Wünsch dir was!

Predigt im Besonderen Gottesdienst am 3. Dezember 2006 (1. Advent) mit Matthäus 21,1-9

Im Gottesdienst war zuvor in einer Theaterszene der Weihnachtsmann als Marktforscher aufgetreten und hatte verschiedene Leute über ihre Weihnachtswünsche und die dahinterstehenden Motive befragt.

21 Der Inhalt meines Lebens ist Christus, und ´deshalb` ist Sterben für mich ein Gewinn. 22 Andererseits kann ich, solange ich noch hier auf der Erde lebe, eine Arbeit tun, die Früchte trägt. Daher weiß ich nicht, was ich vorziehen soll. 23 Ich bin hin- und hergerissen: Am liebsten würde ich das irdische Leben hinter mir lassen und bei Christus sein; das wäre bei weitem das Beste. 24 Doch ihr braucht mich noch, und deshalb – davon bin ich überzeugt – ist es wichtiger, dass ich weiterhin hier auf der Erde bleibe. 25 Darum bin ich auch sicher, dass ich nicht sterben werde, sondern euch allen erhalten bleibe. Denn dann kann ich dazu beitragen, dass ihr im Glauben vorankommt und dass euch durch den Glauben eine immer tiefere Freude erfüllt. 26 Ja, wenn ich wieder bei euch bin, werdet ihr noch viel mehr Grund haben, auf Jesus Christus stolz zu sein und ihn für das zu preisen, was er durch mich für euch getan hat.

Kennen Sie das auch, dass man einen Wunsch hat, von dem man gar nichts erzählen mag, einfach, weil der viel zu viel über einen selbst sagt? Und trotzdem wäre es so toll, wenn einer den Wunsch erraten und erfüllen würde.

Natürlich sind nicht alle Wünsche so persönlich, aber sie sagen schon etwas über uns selbst, manchmal mehr, als wir selbst merken. In Wünschen geht es ja um mehr als um einen materiellen Austausch. Bei den Wünschen, die der Weihnachtsmann heute erforscht hat, waren ja sowieso schon eine ganze Menge dabei, die gar nicht materiell waren. Ich glaube, da hat sich etwas geändert – uns ist heute viel deutlicher als früher, dass es gar nicht so sehr um materielle Werte geht, sondern um Erlebnisse, um Träume, um die Art zu leben, die wir uns wünschen. Und mit manchen Geschenken kommen wir dieser Art zu leben ein bisschen näher.

Zeit zum Beispiel, damit man ruhiger leben kann – das kann man eigentlich gar nicht verschenken, und Zeit ist inzwischen manchmal schon viel kostbarer als Geld. Oder ein harmonisches Zuhause mit den Menschen, die einem nahe stehen und zu denen man gehört. Ganz viel Gedanken darüber, wie sich einer das gute Leben vorstellt, liegen ja in solchen Wünschen. Oder eben ein Buch und Zeit, um es auch wirklich lesen zu können. Man muss bei vielen Wünschen eigentlich nur ein ganz bisschen nachfragen, und dann zeigt sich gleich, wieviel die mit uns selbst zu tun haben.

Aber das gilt genauso für die materiellen Wünsche. Man wünscht sich ja nicht einfach eine Digitalkamera, sondern eine Möglichkeit, um die schönen Momente festzuhalten und vielleicht dann noch so zu gestalten, dass ganz deutlich sichtbar wird, was daran wirklich schön war. Aber möglichst ohne den Stress mit den ganzen Einstellungen. Und genauso wünscht man sich eigentlich nicht ein Computerspiel, sondern das Erlebnis, dass man es schafft, wieder ein Stück besser zu sein, wieder eine Runde weiter und einen Level höher zu kommen. Und so sind auch Schlittschuhe nicht einfach nur Sportgeräte, sondern das hat etwas mit Leichtigkeit zu tun, mit dem Erlebnis, dass es alles glatt geht, wie von selbst, und man mühelos und mit Eleganz vorwärts gleitet – ein tolles Erlebnis, das hat man eben nicht oft im Leben.

