Abendmahl: Die Kraft der Auferstehung im Alltag

Predigt am 2. November 2003 zu Markus 14,12-26

12 Es kam der erste Tag der Festwoche, während der ungesäuertes Brot gegessen wird, der Tag, an dem die Passalämmer geschlachtet werden. Da fragten die Jünger Jesus: »Wo sollen wir für dich das Passamahl vorbereiten?« 13 Jesus schickte zwei von ihnen mit dem Auftrag weg: »Geht in die Stadt! Dort werdet ihr einen Mann treffen, der einen Wasserkrug trägt. Folgt ihm, 14 bis er in ein Haus hineingeht, und sagt dem Hausherrn dort: ‚Unser Lehrer läßt fragen: Welchen Raum kannst du mir zur Verfügung stellen, dass ich dort mit meinen Jüngern das Passamahl feiere?‘ 15 Dann wird er euch ein großes Zimmer im Obergeschoß zeigen, das mit Polstern ausgestattet und schon zur Feier hergerichtet ist. Dort bereitet alles für uns vor.« 16 Die beiden gingen in die Stadt. Sie fanden alles so, wie Jesus es ihnen gesagt hatte, und bereiteten das Passamahl vor.
17 Als es Abend geworden war, kam Jesus mit den Zwölf dorthin. 18 Während der Mahlzeit sagte er: »Ich versichere euch: Einer von euch wird mich verraten – einer, der jetzt mit mir isst.« 19 Sie waren bestürzt, und einer nach dem andern fragte ihn: »Du meinst doch nicht mich?« 20 Jesus antwortete: »Einer von euch zwölf wird es tun; einer, der sein Brot mit mir in dieselbe Schüssel taucht. 21 Der Menschensohn muss zwar sterben, wie es in den Heiligen Schriften angekündigt ist. Aber wehe dem Menschen, der den Menschensohn verrät! Er wäre besser nie geboren worden!«
22 Während der Mahlzeit nahm Jesus ein Brot, sprach das Segensgebet darüber, brach es in Stücke und gab es ihnen mit den Worten: »Nehmt, das ist mein Leib!« 23 Dann nahm er den Becher, sprach darüber das Dankgebet, gab ihnen auch den, und alle tranken daraus. 24 Dabei sagte er zu ihnen: »Das ist mein Blut, das für alle Menschen vergossen wird. Mit ihm wird der Bund in Kraft gesetzt, den Gott jetzt mit den Menschen schließt. 25 Ich sage euch: Ich werde keinen Wein mehr trinken, bis ich ihn neu trinken werde an dem Tag, an dem Gott sein Werk vollendet hat!«
26 Dann sangen sie die Dankpsalmen und gingen hinaus zum Ölberg.

Als Jesus seinen Jüngern zeigte, wie sie in Zukunft Abendmahl feiern sollten, da zeigte er ihnen etwas, was man überall machen kann. Brot und Wein waren Grundnahrungsmittel, die hatte jeder im Haus, und außerdem braucht man eigentlich nur einen Tisch, an dem man sitzen konnte. D.h., Jesus hat den Treffpunkt, wo seine Jünger ihn finden konnten, so organisiert, dass man ihn im ganz normalen Leben feiern kann, in ganz normalen Häusern, mit ganz normalen Zutaten, und vor allem sollen es ganz normale Leute sein, die sich da mit ihm treffen.

Das ist um so auffälliger, weil sie ja in Jerusalem auch einen Tempel hatten, der äußerst prächtig gebaut war, ein wunderschönes Haus Gottes, mit Priestern und Tempelmusikern und prächtiger Ausstattung.

Aber Jesus sucht sich stattdessen das Haus eines Freundes aus und benutzt als Zutaten für seinen Treffpunkt normale Dinge des täglichen Lebens. Und das hat eine Bedeutung. Er macht dadurch deutlich: Ich möchte euer ganz normales Leben berühren. Da will ich zu euch kommen. Ich bin keiner für die Spitzentage und die Highlights, sondern ich bin einer für alle Tage, und ihr findet mich mitten in eurem Leben. Schafft mir da nur ein bisschen Platz, einen schön vorbereiteten Raum, Brot, Wein, erinnert euch an meine Worte – und ich werde euch treffen.

