Gottes gnädige Gleichmacherei

Predigt am 08. Februar 2009 zu Matthäus 20,1-16

1 »Denn mit dem Himmelreich ist es wie mit einem Gutsbesitzer, der sich früh am Morgen aufmachte, um Arbeiter für seinen Weinberg einzustellen. 2 Er ´fand etliche und` einigte sich mit ihnen auf den ´üblichen` Tageslohn von einem Denar. Dann schickte er sie in seinen Weinberg. 3 Gegen neun Uhr ging er wieder auf den Marktplatz und sah dort noch andere untätig herumstehen. 4 ›Geht auch ihr in meinem Weinberg arbeiten!‹, sagte er zu ihnen. ›Ich werde euch dafür geben, was recht ist.‹ 5 Da gingen sie an die Arbeit. Um die Mittagszeit und dann noch einmal gegen drei Uhr ging der Mann wieder hin und stellte Arbeiter ein. 6 Als er gegen fünf Uhr ´ein letztes Mal` zum Marktplatz ging, fand er immer noch einige, die dort herumstanden. ›Was steht ihr hier den ganzen Tag untätig herum?‹, fragte er sie. 7 ›Es hat uns eben niemand eingestellt‹, antworteten sie. Da sagte er zu ihnen: ›Geht auch ihr noch in meinem Weinberg arbeiten!‹
8 Am Abend sagte der Weinbergbesitzer zu seinem Verwalter: ›Ruf die Arbeiter zusammen und zahl ihnen den Lohn aus! Fang bei den Letzten an und hör bei den Ersten auf.‹ 9 Die Männer, die erst gegen fünf Uhr angefangen hatten, traten vor und erhielten jeder einen Denar. 10 Als nun die Ersten an der Reihe waren, dachten sie, sie würden mehr bekommen; aber auch sie erhielten jeder einen Denar. 11 Da begehrten sie gegen den Gutsbesitzer auf. 12 ›Diese hier‹, sagten sie, ›die zuletzt gekommen sind, haben nur eine Stunde gearbeitet, und du gibst ihnen genauso viel wie uns. Dabei haben wir doch den ganzen Tag über schwer gearbeitet und die Hitze ertragen! ‹ 13 Da sagte der Gutsbesitzer zu einem von ihnen: ›Mein Freund, ich tue dir kein Unrecht. Hattest du dich mit mir nicht auf einen Denar geeinigt? 14 Nimm dein Geld und geh! Ich will nun einmal dem Letzten hier genauso viel geben wie dir. 15 Darf ich denn mit dem, was mir gehört, nicht tun, was ich will? Oder bist du neidisch, weil ich so gütig bin?‹ 16 So wird es kommen, dass die Letzten die Ersten sind und die Ersten die Letzten.«

Jesus erzählt eine Geschichte, an der er etwas deutlich macht von Gottes Grundeinstellung zu seinen Menschen und zu seiner Schöpfung überhaupt. Der Anlass dafür ist eine Anfrage von Petrus, was sie denn dafür bekommen, dass sie Jesus nachgefolgt sind und dafür alles aufgegeben haben. Und Jesus bestätigt Petrus, dass sie dafür natürlich einen Lohn bekommen werden.

Es ist erfrischend, wie offen im Umkreis Jesu über solche Interessen gesprochen werden kann. Unter uns ist es eher unfein, wenn jemand so offen fragt: was kriege ich dafür? Natürlich denken wir alle intensiv über diese Frage nach, was wir für etwas zurückbekommen, das wir hingeben, aber nach außen tun wir so, als ob uns das gar nicht besonders interessieren würde. Petrus ist da direkter, und Jesus antwortet ebenso klar: alles, was ihr für Gott aufgegeben habt, das bekommt ihr vielfach zurück. Gott etwas zu geben ist ein lohnendes Geschäft.

