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Predigt am 29. Juni 2003 zu Lukas 14,12-24

12 Jesus sprach aber auch zu dem, der ihn eingeladen hatte: Wenn du ein Mittags- oder Abendmahl machst, so lade weder deine Freunde noch deine Brüder noch deine Verwandten noch reiche Nachbarn ein, damit sie dich nicht etwa wieder einladen und dir vergolten wird.
13 Sondern wenn du ein Mahl machst, so lade Arme, Verkrüppelte, Lahme und Blinde ein, 14 dann wirst du selig sein, denn sie haben nichts, um es dir zu vergelten; es wird dir aber vergolten werden bei der Auferstehung der Gerechten.
15 Als aber einer das hörte, der mit zu Tisch saß, sprach er zu Jesus: Selig ist, der das Brot isst im Reich Gottes!
16 Er aber sprach zu ihm: Es war ein Mensch, der machte ein großes Abendmahl und lud viele dazu ein.
17 Und er sandte seinen Knecht aus zur Stunde des Abendmahls, den Geladenen zu sagen: Kommt, denn es ist alles bereit!
18 Und sie fingen an alle nacheinander, sich zu entschuldigen. Der erste sprach zu ihm: Ich habe einen Acker gekauft und muss hinausgehen und ihn besehen; ich bitte dich, entschuldige mich. 19 Und der zweite sprach: Ich habe fünf Gespanne Ochsen gekauft, und ich gehe jetzt hin, sie zu besehen; ich bitte dich, entschuldige mich. 20 Und der dritte sprach: Ich habe eine Frau genommen; darum kann ich nicht kommen.
21 Und der Knecht kam zurück und sagte das seinem Herrn. Da wurde der Hausherr zornig und sprach zu seinem Knecht: Geh schnell hinaus auf die Straßen und Gassen der Stadt und führe die Armen, Verkrüppelten, Blinden und Lahmen herein. 22 Und der Knecht sprach: Herr, es ist geschehen, was du befohlen hast; es ist aber noch Raum da. 23 Und der Herr sprach zu dem Knecht: Geh hinaus auf die Landstraßen und an die Zäune und nötige sie hereinzukommen, dass mein Haus voll werde.
24 Denn ich sage euch, dass keiner der Männer, die eingeladen waren, mein Abendmahl schmecken wird.

Es gibt zwei Arten von Terminen: die Pflichttermine und die Herzenstermine. Am einfachsten erkennt man die Herzenstermine daran, dass wir es fast immer schaffen, für sie Zeit zu haben. Wir setzen alles in Bewegung, um dabei zu sein, unsere Gedanken kreisen um diese Herzensangelegenheit, und wir organisieren nötigenfalls einen Babysitter oder eine andere Vertretung, damit wir auch wirklich nichts versäumen.

Die Pflichttermine erkennt man daran, dass wir gar nicht so böse sind, wenn uns etwas dazwischenkommt. Ja, vielleicht sorgen wir sogar selbst dafür, dass wir ausgerechnet dann zum Arzt müssen, wenn Herr X Geburtstag hat, oder wenn die langweilige Sitzung in Y ist. Aber so weit muss es ja gar nicht kommen. Es reicht, wenn wir einfach so einen Pflichttermin nicht mit aller Kraft verteidigen. Die Hindernisse, die es einem ganz ehrlich unmöglich machen, daran teilzunehmen, die kommen dann manchmal ganz von allein.

Natürlich kann eine Sache für den einen Menschen eine Herzensangelegenheit sein, aber für den andern ist es einfach nur ein Pflichttermin. Daraus können nicht selten Konflikte entstehen. Wenn jemand z. B. sagt: »nie hast du für mich Zeit«, dann meint er damit: für dich ist es keine wirkliche Herzensangelegenheit, mit mir zusammen zu sein. Deshalb findest du dann auch keine Zeit dafür. Oder ein Ehepartner sagt zu dem andern: ja, früher wolltest du immer mit mir zusammen sein, aber jetzt ist alles andere wichtiger.

So ist es auch mit der Einladung, von der Jesus erzählt. Die Gäste, die schon lange vorher eingeladen waren, sagen im letzten Moment doch noch ab. Sie haben natürlich alle einleuchtende Gründe, und wenn es nur der eine oder andere wäre, dem etwas dazwischenkommt, dann könnte man sagen: das passiert eben mal. Aber dass sie alle absagen, einer nach dem anderen, wenn auch mit guten Begründungen, das zeigt ganz deutlich, dass es für sie eben doch keine Herzensangelegenheit ist. Sonst hätten sie nämlich ihre Geschäftstermine anders gelegt oder etwas später geheiratet.

Es ist für jeden Gastgeber schmerzlich, wenn er merkt, das er für seine Gäste nur ein Pflichttermin ist. Eigentlich hatte er sich gewünscht, eine schöne Zeit gemeinsam mit seinen Freunden zu verbringen. Er wollte sich an diese Freundschaft freuen und sie stärken. Deshalb veranstaltet man ja eigentlich so ein Fest, als eine Gelegenheit, Gemeinschaft mit Personen zu praktizieren, an denen einem viel liegt. Und jetzt merkt der Gastgeber, dass das seinen Freunden gar nicht so wichtig ist. Genau gesagt: er ist ihnen nicht wichtig, jedenfalls nicht wichtig genug.

