Jesus im Lebenshaus

Predigt am 25. Februar 2007 (Vorstellungsgottesdienst der Konfirmandengruppe) zu Markus 2,13-17

Den Vorstellungsgottesdienst hatte die Konfirmandengruppe auf einer Freizeit vorbereitet. Sie hatte Bilder zur Geschichte von der Berufung des Levi vorbereitet und kommentierte sie im Gottesdienst. Auch mit dem Thema des „Lebenshauses“ und der verschiedenen Räume darin hatten die Jugendlichen sich beschäftigt.

13 Jesus ging wieder hinaus an den See; und alles Volk kam zu ihm und er lehrte sie. 14 Und als er vorüberging, sah er Levi, den Sohn des Alphäus, am Zoll sitzen und sprach zu ihm: Folge mir nach! Und er stand auf und folgte ihm nach.
15 Und es begab sich, dass er zu Tisch saß in seinem Hause, da setzten sich viele Zöllner und Sünder zu Tisch mit Jesus und seinen Jüngern; denn es waren viele, die ihm nachfolgten.
16 Und als die Schriftgelehrten unter den Pharisäern sahen, dass er mit den Sündern und Zöllnern aß, sprachen sie zu seinen Jüngern: Isst er mit den Zöllnern und Sündern? 17 Als das Jesus hörte, sprach er zu ihnen: Die Starken bedürfen keines Arztes, sondern die Kranken. Ich bin gekommen, die Sünder zu rufen und nicht die Gerechten.

Wenn wir mit Konfirmanden eine Jesusgeschichte so in Fotos umsetzen, wie wir das in Tettenborn gemacht haben, dann sieht man da natürlich nicht, wie es früher mal »wirklich gewesen ist«. Wir haben auf alte Kostüme verzichtet. Aber gerade deshalb kann man besser sehen, dass diese Geschichten irgendwann mal zwischen ganz normalen Menschen passiert sind, die die normalen Kleider trugen, die man in ihrer Zeit anhatte, die so gesprochen haben, wie man damals normalerweise sprach, und die in normalen Häusern gewohnt haben.

Man kann sich das alles gar nicht normal genug vorstellen. Menschen, die natürlich unter sehr anderen Verhältnissen gelebt haben, als wir das heute tun, aber trotzdem Menschen, die ihre täglichen Sorgen und Freuden und Lasten hatten wie wir, die ihre Familie zusammenhalten und ihre Kinder heil aufwachsen lassen wollten. Und dann ist mitten unter diesen ganz normalen Leuten tatsächlich etwas Ungewöhnliches passiert, und das hing zusammen mit Jesus. Da kam eine andere Art zu leben in die Welt, und die hatte ihre Wurzeln nicht hier, sondern jenseits der Grenzen unserer Welt. Durch Jesus änderte sich etwas Grundlegendes: es gab jetzt eine echte Alternative.

Die zeigt sich für einen wie Levi darin, dass in seinem Wohnzimmer plötzlich ganz andere Leute sitzen. Ich weiß, das ist der Schrecken jeder Hausfrau, fremde Leute im Haus, aber in Wirklichkeit war das eine unheimlich Bereicherung. Für andere bedeutete das, dass sie vielleicht zum ersten Mal in ihrem Leben wussten, wo sie hingehörten. Für noch andere war das Heilung von schmerzhaften Krankheiten und einschränkenden Behinderungen. Und für die Pharisäer war das eine erschreckende Bedrohung ihres gesellschaftlichen Einflusses. So unterschiedlich die das im Einzelnen erlebt haben, es war sehr real.

Wir müssen aus unserem Kopf einen Filter rausbekommen, durch den wir normalerweise das durchlaufen lassen, was wir über Jesus hören. Wenn wir an Jesus denken, denken wir an Religion und was wir uns darunter vorstellen. So eine Mischung aus erhebendem Gefühl und langweiligen Pflichten. Aber was Jesus machte, war auch etwas anderes als das, was Religionen von Menschen fordern. Es gibt ja Religionen, die sehr viel von den Menschen verlangen: ein paar Mal täglich zu beten, bestimmte Veranstaltungen mitzumachen, heilige Orte aufzusuchen, Feste zu begehen. Die einen sind genervt davon und die anderen machen das gerne, die einen haben eine lange Liste und die anderen eine kurze, aber irgendwann kann man sagen: jetzt habe ich die Liste abgearbeitet.

Bei Jesus ging es um etwas anderes: der hat nicht eine Liste von Pflichtveranstaltungen hinterlassen, sondern er hat Menschen gerufen, ihr ganzes Leben noch mal neu anzusehen und zu entdecken, wie es mit ihm zusammen aussieht. Es geht eigentlich nicht darum, Rituale zu begehen, sondern das Leben neu anzusehen und dann anders zu leben. Das ist einerseits viel weniger Belastung und Pflicht, und andererseits viele anspruchsvoller.

Wir haben das versucht mit diesem Bild des Hauses zu beschreiben, wie das aussehen kann, wenn Jesus in ein menschliches Leben hineinkommt. Wie ist das, wenn du die Gedanken, die irgendwann in der Nacht hochkommen und dich wecken, wenn du die mit Jesus zusammen ansiehst und dich daran erinnerst, dass wir einen Vater im Himmel haben, der für uns sorgt? Und dass wir eben nicht mehr allein mit den ganzen Sachen kämpfen müssen, wenn Jesus dabei ist.

Oder wenn man die Küche nimmt als Bild für den ganz engen Bereich der Familie und der anderen nächsten Menschen, also dieser Bereich, wo man genau weiß, wie die anderen reagieren werden und was man von denen zu halten hat: wenn man sich vorstellt, dass da die Dinge trotzdem noch mal in Bewegung kommen können und man auch diese ganz nahen Menschen noch einmal anders erleben kann. Das ist einerseits ein Risiko und andererseits eine große Hoffnung.

In jedem Menschen wohnt eine Ahnung davon, dass das Leben eigentlich ganz anders sein sollte, als wir es kennen. Reichhaltiger, inspirierender, bedeutungsvoller, echter, freier. Und die einen haben sich das Nachdenken darüber verboten und sagen: das ist sowieso alles Unsinn, und die anderen gehen einkaufen, wenn sie der Gedanke überfällt, dass das Leben reicher sein sollte, aber irgendwo trägt jeder in sich diese Ahnung, dass es anders sein sollte.

Diese Ahnung, diese Sehnsucht in uns allen hat Jesus angesprochen und wachgerufen. Er verkörpert einen Weg, auf dem man die Ahnung vom anderen Leben nicht totschlagen muss, sondern wo man sie zu leben anfangen kann.

Und dann sehen wir an Levi: das kriegt man allein nicht richtig hin. Da müssen andere sein, die das mit tragen. Jesus baut eine ganze Schar von Menschen auf, die zusammengehören, weil sie diese Liebe zu einem anderen Leben umsetzen wollen, im echten Leben. Und dann können ein Terrorist wie der Simon und ein Zöllner wie Levi zusammen an einem Tisch sitzen, weil dieses Leben, das sie bei Jesus kennengelernt haben, so viel wichtiger ist als der Konflikt, den sie vorher miteinander hatten.

Wenn wir miteinander weg sind auf Konfirmandenfreizeit, dann erleben wir ein bisschen von diesen neuen Möglichkeiten, die durch Jesus in die Welt gekommen sind. Für alle die dabei sind und für alle, denen wir davon erzählen, soll das ein Hinweis sein, dass es mitten unter uns wirklich möglich ist, anderes Leben zu entdecken.