Aber Jesus hat in der Anfrage von Petrus offenbar noch etwas anderes mitgehört, nämlich die Frage: bekommen wir auch mehr als andere? Wir sind die, die von Anfang an dabei waren, wir sind schon mit dir gegangen, als du noch fast unbekannt warst. Das muss doch einen Sonderbonus wert sein!

In Petrus Frage waren also eigentlich zwei Anfragen verborgen. Erstens: bekommen wir einen Lohn dafür, dass wir alles für dich aufgegeben haben? Und das bejaht Jesus. Und die zweite Frage: bekommen wir auch einen größeren Lohn als andere? Und darauf antwortet Jesus mit der Geschichte von den Arbeitern im Weinberg:

Da ist ein Gutsbesitzer, der für die Arbeit an seinem Weinberg den ganzen Tag über Leute einstellt. Anscheinend ist da viel zu tun. Den ganzen Tag über ist er auf der Suche nach Mitarbeitern. Sogar eine Stunde vor Feierabend holt er sich noch ein paar Leute vom Flur des Jobcenters.

Als dann am Abend der Lohn ausgezahlt wird, ist das Erstaunen groß, dass auch diese Leute, die eigentlich nur gerade angefangen haben mitzuhelfen, trotzdem den normalen Tagelohn bekommen. Ein Denar war damals die normale Bezahlung, damit konnte man seine Familie ernähren. Das Erstaunen und die Freude müssen groß gewesen sein, dass auch diejenigen, die schon dachten, sie würden an diesem Tag ohne Geld nach Hause kommen, trotzdem noch genug verdienten, um gut leben zu können.

Aber bei denen, die den ganzen Tag über geschuftet haben, ruft das Empörung und Neid hervor: Das ist ungerecht! Wir sind kaputt, und die da haben sich kaum die Hände schmutzig gemacht, und trotzdem kriegen sie ihren Denar. So was von unfair!

Da ist der Kern ihrer Beschwerde: du hast sie uns gleichgestellt! Das geht nicht! Leistung muss sich doch lohnen! Wo kämen wir denn hin, wenn Leistungsträger nicht angemessen entlohnt werden! Das ist sozialistische Gleichmacherei! Wenn einer Werte geschaffen hat, dann muss er doch auch Bonuszahlungen dafür bekommen. Oder?

An diesem Punkt unterscheidet sich Gottes Ökonomie grundlegend von den Wertvorstellungen, nach denen bei uns der gesellschaftliche Reichtum verteilt wird. Bei Gott wird nicht nach Leistung, sondern nach Bedarf zugewiesen. Jeder soll das kriegen, was er zum Leben braucht. Gerne auch noch eine ganze Menge oben drauf, es soll auch noch was dabei sein für das Schöne und die Freude und den Genuss, wir sollen nicht nur das Brot zum Überleben bekommen, sondern auch den Wein für die Freude am Leben. Aber das reicht dann. Alle sollen gut leben, aber über das hinaus braucht eigentlich keiner was. Und das gilt für die gesellschaftliche Güterverteilung genauso wie für die Belohnungen in der neuen Welt Gottes.

Und interessanter Weise wird das von den Glücksforschern heute genau bestätigt. Diese Leute, die überall auf der Welt mit Fragebogen und Hirnscannern messen, wie froh die Menschen in ihrem Leben sind, die haben herausgefunden, dass oberhalb eines bestimmten Jahresverdienstes unser Glück kaum noch zunimmt, wenn wir mehr verdienen. Welche Summe das genau ist, darüber gibt es unterschiedliche Meinungen, sie liegt durchaus über dem Jahres-Durchschnittsverdienst bei uns, aber nicht in unerreichbaren Größenordnungen, je nach Definition irgendwo bei 40.000 oder 50.000 oder auch 80.000 Euro im Jahr. Es geht gar nicht um die genaue Summe, es geht nur darum, dass für jemanden, der gerade so über die Runden kommt, jeder Euro mehr eine große Hilfe ist, aber wer schon genug zu einem guten Leben hat, dem bringt mehr Geld kaum noch was.

