Leben im Horizont des Reiches Gottes (Das Reich Gottes III)

Predigt am 17. August 2003 zu Matthäus 22,1-13

1 Darauf erzählte ihnen Jesus noch ein weiteres Gleichnis:
2 »Gott hat angefangen, seine Herrschaft aufzurichten, und er handelt wie jener König, der seinem Sohn die Hochzeit ausrichtete:
3 Er schickte seine Diener aus, um die geladenen Gäste zum Fest zu bitten; aber sie wollten nicht kommen. 4 Darauf schickte er noch einmal andere Diener zu den Geladenen und ließ ihnen sagen: ‚Hört! Ich habe mein Festessen vorbereitet, meine Ochsen und meine Mastkälber sind geschlachtet, alles steht bereit. Kommt zur Hochzeitsfeier!‘ 5 Sie aber kümmerten sich nicht darum, sondern gingen ihren Geschäften nach. Einer ging auf seine Felder, ein anderer in seinen Laden. 6 Manche packten sogar die Diener des Königs, trieben ihren Spott mit ihnen und töteten sie. 7 Da wurde der König zornig und schickte seine Heere. Er ließ die Mörder umbringen und ihre Stadt niederbrennen.
8 Dann sagte er zu seinen Dienern: ‚Die Vorbereitungen zum Fest sind getroffen, aber die geladenen Gäste waren es nicht wert, daran teilzunehmen. 9 Geht jetzt hinaus auf die Landstraßen und ladet alle zur Hochzeit ein, die euch begegnen!‘ 10 Die Diener gingen hinaus auf die Straßen und brachten alle mit, die sie fanden – schlechte und gute Leute. So wurde der Hochzeitssaal voll.
11 Als nun der König kam, um sich die Gäste anzusehen, entdeckte er einen, der nicht hochzeitlich gekleidet war. 12 Er sprach ihn an: ‚Wie bist denn du hier hereingekommen? Du bist ja gar nicht hochzeitlich angezogen.‘ Der Mann hatte keine Entschuldigung. 13 Da befahl der König seinen Dienern: ‚Bindet ihm Hände und Füße und werft ihn hinaus in die Finsternis! Dort gibt es nur noch Jammern und Zähneknirschen.’«

In diesem Gleichnis geht es um die Einladung in das Reich Gottes, und um zwei verschiedene Arten, wie man sie versäumen kann. Die Hochzeit ist ja ein Bild für die endgültige Gemeinschaft von Gott und den Menschen, die mit Jesus beginnt.

Hochzeiten gehörten in der Zeit Jesu zu den Höhepunkten des Lebens, und zwar nicht nur für das Braupaar, sondern für alle. Sehr viel anders ist es ja auch heute nicht, aber man muss sich vorstellen, dass es damals viel weniger Anlässe gab, die mit einem Hochzeitsfest konkurrierten. Und eine Hochzeit dauerte damals auch länger. Vorher wurde tagelang dafür gebacken und geschlachtet und alles vorbereitet, und das musste auch sein, denn das Fest ging eine ganze Woche lang. Das war ein richtiger Höhepunkt für ein ganzes Dorf und viele Menschen. Und die freuten sich schon lange vorher darauf. Vielleicht so, wie wir uns auf den Urlaub freuen, oder wie Kinder sich auf den Jahrmarkt freuen, so freuten sich die Menschen damals auf eine Hochzeit in der Nachbarschaft. Es gab eigentlich nichts Schöneres.

Und hier sagt Jesus: Das Reich Gottes ist wie ein großes Fest, da gibt es zu essen und zu trinken, und es sollen möglichst viele kommen. Eine Hochzeit war damals kein richtiges Fest, wenn nicht Hunderte oder Tausende kamen. Uns fällt da natürlich als erstes die Frage ein: wer soll das bezahlen? Aber in Jesu Zeit fragte man sich zuerst: werden auch viele Leute kommen? Das war viel wichtiger, und hier ist es ja auch ein König, der die Hochzeit für seinen Sohn ausrichtet, da kommt es auf ein paar Ochsen mehr oder weniger sowieso nicht an.

Jesus benutzt in vielen Gleichnissen dieses Bild von der Hochzeit, oder auch das Bild eines Festessens für das endgültige Kommen des Reiches Gottes. Das ist das Beste, was man sich vorstellen kann: das ultimative Hochzeitsfest.

Wenn Jesus so erzählt, dann fällt einem aber auch ein, dass Jesus selbst ganz häufig mit Leuten beim festlichen Essen zusammengesessen hat. Damit ist nicht das normale Essen gemeint; das war damals sehr einfach, Brot, Wasser, ein paar Früchte, das war es. Aber Jesus war häufig bei Leuten eingeladen, die extra für ihn ein Festessen gemacht hatten. Das kam so häufig vor, dass es über ihn schon hieß, er sei ein Fresser und Säufer. Als Jesus z.B. den Zöllner Levi als Jünger berufen hatte, da machte der als erstes so ein Festessen für Jesus und die Jünger und für seine Freunde.