Versteht ihr, zum Tempel in Jerusalem, da sind die Leute zweimal oder dreimal im Jahr hingekommen, und wenn sie weiter weg wohnten, dann sind sie vielleicht nur einmal in ihrem ganzen Leben da hingereist, und das war der Höhepunkt ihres Lebens. Auf jeden Fall haben sie sich lange drauf vorbereitet und sich schick gemacht, sie sagten: jetzt gehen wir zu Gott! und sie lebten für ein paar Tage wie in einer anderen Welt. Beeindruckende Tage, etwas ganz Besonderes!

Aber hier bei Jesus ist das gerade umgekehrt. Da sagen die Leute nicht: wir gehen jetzt zu Gott! sondern Jesus sagt: ich komme zu euch! Da wo eurer Tisch ist, an dem ihr so oft gesessen habt, an dem ihr gelacht habet und euch gestritten habt, wo ihr nachgezählt habt, ob das Geld noch reicht bis zum Monatsenden, wo die Kinder die Schularbeiten dran gemacht haben und an dem ihr vielleicht auch schon vor Müdigkeit eingeschlafen seid, da komme ich hin. Und dann wird aus eurer normalen Stube oder Küche ein Platz an dem ihr mich finden könnt, ein Platz, wo ihr durch mich Gott finden könnt.

Ich lese gerade einen Roman über Leute, die vor 150 Jahren im wilden Westen Nordamerikas als Siedler eine Blockhütte gebaut und ihre ersten Felder gerodet haben, ganz einsam, mitten in den unendliche Wäldern. Und eines Tages feiern sie da Abendmahl, in ihrer Blockhütte. Da hat sich ein Pastor zu ihnen hin verirrt, beinahe wäre er erfroren in den unendlichen Wäldern im Winter, und sie müssen ihn erstmal wieder ins Leben zurückholen, aber er weiß eben, wie man Abendmahl feiert. Und die Siedlersfrau ist ganz ganz außer sich und kann es gar nicht fassen. Denn die hat bis dahin nur Abendmahl in der Kirche in ihrem Heimatland erlebt. Und sie sagt: meine Hütte hier soll jetzt ein Tempel Gottes sein! Hier, wo der Wind durch die Ritzen pfeift und die Hühner durch die Tür spazieren soll Gott wohnen! Hier bei mir!

Und sie begreift zum ersten Mal überhaupt richtig, was Abendmahl bedeutet, sie fühlt auf bisher unbekannte Weise, wie Jesus mitten hinein kommen will in ihr Leben. Und es ist ihr, als ob von da an ihre zugige Blockhütte etwas Besonderes geworden ist.

So viele Leute denken, dass Gott nur etwas für die Höhepunkte und die glanzvollen Tage im Jahr sind. Aber in Wirklichkeit hat er Jesus in unser ganz normales Leben hineingeschickt, dahin, wo wir arbeiten und leben und lachen und uns streiten und uns freuen und uns abmühen. Jesus ist in dieses ganze normale Leben gekommen, weil das unser echtes und wirkliches Leben ist, und da will er uns treffen. Unser ganz normales Leben soll anders werden durch ihn. Da soll von ihm aus eine andere Freude und eine andere Kraft hineinkommen.

Wir teilen unser Leben oft so ein: da sind die Tage, wo man so richtig leben kann, die Ferien, der Urlaub, die Wochenenden. Und dazwischen, was ist da? Naja, eben Schule, Arbeit, das ganz normale Leben. Was kann man damit schon groß anfangen? Am besten wartet man darauf, dass der Freitag kommt und Wochenende ist. Aber Jesus sagt: genau aus diesem Leben, aus den normalen Tagen, will ich etwas machen. Gib es mir, und du bekommst es neu zurück.