Ob man das Geld hat, um den Kindern ohne große Mühe die Schulbücher und auch noch die Klassenfahrt zu finanzieren, das ist sehr wichtig für unsere Lebenszufriedenheit. Aber ob man sich in New York Schmuck kauft oder ob man in Peine gemütlich Kaffee trinken geht, das macht in Bezug auf unser Lebensglück keinen großen Unterschied mehr. Ob man mit dem neuen Mercedes oder mit dem alten Opel fährt, ist kein entscheidender Unterschied mehr, und im Stau sowieso nicht. Mit den Worten des Gleichnisses von den Arbeitern im Weinberg gesprochen: ob die Leute mit einem Denar in der Tasche nach Hause kommen oder mit leeren Händen, das ist ein entscheidender Unterschied. Aber wenn sie statt dem einen Denar zwei oder fünf Denare bekommen hätten, das hätte nicht mehr viel geändert.

Deswegen ist Gottes Logik: jeder soll tun, was er kann und jeder soll bekommen, was er braucht. Das gilt für die Einkommensverteilung in dieser Welt genauso wie für die neue Welt Gottes. Jesus kannte diese Logik aus dem Alten Testament, wo es genaue Regeln gibt, damit die Gleichheit in der Gesellschaft erhalten bleibt. Jeder sollte ein Stück Land haben, von dem sich eine Familie ernähren kann. Und alle fünfzig Jahre sollte es einen Neustart geben, wo jeder wieder das Land bekommt, das seine Familie ursprünglich besaß, aber zwischendurch durch die Wechselfälle des Lebens verloren hatte. Alle fünfzig Jahre sollten also die zwischendurch entstandenen Unterschiede wieder rückgängig gemacht werden. Es sollte weder Mangel noch überflüssigen Reichtum geben.

Vielleicht sagt jetzt einer: das ist doch unrealistisch! Jedem das Gleiche geben? Das geht doch gar nicht! Die Menschen sind faul, man muss sie unter Druck setzen, damit sie arbeiten, sie sind unterschiedlich tüchtig, und das muss doch belohnt werden.

Aber in Wirklichkeit sind Gottes Wirtschaftsprinzipien die einzig realistischen, und wenn man davon zu sehr abweicht, dann gibt es früher oder später einen Crash. Wir erleben das ja gerade. Die größte Finanzkrise seit Jahrzehnten, und warum? Erst hat man überall die Löhne gesenkt und die Produktion in Niedriglohnländer verlagert, hat die Gesundheitsversorgung verschlechtert und die Renten gekürzt. Die Schere zwischen den Spitzenverdienern und den Hartz IV-Empfängern ist immer weiter auseinander gegangen. Die sogenannten Leistungsträger kriegen immer mehr Geld, sogar, wenn sie ihre Firma in die Pleite geführt haben. Aber was macht man mit dem vielen Geld? Essen kann man nur bis zu einem gewissen Punkt, der fünfte Ferrari in der Garage macht eigentlich auch nur bei orientalischen Potentaten und Filmstars Sinn, in Urlaub fahren kann man auch nicht unbegrenzt, also haben viele ihre Millionen und Milliarden irgendwo angelegt. Es gibt aber gar nicht so viele gute Möglichkeiten, wo Geld gewinnbringend angelegt werden kann. Vor allem wenn viele Menschen nicht mehr genug Geld zum Konsumieren haben und man ihnen zu wenig verkaufen kann. So ist im Laufe der Zeit eine riesige Menge an Reichtum entstanden, der eigentlich zu nichts nütze war. In den Taschen der Lohnempfänger wäre daraus Kaufkraft geworden, aber was macht man als Spitzenverdiener mit so viel Geld?

Dafür haben dann schlaue Finanzjongleure Wege gefunden, wie man auf trickreichen Umwegen Kredite an amerikanische Häuslebauer vermittelt, die sich das eigentlich gar nicht leisten können und noch nicht mal die Zinsen aufbringen können. Immer abenteuerlichere Anlagemöglichkeiten sind so entstanden für Geld, das eigentlich keinem sinnvollen Zweck mehr gedient hat, und jetzt ist das alles geplatzt, und wir wissen nicht, wo uns das noch reinreißen wird.