Es ist kein Zufall, dass der häufige Festgast Jesus auch gerne das Kommen des Reiches Gottes in diesem Bild eines Festes schilderte. Er stellt bewusst diese Verbindung her zwischen den Festen, bei denen er war, und dem großen Fest, wenn Gott hier auf der Erde endgültig sein Reich aufrichtet. Was die Menschen mit Jesus erlebten, das war schon der Anfang des Reiches Gottes, da sollte man schon mal auf den Geschmack kommen, da konnte man schon erleben, was das Ziel dieser Welt ist: das Fest der Gemeinschaft zwischen Gott und den Menschen.

Und es ist wieder typisch Jesus, dass er uns als sein Vermächtnis ein Fest hinterlassen hat, das Abendmahl, das als Fortsetzung dieser Feste gedacht war, die Jesus damals feierte, und bei denen er der deutliche Mittelpunkt war.

Und Jesus betont immer wieder: es ist dringend. Es steht vor der Tür. In Kürze ist es soweit. Jetzt hat der letzte Abschnitt der Weltgeschichte begonnen. Alles andere war Vorbereitung, jetzt ist die Zeit, wo die Ernte eingefahren wird. Ihr seid diejenigen, die die entscheidenden Dinge erleben. Was hätten Abraham und Mose und all die anderen Gottesmänner der Geschichte Israels darum gegeben, wenn sie dies hier miterleben könnten! Aber ihr seid die Privilegierten, die dabei sind!

Und deshalb ist es so unverständlich, das die Leute in dem Gleichnis der Einladung zur Hochzeitsfeier nicht Folge leisten. Das war damals kaum vorstellbar, dass jemand nicht zur Hochzeit kam, wenn er eingeladen war. Diese Leute, die so beschäftigt sind, die nehmen schon die Verhältnisse von heute vorweg, wo viele von uns so viele Termine haben, dass selbst so ein Fest nur noch eine zusätzliche Belastung ist. Für die Zuhörer damals war das völlig unverständlich: der König gibt ein Fest, und keiner geht hin?

Das ist das große Rätsel: Das Reich Gottes ist ein wunderbares Fest. Normalerweise drängen sich die Leute zu so etwas. Aber hier sagen sie missmutig: nö, ich habe Besseres zu tun, und behandeln sogar noch die Boten schlecht, die die Einladung bringen.

Ganz besonders unverständlich ist das, weil Jesus sich ja in seinen Bildern vom Ende etwa von Johannes dem Täufer deutlich unterschied. Johannes sprach davon, dass die Axt dem Baum schon an die Wurzel gelegt ist, er sprach vom unauslöschlichen Feuer, das bald kommen würde. Und die Leute hatten Angst, sie waren aufgewühlt und ließen sich taufen zum Zeichen der Umkehr. Wo Johannes von der Axt spricht, da spricht Jesus von der Hochzeit und vom Fest, und das ist ja ein viel erfreulicheres Bild. Paulus schreibt später im Römerbrief: »Begreifst du nicht, dass Gott dich durch seine Güte zur Umkehr bewegen will?«

Jesus verkörpert diese Güte Gottes. Sie ist die Macht, die einen Menschen wirklich zur Umkehr rufen kann. So wie im Gleichnis vom verlorenen Sohn die Erinnerung an das Vaterhaus in dem Jungen aufsteigt, wo es doch genug zu essen gibt, und diese Erinnerung holt ihn nach Hause. So war Jesus die endgültige, dringende Einladung Gottes. Er zeigte schon die Realität des Reiches Gottes. So wie auf manchen Einladungen ein Festprogramm abgedruckt ist, so zeigte Jesus, was uns im Reich Gottes erwartet. Bei ihm kann man das schon erleben.

Aber es gab Menschen, die diese Einladung nicht annehmen wollten. Im ganzen Zusammenhang ist klar: das waren die tonangebenden Schichten des Volkes, einerseits die politischen Führer und andererseits die religiösen Meinungsführer, die pharisäischen Kreise. Und da passiert zweierlei:

  1. Wer die Güte Gottes nicht annehmen will, für den bleibt nur noch das Gericht. In diesem Bild von den Heeren, die die Stadt niederbrennen, da steckt schon die Zerstörung Jerusalems 40 Jahre später drin, und auch ganz realpolitisch gedacht, wäre diese Katastrophe vermeidbar gewesen, wenn sich das ganze Volk damals dem Weg Jesu angeschlossen hätte.
  2. Aber noch wichtiger ist: Gott sorgt dafür, dass sein Fest trotzdem stattfindet. Der König lässt seine Diener Ersatz suchen. Und die holen zusammen, was sie kriegen können, ganz unterschiedliche Leute, ausdrücklich heißt es: Böse und Gute.