So wie er auch aus den normalen Lebensmitteln Brot und Wein einen Treffpunkt mit uns macht, wie er aus normalen Häusern einen Tempel macht, so will er aus unserem normalen Leben ein Leben machen, von dem Tag für Tag Glanz und Segen ausgeht.

Und da fragt man sich natürlich, ob das denn eigentlich geht. Die normale täglich Arbeit in der Firma oder in der Schule oder im Haushalt, geht das überhaupt, dass da etwas Neues draus wird? Ist das nicht alles so festgelegt, dass man es nur noch absitzen kann und warten, bis es endlich zu Ende ist?

Aber Jesus hat nicht umsonst mit dem Abendmahl so fest die Erinnerung an seinen Tod verbunden. Niemand ist so festgelegt wie einer, der ans Kreuz geschlagen ist. Niemand ist so unfähig, irgendetwas an seiner Lage zu ändern, niemand ist so ohnmächtig, aber Jesus hat auch da noch verstanden, was es heißt, an Gott festzuhalten und die Übereinstimmung mit Gott festzuhalten bis zum letzten Atemzug.

Unter dem Kreuz stand damals der römische Offizier, der die Hinrichtung geleitet hat. Der hatte schon viele Menschen sterben sehen, der wusste, dass Menschen schreien, fluchen, betteln, weinen oder in Apathie versinken, wenn sie so zu Tode gequält werden. Und dann sah er Jesus und sagte: Moment, aber der hier ist anders. So habe ich noch nie einen sterben sehen. Sogar hier am Kreuz sagt er noch zu Gott: Vater. Der glaubt tatsächlich immer noch, dass der ihn hört, der strahlt auch noch als zerschlagene, halbtote Elendsfigur immer noch die Liebe Gottes aus! Und der Offizier, der Henker Jesu, sagt über ihn: wirklich, der ist Gottes Sohn gewesen!

Versteht ihr, es hat viele Leute gegeben, die waren tief beeindruckt von den Wundern Jesu: Menschen durch ein Wort gesund machen, einen Sturm zur Ruhe bringen, Tote auferwecken. Ich glaube, wer dabei war, der wird das nie vergessen. Aber dass einer noch beeindruckt und tief berührt ist, wie Jesus sich Stunde um Stunde zu Tode quält, ich glaube das ist noch mehr. Jesus hat Menschen sogar noch mit seinem Sterben gewonnen.

Deshalb wissen wir: der Kraft, die in ihm lebt, ist nichts unmöglich. Das ist die Kraft, mit der Gott ihn auferstehen ließ. Und das ist die Kraft, die unser Leben verwandeln soll. Wir müssen die Tür aufmachen, damit sie in unser Leben hineinkommt. Wenn wir uns das aus ganzem Herzen wünschen, dann wird das geschehen. Und manchmal sogar, wenn wir es nur halbherzig wünschen. Gott ist ziemlich großzügig.

Und das Abendmahl ist eine Art, um das zu Jesus zu sagen: ja, ich möchte, dass du hineinkommst in mein Leben mit der Kraft, die in deinem Leben, Sterben und Auferstehen lebendig war. Ich mache dir die Tür auf. Du darfst kommen. Ich will, dass du ein Teil von mir wirst, so wie das Brot, das ich esse, ein Teil von mir wird. So sollst du in mir sein und in mir leben. Und dann lebt Jesus sein Leben in uns. Und wenn wir ihn vergessen, dann erinnert er uns irgendwann wieder und sagt: du wolltest mir doch Platz geben bei dir, an deinem Küchentisch, an deinem Arbeitstisch, da wo du lebst und liebst und weinst und dir Sorgen machst und Dinge in die Hand nimmst. Du wolltest, dass ich das mit der Kraft meiner Auferstehung verändere. Gilt das noch?

Und wenn wir heute zum Abendmahl gehen und die Hand ausstrecken und Brot und Wein bekommen, dann sagen wir ihm: ja, so soll es sein. Komm, Herr Jesus. Ich erneuere den Bund mit dir. Komm zu mir und lebe in mir. Ich will nie mehr ohne dich sein.