Das Herz folgt dem Schatz

Predigt am 30. September 2007 (Erntedankfest) zu Matthäus 6,19-23

19 Ihr sollt euch nicht Schätze sammeln auf Erden, wo sie die Motten und der Rost fressen und wo die Diebe einbrechen und stehlen. 20 Sammelt euch aber Schätze im Himmel, wo sie weder Motten noch Rost fressen und wo die Diebe nicht einbrechen und stehlen. 21 Denn wo dein Schatz ist, da ist auch dein Herz.

Damit wir verstehen, was Jesus mit den Schätzen bei Gott meint, müssen wir uns an eine Grundtatsache erinnern: das, was wir sehen und anfassen können, ist nur der eine Teil der Welt. Zur ganzen Wirklichkeit gehört auch der Bereich Gottes, die andere Seite, der Himmel, die unsichtbare Welt. Und so hat unser Leben eine äußere Geschichte und eine innere Geschichte.

Die äußere Geschichte kann jeder sehen und ablesen, der uns kennt. Wie wir groß geworden sind, welchen Beruf wir haben, was wir verdienen und was uns gehört.

Die innere Geschichte kann man nicht so einfach sehen. Sie handelt davon, wer wir wirklich sind. Was in unserem Herzen vor sich geht. Welche Verbindungen es gibt zwischen uns und der verborgenen Welt Gottes. Wovor wir uns fürchten, was uns freut, was uns weh tut, was uns wirklich wichtig ist und was nicht. Welche Träume uns wirklich bewegen. Kurzum: in der verborgenen Welt entscheidet sich, wer wir wirklich sind.

Jesus spricht von solchen Entscheidungen in der verborgenen Welt, wenn er sagt, wir sollen uns Schätze sammeln im Himmel. Man könnte auch sagen: wie investierst du dein Leben? und zu unserem Leben gehören auch unser Besitz und unser Geld. Und Jesus sagt: all diese materiellen Dinge sind eine wunderbare Gelegenheit, um unsere Bindung an die Welt Gottes auszubauen. Es gibt tatsächlich Verbindungen zwischen der materiellen, sichtbaren Welt und dem unsichtbaren Herrschaftsbereich Gottes. Und eine davon läuft über Geld und Besitz.

Geld hat nämlich eine faszinierende Eigenschaft: man kann mit der Hilfe von Geld Träume verwirklichen. Wenn du davon träumst, jeden Tag eine ganze Sahnetorte zu futtern – bitte, kein Problem, wenn du genug Geld hast. Und wenn du hinterher dich und rund bist, dann liegt das nicht am Geld, sondern an deinem Traum. Du kannst dir jede Menge Leute kaufen, die dir erzählen, was für ein toller Kerl du bist – du musst nur genug Geld haben. Aber wenn das dann keine echten Freunde sind, dann liegt das nicht am Geld, sondern an deinem Traum.

Du kannst mit Geld aber genauso Gelegenheiten schaffen, durch die echte Freundschaft entsteht. Du kannst ein Haus schaffen, in dem heimatlose Menschen Heimat finden. Du kannst eine Blume kaufen und sie jemandem schenken, der nicht geglaubt hat, dass er Bedeutung hat für dich oder für irgendjemand sonst.

Die Frage ist immer: welchen Traum verwirklichst du mit dem, was du hast?

Sich Schätze im Himmel zu sammeln, das bedeutet: unsere Möglichkeiten investieren, um Träume zu verwirklichen, die Gott in uns hineingelegt hat. Träume davon, wie Menschen frei werden und heil, wie Menschen aus Not und Unterdrückung jeder Art hinaus finden und hineinwachsen in ein reiches und erlöstes Leben. Träume, die über unser eigenes Leben hinausgehen. Größere Träume, Träume vom heilen und gelingenden Leben. Irgendwie wollen wir das ja alle, aber wir suchen es so oft an der Oberfläche und vergessen, dass unser Herz dafür geschaffen ist, in der Tiefe verankert zu sein, in Gott, in seiner Welt, in seiner Freude.

Aber wenn wir unsere Mittel an der richtigen Stelle investieren, dann bringt uns das auf Kurs, und die richtigen Verbindungen werden dann ausgebaut.

Jesus erklärt das so: Ihr könnt durch eure ganz äußerlichen Entscheidungen eure Bindung an Gott entscheidend vertiefen. Ganz einfach: wo dein Schatz ist, da schlägt auch dein Herz. Wo du dein Kostbarstes investierst, das wird auch zum Mittelpunkt deines Lebens. Wenn du dir für viel Geld ein teures Auto kaufst, dann wird dir dieses Auto auch enorm ans Herz wachsen, es wird dir lieb und teuer. Und je mehr du es polierst und streichelst, um so wichtiger wird es dir. Und wenn du dein Geld investierst, um Gottes Träume in deinem Leben zu verwirklichen, dann werden sie dir immer wichtiger werden.

Wir kennen das eher andersherum: Wo dein Herz ist, da wirst du auch deinen Schatz investieren. Was dir wichtig ist, dafür hast du immer Zeit und Geld. Wo ein wirklicher Wille ist, da ist auch ein Weg. Das ist auch völlig richtig. Aber hier macht Jesus auf den umgekehrten Zusammen­hang aufmerksam: Wenn du viel von deinem Schatz für etwas einsetzt, dann wird es dir wichtig werden. D.h.: du kannst die Prioritäten deines Herzens beeinflussen, dein Herz wird auf die Dauer das lieben, wofür du Zeit und Geld und Kraft einsetzt.

