Gott ist ein Freund der Menschen

Predigt am 25. Dezember 2025 (Weihnachten I) zu Titus 3,3-8

3 Auch wir waren früher unverständig und ungehorsam, dem Irrtum verfallen, Sklaven aller möglichen Begierden und Leidenschaften, lebten in Bosheit und Neid, waren verhasst und hassten einander.
4 Als aber die Güte und Menschenfreundlichkeit Gottes, unseres Retters, erschien, 5 hat er uns gerettet – nicht aufgrund von Werken der Gerechtigkeit, die wir vollbracht haben, sondern nach seinem Erbarmen – durch das Bad der Wiedergeburt und die Erneuerung im Heiligen Geist. 6 Ihn hat er in reichem Maß über uns ausgegossen durch Jesus Christus, unseren Retter, 7 damit wir durch seine Gnade gerecht gemacht werden und das ewige Leben erben, das wir erhoffen.
8 Dieses Wort ist zuverlässig, und ich will, dass du nachdrücklich dafür eintrittst, damit alle, die zum Glauben an Gott gekommen sind, darauf bedacht sind, sich in guten Werken hervorzutun. Das ist gut und nützlich für die Menschen.

Gott ist gütig und menschenfreundlich – das ist der Kernsatz dieses Abschnitts der Bibel. Gott ist gütig, er beschenkt uns gern und reichlich, und er ist kein Feind; er ist auch kein pingeliger Spaßverderber, der unser Sündenregister führt. Gott mag uns, und er will, dass es uns gut geht. Er hat Jesus zu uns geschickt, damit wir das wissen.

Gott ist menschenfreundlich – das ist überhaupt nicht selbstverständlich

Zwei Paare von Händen, die sich gegenseitig umfassen.

Heute, nach 2000 Jahren Christentumsgeschichte, erscheint uns das irgendwie als keine besonders sensationelle Nachricht. Es gibt wahrscheinlich hier bei uns nur noch wenige Kinder, denen man erzählt: »Pass auf, der liebe Gott sieht alles, und wenn du nicht brav bist, kommst du in die Hölle!«. Lange Zeit war das aber sogar im christlichen Bereich gar nicht so selten.

Und erst recht damals, als das Christentum entstand, lebten die Menschen in einer Welt, in der die Götter alles Mögliche waren, aber nicht menschenfreundlich und gütig. Die allgemeine Ansicht war, dass Götter die eigene Nation oder das eigene Imperium groß machen sollten, damit man die Nachbarstaaten besiegen konnte. Je brutaler man dabei Tabula rasa machte, um so herrlicher war die Glorie des Nationalgottes. Roma, die Göttin von Rom, hatte dann ja wohl dafür gesorgt, dass die Römer den Großteil der damals bekannten Welt unterwerfen konnten. Unter dem Schutz der diversen Götter konnten sie viele Menschen versklaven und ihre Schätze rauben.

Und solche Vorstellungen bleiben ja nicht auf die Sphäre der großen Politik begrenzt, sondern sie schlagen durch bis ins tägliche Leben der Normalos. Kleine Jungen wollten damals nicht Lokomotivführer, Fußballprofis oder Astronauten werden, sondern Gladiatoren, die es schafften, ihre Gegner vor großem Publikum reihenweise umzulegen. Oder Feldherren, die mit riesiger Beute aus dem Krieg zurückkehrten und im Triumphzug durch Rom marschierten.

Auch die Götter sind nicht mehr das, was sie mal waren

Die Vorstellung davon, wie die Götter oder Gott sind, prägt Menschen. Das ist heute bloß nicht mehr so klar, weil sich kaum noch einer in einem Tempel vor einer Götterstatue auf den Boden schmeißt. Heutige Götter sind abstrakter, weniger greifbar und trotzdem sehr wirkungsvoll. Wenn man fragen würde: wer regiert die Welt? Dann ist die Antwort klar: Das Geld! Geld, Kapital, Macht, Besitz, Status, Ansehen, darum geht es zentral, in den Nachrichten ebenso wie bei den Milliardären, die sich als Halbgötter fühlen, und genauso ganz unten in der Lebenspraxis der Normalos. Wir sind alle für den Schutz der Umwelt, aber wenn ein Politiker ehrlich sagt, dass der Schutz der Umwelt auch unser Geld kosten kann, wird er nicht gewählt.