Auch hier ist es natürlich wieder so, dass Frauen stärker Beziehungswünsche entwickeln und Männer sich eher etwas wünschen, was ihre Fähigkeiten stärkt und erweitert. Das gehört nun mal dazu, und die Missverständnisse, die sich dadurch ergeben, sollte man nicht allzu ernst nehmen, sondern lieber mit Humor betrachten. Das ist nun mal so, dass die beiden Geschlechter das Leben mit unter­schiedlichen Brillen sehen, das gehört zum Reichtum des Lebens.

Und es ist ja auch richtig, dass es zu Weihnachten um unsere Lebenswünsche geht, um das Leben, dass wir gerne führen möchten. Wenigstens zu Weihnachten wollen wir ein wenig davon erleben, und wenn das überhaupt nicht klappt, das gibt dann die berühmten Weihnachts­katastrophen. Es ist kein Zufall – eines der beliebtesten Weihnachtsbücher heißt »Pannen unter Tannen«. Aber wenigstens an Weihnachten erwarten wir, dass es mitten im stressigen, mühsamen, oft enttäuschenden Leben das gute Leben gibt: eine funktionierende Familie, ungestresste Zeit und Menschen, die erkennen, was uns tief im Herzen bewegt.

Und genau in dieser Richtung liegt ja tatsächlich der Sinn von Weihnachten: wenn wir die Geburt Jesu feiern, dann erinnern wir uns daran, dass es das wahre Leben gibt mitten in Unterdrückung und Not und in beengten Verhältnissen. Es ist so alltäglich und zugänglich wie ein ganz normales Menschenbaby, und trotzdem ist da so viel Freude und Glanz verborgen, wie ein riesiger Engelschor ihn verbreitet.

Mitten in dem beschädigten Leben, das wir kennen, beginnt das neue und wahre Leben – das ist die Botschaft von Weihnachten. Wir haben in unserer Traditionslinie des christlichen Glaubens leider nicht so viel Erfahrung damit, dieses Leben Tag für Tag neu zu empfangen und zu verwirklichen. Wir haben diese Botschaft auf das eine Fest im Jahr konzentriert, und dann geht es nicht immer glatt, weil wir das Jahr über zu wenig trainiert haben. Aber es ist schon richtig, wenn wir zu Weihnachten erwarten, dass etwas Neues unter uns geboren werden kann und in unserem Leben seinen Platz findet, so wie damals der neugeborene Jesus in der schäbigen und dreckigen Krippe lag.

Es ist richtig, wenn wir Geschenke machen, die etwas zu tun haben mit den Möglichkeiten, die noch in einem Leben verborgen sind. Gott hat uns das Geschenk seines Sohnes gemacht, der uns Möglichkeiten zu leben gezeigt hat, auf die wir von uns aus nie gekommen wären. Ein gutes Weihnachtsgeschenk hat etwas damit zu tun, dass wir in das Leben eines anderen neue Möglichkeiten hineinbringen, die er vorher noch gar nicht gesehen hat – vielleicht hat er sich eine Bohrmaschine gewünscht, weil er Bilder aufhängen wollte, aber jetzt bekommt er ein Malset, weil da jemand gemerkt hat, dass er mehr mit Bildern anfangen kann als sie nur aufzuhängen.

An dem Beispiel merkt man aber auch, dass das ein Risiko ist. Vielleicht habe ich mich ja getäuscht, und Malen ist wirklich nichts für ihn. Oder er könnte es schon, aber er hat nur die Bohrmaschine im Kopf und ist enttäuscht und probiert die geschenkten Farben gar nicht erst aus.

Und auch das hat Gott mit den Menschen erlebt. Die hatten sich das neue Leben aus Gott ganz anders vorgestellt, viel prächtiger und königlicher als Jesus dann war. Und deswegen haben viele es dann gar nicht probiert mit ihm. Sie waren so fixiert auf eine andere Art von Hilfe, dass sie gar nicht verstanden haben, was Jesus wirklich bringt.

Die Geschichte, die wir vorhin als Lesung gehört haben, die illustriert das gut: Jesus kommt nach Jerusalem, und er inszeniert das so, dass jeder an den Einzug eines Königs in seine Hauptstadt denken muss. Und die Menschen, die sich um ihn herum zusammenballen, die haben sicher damit gerechnet, dass Jesus jetzt die Macht in Jerusalem übernehmen würde.