Also: wenn du einen Menschen lieben willst, dann hilf ihm da, wo er Probleme hat, denke über ihn nach, bete für ihn, investiere Zeit in ihn, unterstütze ihn, wenn er in Not ist, und irgendwann wirst du merken, wie dein Herz Anteil nimmt an ihm.

Ich finde an diesem Wort Jesu wirklich hilfreich, dass es uns befreit von dem Glauben: so ist nun mal mein Herz, so sind meine Vorlieben, so ist meine Motivation, daran ändert sich nichts, da kann ich nichts machen. Es ist richtig, dass unser Herz nicht einfach auf ein Kommando hört. Aber wenn wir ganz äußerlich etwas für eine Sache investieren von unserer Zeit, unserer Energie, und eben auch von unserem Besitz, dann glaubt das Herz uns nach einiger Zeit, dass wir es ernst meinen, und es setzt die entsprechenden Prioritäten. Motiva­tion für irgendetwas fällt nicht willkürlich vom Himmel, wir bauen oder zerstören sie dadurch, wie wir unseren Schatz einsetzen, also unsere Zeit, unsere Energie und unser Geld.

Übrigens sind damit sind nicht nur gute Taten gemeint. Es gibt genug Dinge, an denen wir uns einfach freuen sollen. Die Freude gehört zum Leben, sie ist von Gott, und auch da ist Geld richtig angelegt. Es gehört zu einem guten Leben, dass wir die Gaben Gottes auch wirklich in Empfang nehmen. Gerade daran soll uns ja das Erntedankfest erinnern.

Jesus macht uns das vor. Er hat die guten Dinge im Leben wirklich gern gehabt hat. Ein leckeres Essen, bei dem einem das Wasser im Munde zusammen läuft, wird bei ihm zu einem Gleichnis für das Reich Gottes (Matthäus 22,4). Er war oft bei Menschen eingeladen und hat ihnen beim Essen wichtige Dinge gesagt. Das ging so weit, dass seine Feinde ihn einen Fresser und Säufer genannt haben. Sein erstes Wunder bestand darin, sechs große Krüge mit Wein für eine Hochzeit zu stiften, und auch später hat er auf wunderbare Weise dafür gesorgt, dass Menschen satt wurden. Schließlich hat er seinen Jüngern kurz vor seinem Tod die Anweisung gegeben, zur Erinnerung an ihn ein Fest zu feiern, das Abendmahl. Er hat uns kein Gesetzbuch hinterlassen, sondern ein Fest. Und bei diesem letzten Fest mit seinen Jüngern kündigte er an, dass er auch nach seiner Auferstehung wieder Wein trinken würde – offensichtlich konnte er sich auch die kommende Welt Gottes nicht ohne Wein vorstellen.

Die Lebensmittel und überhaupt alle guten Dinge im Leben sind dafür da, uns das Leben zu ermöglichen und uns Freude zu machen. Wenn wir sie richtig ansehen, dann transportieren sie uns alle eine Botschaft vom Schöpfer des Lebens: ich sage Ja zu dir und deiner Freude. Du sollst es gut haben.

Jesus sagt: wir haben einen Vater im Himmel, der diese ganze Schöpfung ins Leben gerufen hat und erhält. Es ist für ihn ein Kleines, uns am Leben zu erhalten und zu ver­sorgen. Und auch, wenn wir Schweres erleben, dann es ist für ihn kein Problem, da etwas Gutes draus zu ma­chen. Aber so richtig von Herzen glauben werden wir das erst, wenn wir unsern Schatz ins Reich Gottes investieren und dann miterleben, wie sich das schon hier auszahlt. Dann wird uns Gott wichtig, dann machen wir gute Erfah­rungen mit ihm, und dann werden wir viel überzeugter von seiner Güte und Zuverlässigkeit.

Wir können theoretisch wissen, dass es richtig ist, Gott von ganzem Herzen zu vertrauen und ihn mit aller Kraft zu lie­ben. Aber unser Herz wird das erst dann nachvollziehen, wenn wir anfangen, auch ganz praktisch auf Gott zu set­zen. Wenn du Zeit einsetzt, um zu beten und über Gott nachzudenken, dann wird er dir immer wichtiger werden. Wenn du zum Gottesdienst kommst, wird dir das, was da gesagt wird, größer und wichtiger werden; wenn du weg­bleibst, wird es immer blasser und kraftloser werden. Wenn du Geld einsetzt für das Reich Gottes, dann wirst du immer überzeugter werden, dass das eine wichtige Sa­che ist; wenn du das nicht tust, dann wirst du auch nicht glauben, dass Gottes Sache etwas Wichtiges ist.

Es ist jeden Preis wert, die Kommunikationskanäle zu Gott offen zu halten. An seiner Sache hier auf der Erde beteiligt zu sein, das ist die beglückendste Wahl, die wir treffen können und gleichzeitig die sicherste. Schon die Jünger haben die Erfahrung gemacht: was wir aufwenden müssen, um mit Jesus zusammenzusein, das bekommen wir vielfach zurück. Und obendrein kommt im Leben alles an seinen richtigen Platz, und die Früchte der Erde machen uns die Freude, zu der sie auch wirklich da sind.