Der Unterschied zu früher ist einfach nur, dass man damals noch glaubte, die Macht käme durch die Gunst der Götter, und heute ist die Macht und das Geld selbst der Mittelpunkt, ohne das ganze religiöse Drumherum.

Und im Kontrast dazu müssen wir diese Bibelstelle verstehen, wo von der Menschenfreundlichkeit und Güte Gottes geredet wird. Der wahre und lebendige Gott ist die Alternative zu den Machtgöttern, denen die Menschen und das Leben egal sind. Der echte Gott ist großzügig, er schenkt gern, er hat uns eine Welt erschaffen, in der ein unendlicher Reichtum von Möglichkeiten steckt. Es ist genug für alle da, so lange nicht einige Mächtige viel zu viel davon an sich reißen. Der echte Gott ist ein Freund aller Menschen, nicht nur einiger weniger. Für ihn sind alle Menschen gleich wertvoll. Und wenn es nach ihm geht, muss niemand auf Kosten der anderen leben.

Das neue Modell des Menschseins

Jesus ist gekommen, um diese Wahrheit zu verkörpern: der alternative Gott will alternative Menschen, die nicht mehr glauben, der Größte und Tollste wäre der, der möglichst vielen anderen seinen Willen aufzwingen kann. An Jesus wird der gütige, großzügige Gott erkennbar, und der will Menschen, die andere großzügig beschenken, nicht nur zu Weihnachten. Der menschenfreundliche Gott will menschenfreundliche Menschen.

Und ganz am Ende dieser Bibelstelle steht der Satz: Das ist gut und nützlich für die Menschen. Gott erwartet nicht von uns, dass wir aus moralischen Gründen ein mickriges Leben führen, sondern andersherum: wer menschenfreundlich ist, lebt besser. Allein schon deshalb, weil man ja als menschenfreundlicher Mensch in der Regel auch zu sich selbst netter ist. Und die moderne Glücksforschung bestätigt das: je gleichmäßiger in einer Gesellschaft Güter und Macht verteilt sind, um so besser geht es den Menschen, in jeder Hinsicht. Auch den Reicheren. Und je größer die Ungleichheit ist, um so unglücklicher sind alle, um so kränker werden alle, um so mehr Drogen werden konsumiert, und so weiter.

Wenn Donald Trump also die Drogen in Amerika bekämpfen will, dann sollte er nicht angebliche Schmuggelboote abschießen lassen, sondern für mehr Gleichheit sorgen.

Darauf kommt keiner von allein

Daran sieht man, wie entscheidend es ist, dass diese Alternative des menschenfreundlichen Gottes erschienen ist. Selbst in angeblich christlichen Ländern hat es der menschenfreundliche Gott immer noch schwer genug, sich verständlich zu machen. Und in einer Welt, in der alle beim Tanz ums goldene Kalb mitmachen, die ganz oben ebenso wie die ganz unten, da kommt von allein niemand auf den Gedanken, es könnte anders sein. Da erscheint die Herrschaft der Lügengötter so lange alternativlos, bis der echte, wahre und lebendige Gott erscheint. Ohne den geht es nicht.

Und das passierte eben in der Geburt Jesu. Auch wenn Jesus da noch nicht für sich selbst sprechen konnte, sondern die Engel das einstweilen übernehmen mussten. Aber da hat es begonnen, dass sich Gottes menschenfreundliche Alternative für die ganze Welt entfaltet. Es dauerte noch ein paar Jährchen, aber dann war sie da.

Und in diesem Bibeltext wird jetzt das Kommen Jesu in die Welt zusammengebracht mit seiner Ankunft im Leben christlicher Menschen. Die konzentriert sich in der Taufe, die der Verfasser hier das »Bad der Wiedergeburt« nennt. Das bedeutet, du steckst so heftig in diesem ganzen Machtsystem drin, dass es nicht reicht, wenn Gott sagt: Du, du, lass das doch lieber und sei ein netter Mensch! Stattdessen braucht es einen kompletten Neustart, raus aus diesem Glauben, wir Menschen würden als eine Art von Ich-AG geboren und müssten uns vom Babywagen an gegen die Mitmenschen behaupten und besser sein als die anderen.

