den möchte doch eigentlich keiner im Ernst aufgeben (auch nicht in der Postmoderne). Ebenso die denkerische Durchdringung der Welt, die Aufnahme anderer Kulturen. Die Zuwendung zu neuen Medien (die Jesuiten bedienten sich z.B. des damals fortgeschrittensten Mediums: Theateraufführungen).

Meine Überlegung dabei ist: ob nicht diese neuzeitlichen Prägungen auch näher am Neuen Testament sind als die eher mittelalterlichen Traditionen? Paulus mit seiner strategischen Mission in Schlüsselmetropolen der Antike – steht der nicht einem Jesuiten näher als dem ortsfesten Mitglied eines benediktinischen Konvents mit einem geregelten, spirituell geprägten Tagesablauf?

Klar, die Jesuiten waren auch Träger der Gegenreformation. Aber kann man es nicht auch so sehen: erst in der Bedrohung durch die Reformation öffnete sich die katholische Kirche einem Mann wie dem Ordensgründer Ignatius, der sonst vielleicht eher der Inquisition zum Opfer gefallen wäre. Und nur durch das Gegeneinander der Konfessionen hatten Reformer wie Luther und Ignatius überhaupt eine Chance.

Ich verstehe jetzt, warum ich zu den Anleitungen von Franz Jalics einen besseren Zugang habe als zu den älteren Mystikern. Vielleicht hilft mir Jalics, eines Tages auch sie besser zu verstehen. Vielleicht aber auch nicht.

Dieser Beitrag hat 2 Kommentare

  1. beisasse

    eine treffsichere charakterisierung und nachvollziehbare schlüsse, walter! – das war auch mein gedanke bei meiner suche nach einer angemessenen spiritualität für leute, die auf den strassen unserer städte laufen: dass man wahrscheinlich im ignatianischen noch viel entdecken könnte. (manchmal sorge ich mich da aber eher wegen der kopflastigkeit.)

  2. tiefebene

    Hallo Yotin, schön dich hier zu treffen –
    das mit der Kopflastigkeit: könnte sein. Mal schauen. Wobei ich vermute, dass Jalics da ein weniger kopflastiger Traditionsstrang ist. Demnächst kommen hier noch mehr Posts zum Thema, da werde ich mal auf das Thema achten.

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