Aber die Ursache von allem ist ein Haufen Reichtum, der nicht dazu gedient hat, den Hunger und die Krankheit in der Welt zu bekämpfen, der nicht dazu gedient hat, uns auf die künftige Verknappung von Energie und Rohstoffen vorzubereiten, der nicht dazu gedient hat, dass Kinder in einem positiven Umfeld und ohne Not aufwachsen können – vagabundierender Reichtum, der keinem sinnvollen Zweck zugeführt worden ist, sondern nutzlos durch die Welt saust und alles vergiftet hat, womit er in Berührung gekommen ist. Dazu hat uns Gott die Güter der Erde nicht gegeben, und das ignoriert man nicht ungestraft.

Je mehr sich ein Wirtschaftssystem von Gottes Wirtschaftsregeln entfernt, um so mehr Probleme produziert es. Um so risikoreicher wird es. Die Güter der Erde sind dafür da, dass alle genug zum Leben haben und gerne auch noch eine ganze Menge Schönes oben drauf. Gott gibt gerne und reichlich. Das ist seine Gerechtigkeit, aber er tut das nicht, weil wir auf Grund unserer Leistung darauf ein Anrecht hätten. Deswegen fragt in dem Gleichnis der Gutsbesitzer: »Guckst du neidisch, weil ich so gütig bin?« Brauchst du es, dass andere weniger haben? Verdirbt es dir die Freude am gesicherten Auskommen, wenn andere das geschenkt bekommen?

Jesus macht diesen Zusammenhang an armen Tagelöhnern klar, aber diese Grundhaltung: ich muss doch mehr kriegen als die anderen! die zieht sich natürlich durch die ganze Gesellschaft. Die fängt in der Regel sogar oben an. Wenn Menschen sagen: ich bin ein Leistungsträger, und dann muss ich auch mehr kriegen als diese anderen Leute, die eigentlich gar nichts beigetragen haben. Wenn Menschen sagen: Leistung muss sich endlich wieder lohnen! Ich muss meine Bonuszahlungen haben! Meine Kinder sollen nicht mit allen anderen auf eine Einheitsschule gehen, es muss doch Unterschiede geben! Wo kämen wir denn hin, wenn jeder Abitur machen würde!

Wenn die Rede von der Gier, die wir jetzt öfters hören, Sinn machen soll, dann müsste man an die Sucht denken, besser abzuschneiden als andere. Mehr zu haben, besser dazustehen, sich zu unterscheiden, materiell, im Umgangsstil, geistlich, wie auch immer. Diese Sucht ist in jeder Lohngruppe verbreitet. Und wieviel richtet diese Gier an, in der äußeren Welt und auch in Menschenherzen!

Aber Gottes Wirtschaftsprinzipien sind anders, im Himmel und auf Erden. Von Gott kriegen wir alles Dinge umsonst, ohne unser Verdienst, das ist seine große Gleichmacherei. Und wir dürfen sogar mitmachen bei der Produktion, bei der Verwaltung der Erde, da dürfen wir an seinem großen Schöpfungswerk mitarbeiten. Das ist keine Last, sondern ein Privileg. Wir wissen alle, wie scheußlich es ist, wenn man keine sinnvolle Aufgabe hat. Und wir sollen uns auch in allem an seine Prinzipien des Gebens und Schenkens halten. Geld, das einem sinnvollen, lebensfördernden Zweck zugeführt wird, verursacht keine Krisen. Geistliche Stärke, die im Dienst an anderen eingesetzt wird, verursacht keine Arroganz. Zeit, die einem sinnvollen Zweck zugeführt wird, bereichert unser Herz.

Wenn ein Wirtschaftssystem nahe bei Gottes Regeln ist, dann gedeiht die Erde. Wenn wir in unserem Herzen nahe bei Gottes Güte sind, dann gedeihen wir.