Freundliche Systemsprenger

Nein, wir sind Kinder eines menschenfreundlichen und großzügigen Gottes, der uns mag und uns sehr gerne als ebenso freundliche Menschen sehen würde. Das ist ja das Problem, dass diese Vermachtung der Welt, wo es immer darum geht, wer der Größte ist oder den Größten hat, dass die sich von oben her auch zu den Kleinsten und Gemeinsten durchverbreitet. Wir sind eigentlich auf Freundlichkeit hin geschaffen. Aber wir sind alle angesteckt worden von diesem System der Gier und des Herrschenwollens. Deswegen hat es damals einen Bruch mit der Logik der Gier und der Macht bedeutet, wenn Menschen getauft wurden. Es ging nicht um die Ankunft eines niedlichen Babys in der Familie, sondern um die Ankunft Gottes im Leben eines Menschen, der bis dahin gar nicht wusste, dass es eine menschenfreundliche Alternative für die ganze Welt gibt.

Taufe bedeutet Bruch mit der Logik von Macht und Geld, und weil wir da so tief drinstecken, ist das der Beginn eines Weges, auf dem wir nach und nach immer mehr diese Ketten abwerfen, die uns an die menschenunfreundliche Logik unserer Kultur binden. In dieser Welt sollen wir menschenfreundliche Systemsprenger sein. Am Anfang verstehst du vielleicht nur, dass wir alle in einem Muster drinstecken, das unsere menschenfreundliche Schöpfung immer unbewohnbarer macht. Später merkst du dann hoffentlich auch, dass deine Launen und Neurosen deine Familie und deine Gemeinde zu einem unfreundlicheren Ort machen, als er sein müsste. Manchmal geht es auch andersherum, aber in der Regel erkennen wir unsere schlimmsten Unverträglichkeiten erst im Lauf der Zeit.

Das ist der Weg, auf dem Gott uns zu alternativen Menschen machen will: ein lebenslanger Weg, auf dem der Heilige Geist uns immer tiefer hineinführt in die Umwandlung unserer Person und unserer Lebensweise, die uns zu menschenfreundlichen Menschen macht. Ewiges Leben nennt es der Verfasser unserer Verse hier.

Blöde Missverständnisse

Tragischerweise hat man das später nicht mehr wirklich verstanden und gemeint, es ginge dabei um das Leben nach dem Tod: Taufe oder später »Entscheidung für Jesus« als Eintrittskarte in den Himmel. Aber was wäre das für ein Gott, der uns für später alles mögliche Wunderbare verspricht, aber hier und jetzt kriegt er es gerade mal hin, uns mit Ach und Krach ein paar Basisregeln des menschlichen Zusammenlebens zu geben, an die wir uns im kleinen Kreis meistens halten? Gut, das ist immer noch besser als nichts, aber weit entfernt von dem, was hier im Titusbrief als »Bad der Wiedergeburt« und »Erneuerung im Heiligen Geist« beschrieben wird.

Es geht darum, fundamental menschenfreundliche Menschen aus uns zu machen. Gott fängt mit einer kleinen Minderheit an und vertraut darauf, dass das im Lauf der Zeit auch die anderen überzeugt. Und zwar nicht, indem wir mit staatlicher Macht den Menschen vorschreiben, dass sie christlich zu sein haben. Nur schwache Religionen stützen sich auf politische Macht. Das Christentum ist eine starke Religion, die ohne die Macht der Mächtigen viel besser funktioniert. Dann wird es nämlich viel klarer erkennbar, wenn sich die Großzügigkeit Gottes in uns widerspiegelt. Wer anderen mit Gewalt seine Überzeugungen aufzwingen will, ist weder gütig noch menschenfreundlich.

Das wird funktionieren!

Am Ende heißt es: was ich hier schreibe ist zuverlässig. Es wird sich in der Realität bewähren. Nicht erst im Himmel, sondern hier und jetzt, mitten unter uns, so wie Jesus mitten unter uns auf der Erde die Freundlichkeit Gottes verkörperte. Sei davon ganz überzeugt, dann steckst du auch die anderen damit an. Es geht um die harte Realität dieser Erde. Gott wird sie mit seiner Freundlichkeit verändern, und zwar in erster Linie durch fromme und freundliche Systemsprenger, zu denen er uns machen will.

Egal, wo wir auf diesem Weg schon stehen: auf ihm weiterzugehen ist das wahre und schöne ewige Leben. Wenn wir das tun, geht es uns gut. Dann sind wir mit unserer Bestimmung im Einklang. Und das ist besser als alles andere.