Und darin spiegelt es sich, dass bei Jesus am Tisch auch die unterschiedlichsten Leute gesessen haben. Das war offen für alle. Deswegen hat er ja immer den ganzen Ärger gehabt, weil er sich geweigert hat, zu sortieren, mit wem er am Tisch saß. Die ganzen anderen Gruppen, die es damals gab, die sortierten, wer dazugehören durfte und wer nicht. Selbst Johannes der Täufer erwartete zuerst das Zeichen der Buße. Jesus schafft Gemeinschaft mit den Mühseligen, Beladenen und Sündern, bevor sie umgekehrt sind. Er schafft Gemeinschaft, nicht weil sie schon umgekehrt sind, sondern damit sie umkehren und frei werden.

Das beste Beispiel dafür ist der Zöllner Zachäus, bei dem Jesus sich zum Essen einlädt, als er noch ein mieser Halsabschneider und Unterdrücker ist. Jesus setzte darauf, dass auch dieser Mann sich ändert, wenn er Jesus nur kennenlernt. Und er behielt Recht!

So sollen die Leute Jesus bis heute eine Gemeinschaft bilden, zu der Menschen dazukommen können und sich wohlfühlen, ach, das ist viel zu schwach, sie sollen hinkommen und sagen: ja, hier ist Gott, jetzt weiß ich erst, wie freundlich er ist! Wir wollen uns da nicht selbst unter Druck setzen, aber das ist schon ein Ziel, dass wir so zusammen sind, dass jedes Mal fremde Menschen mit dazu kommen können und Gott authentisch begegnen.

Aber nun trifft der König unter den Eingeladenen einen, der nicht passend angezogen ist. Da geht es nicht um Benimmfragen, sondern der stört das Fest. Auch die Armen, die keinen schwarzen Anzug haben, machen sich doch irgendwie schön für ein Fest. Aber der hier scheint eine Art Trittbrettfahrer zu sein, der sich den Bauch voll schlägt, aber nicht bereit ist, seinen Anteil beizusteuern, damit das Fest gelingt.

Wenn Jesus so großzügig alle an seinen Tisch einlädt, dann riskiert er es tatsächlich, dass da auch welche kommen, die zwar dabei sind und es sich schmecken lassen, aber innerlich nicht dabei sind, die nicht zur Freude beitragen, die sich nicht passend benehmen. Und auch da setzt er wieder einen harten Schnitt: er lässt ihn von seinen Dienern rauswerfen.

Jesus weiß, Menschen haben noch eine Chance, auch wenn sie sich von der Gerichtsdrohung nicht haben zur Umkehr rufen lassen. Mehr als die Drohung mit Strafe bewirkt die Erfahrung von Gottes Liebe. Aber wer diese Liebe nur in Empfang nimmt und sich nicht von ihr ergreifen und verändern lässt, bei dem ist auch Jesus mit seinen Möglichkeiten ans Ende gekommen. Da kann er nichts mehr machen als dafür sorgen, dass von dieser Verweigerung keine Störung der Hochzeit ausgeht.

Da zeigt sich noch einmal dieses dringende Jetzt!, das Jesus gebracht hat. Jetzt ist die Zeit, um auch tatsächlich mit dem ganzen Leben umzukehren. Der König geht schon herum und begrüßt seine Gäste. Sieh zu, dass du jetzt auch passend angezogen bist! Entziehe dich nicht der festlichen Stimmung, die in diesem herrscht!

Wir haben vorhin in der Lesung (Philipper 3,7-14) dieses leidenschaftliche Engagement von Paulus gehört, wie er sagt: ich möchte ganz tief mit Jesus verbunden sein, ich wünsche mir sogar, mit seinen Leiden verbunden zu sein, weil ich weiß, dass ich nur so nach seinem Bild gestaltet werde, Und er sagt: ich jage dem nach, ich versuche mit all meiner Kraft da hinzukommen. Das ist mein Ziel, auf das ich mich konzentriere.

Es kann sein, dass ein Mensch sich überhaupt dem Reich Gottes verweigert. Und es kann sein, dass einer nur äußerlich dabei ist und sich innerlich nicht einbringt. Beides geht nicht. Jesus sagt: es ist dringend! Entscheide dich dafür, mit ganzem Herzen dabei zu sein. Mehr kommt jetzt nicht mehr. Gott hat alle Karten auf den Tisch gelegt. So ist er. Überzeugt dich das nicht?