Aber Jesus hat für diesen Einzug in Jerusalem bewusst nicht ein Pferd genommen, wie es ein König benutzen würde, sondern einen Esel, das Reit- und Lasttier der kleinen Leute. Und mit diesem Bild sagt er: ja, ich bin ein König, ich komme eurer tiefen Sehnsucht nach einer gerechten Regierung entgegen. Aber ich mache es ganz anders, als ihr es euch vorstellt. Ich benutze nicht die Methoden, mit denen sonst in der Welt Könige ihre Herrschaft aufrichten. Ich bin ein König anderer Art, ich bin es auf eine andere Art und Weise, als ihr es kennt und erwartet. Die Probleme, die die Welt zerstören, kann man nicht mit den Methoden dieser Welt lösen. Ich gebe euch keine neue Regierung, aber ich mache euch unabhängig von jeder Regierung, wenn ihr auf meine Art lebt.

Und so macht Jesus es mit all unseren Wünschen: er reagiert darauf, er kommt ihnen entgegen, aber er erfüllt sie nicht so, wie wir uns das vorstellen, sondern er bringt etwas Neues in unser Leben. Er sieht unseren berechtigten Wunsch, dass sich in der Welt etwas ändert, aber er fängt damit an, uns zu verändern. Er sieht unseren berechtigten Wunsch nach einer Welt voll Schönheit und Harmonie und er fängt damit, in uns und unter uns so eine Welt zu schaffen. Er sieht unseren berechtigten Wunsch nach gelingenden Beziehungen, und er fängt an, uns beziehungsfähig zu machen. Er heilt alle Kranken, die man zu ihm bringt, aber er ist enttäuscht, weil fast alle schon zufrieden sind, wenn sie wieder laufen oder sehen oder hören können.

Und auch das kann man im Weihnachtsfest wiederfinden: unsere Wünsche und Erwartungen greifen fast immer zu kurz, so berechtigt sie in der Regel sind. Viel zu oft wollen wir einfach nur ein bisschen Entlastung, ein bisschen weniger Stress, ein bisschen besser soll das Leben funktionieren – aber Jesus ist gekommen, um ein neues Leben zu bringen, das nach anderen Regeln läuft, das sich aus anderen Kraftquellen speist, wo wir nicht gerade so über die Runden kommen, sondern aus dem Reichtum Gottes leben. Das ist viel mehr, als wir erwarten, es krempelt aber auch viel mehr um, als wir zulassen möchten. Er reagiert auf unsere tiefsten Wünsche – aber so radikal hatten wir uns das doch nicht vorgestellt. Vor allem hatten wir nicht erwartet, dass so viel an uns selbst hängt. Die Menschen damals in Jerusalem wollten einen König, der für sie die Welt in Ordnung bringt. Jesus zeigte ihnen die Kraft, um selbst in ihre Welt Segen und Frieden zu bringen. Gottes Möglichkeiten in der Hand von schwachen und fehlerhaften Menschen.

Genau das bedeutet dieses Bild von der Krippe in Bethlehem: Gottes neue Welt beginnt mitten im Normalen, Alltäglichen, damit normale Menschen alltäglich darin beheimatet sind. Da kommt nicht nur etwas grundlegend Neues in die Welt, wir sollen auch alle daran Anteil haben. Wollten wir das wirklich, dass unsere Wünsche auf diese Weise erfüllt werden, oder wollten wir lieber einen reichen Onkel, der uns genau das schenkt, was wir uns gewünscht haben, und wir müssen es nur noch auspacken.

Gott ist aber nicht der reiche Onkel, der diese Art von Geschenken macht, sondern er ist eher wie einer, der uns zuflüstert: hast du Lust auf Abenteuer? Dann schleich dich heute Nacht nach der Bescherung aus dem Haus, wenn du Mut hast, ich warte auf dich, du wirst es nicht bereuen!

So, glaube ich, sind die richtigen Weihnachtsgeschenke: da lädt uns einer ein auf neue Wege und bietet uns an, dass wir die zusammen gehen. Er weckt etwas in uns, was so noch keiner gesehen hat. Er hat uns besser verstanden als die anderen, und vielleicht sogar besser, als wir selbst uns verstehen. Und das Geschenk beglückt uns, aber ein bisschen erschrocken sind wir auch. So müssten wohl die richtigen Weihnachtsgeschenke sein, und so würden wir dann tatsächlich einander etwas weitergeben von dem Geschenk, das Gott uns allen mit Jesus gemacht hat.