Und es ist uns natürlich klar: mit diesen Gastgeber, von dem Jesus erzählt, ist Gott gemeint. Für Gott ist es eine Herzensangelegenheit, mit Menschen befreundet zu sein. Deshalb hat er uns überhaupt geschaffen: er wollte jemand haben, mit dem er seine Freude teilen kann, und er hat alles vorbereitet für das Fest, das er mit uns feiern will. Der Braten ist fertig, die Getränke haben die richtige Temperatur, überall stehen Blumen, und jetzt fehlen nur noch die Gäste.

Wir sind für Gott kein Pflichttermin, sondern wir sind für ihn eine Herzensangelegenheit. Er macht alles, damit das Fest mit seinen geliebten Menschen gelingt. Er mag uns wirklich! Auch wenn mancher sich das gar nicht vorstellen kann. Aber wir fehlen ihm, wenn wir nicht da sind. Und es trifft ihn, wenn er merkt, dass er bei uns irgendwo unter »ferner liefen« rangiert.

Trotzdem macht er jetzt nicht den Fehler, den man unglücklich verliebten Menschen manchmal ausreden muss: er versucht nicht, mit Reden und Tricks und Seelenmassage die Eingeladenen doch noch umzustimmen. Daraus kann nichts Gutes entstehen. Liebe kann man nicht herbeimanipulieren.

Aber er setzt sich jetzt auch nicht hinter den Ofen und wühlt sich in seine Trauer hinein. Das Fest ausfallen lassen? Kein Gedanke daran. Wenn die Eingeladenen nicht kommen, dann sucht er sich andere, die seine Einladung besser zu schätzen wissen.

Deswegen erzählt Jesus, dass der Gastgeber alle Bettler und Behinderte aus der Stadt holen lässt, damit sein Haus voll wird. Und als dann immer noch Platz ist, da schickt er seinen Angestellten noch einmal los, damit er auch die Feldmark absucht nach Leuten, die nirgendwo anders schlafen können als irgendwo draußen unter einem Busch. Die werden sich das gar nicht vorstellen können, dass so ein wichtiger Mann sie in seinen Festsaal einlädt. Die werden sagen: aber ich bin doch gar nicht richtig angezogen, und ich passe da nicht hin, und überhaupt. Aber der Boote soll in diesem Fall nicht locker lassen, bis er sie überzeugt hat, dass sie wirklich gemeint sind.

Wissen Sie, dass es Menschen gibt, die sich das wirklich nicht vorstellen können, dass sie in Gottes Augen wichtig sein könnten? Die sich auch heute nicht zur Kirche trauen, weil sie glauben, dass sie zu schlecht sind, um einen Platz im Hause Gottes zu haben? Die einfach wissen, wie problematisch sie sind, und wahrscheinlich haben sie es auch oft genug von anderen gehört. Und das ist keine gespielte Bescheidenheit, sondern es ist für sie wirklich nicht denkbar, dass Gott ausgerechnet sie zum Fest einladen könnte.

Es gibt die einen, die es für selbstverständlich halten, dass sie ihren Platz bei Gott haben, und die anderen, deren Leben so schiefgelaufen ist, dass sie sich tatsächlich nicht vorstellen können, dass Gott mit ihnen noch etwas anfangen kann.

Aber als sie verstehen, dass sie wirklich eingeladen sind, da ist es für sie kein Pflichttermin, sondern eine Herzensangelegenheit. Und am Ende kommt das Fest zustande mit lauter Menschen, die mit großer Freude und aus vollem Herzen feiern.

Diese Menschen sind ein Beispiel für das, was Jesus meint, wenn er in der Bergpredigt sagt: »selig sind die geistlich Armen, denn ihnen gehört das Himmelreich«. Es sind die Menschen, denen das Reich Gottes eine Herzensangelegenheit ist, weil sie nichts anderes, nichts Besseres haben. Und nur so kommt man ins Reich Gottes: mit brennendem Herzen.

Die großen Mystiker der Christenheit, die nach Jahren in der Wüste oder sonst in der Einsamkeit zurückkamen mit Gott im Herzen, und die Menschen spürten es und kamen scharenweise zu ihnen, also diese Menschen, die sich ganz besonders gut auskennen mit der Nähe Gottes, die haben dieses Erlebnis immer wieder mit zwei Worten beschrieben: Feuer und Liebe. Feuer und Liebe sind Bilder für stärkstes Beteiligtsein, Bilder für ein ungeteiltes Herz, ein brennendes Herz eben. Und auch wenn die Gäste im Gleichnis nicht jahrelang in der Einsamkeit gelebt haben, sie sind bei dieser für sie undenkbaren Einladung ohne Zweifel mit ganzem Herzen dabei. Nur so, mit ganzem, brennendem Herzen, werden wir ins Reich Gottes hineinkommen. Und genau das fehlte in den Reaktionen der zuerst Eingeladenen.

Nun ist aber wichtig, warum Jesus dieses Gleichnis erzählt. Er ist bei einem Pharisäer eingeladen, und die Leute am Tisch wollen Jesus darauf testen, was sie von ihm halten und ob er geistlich die richtige Einstellung hat. Sie können sich vorstellen, dass das eine ganz verklemmte Atmosphäre ist, so wie wenn die Tochter zum ersten Mal den möglichen künftigen Schwiegersohn mit nach Hause bringt und alle warten, ob er den Fisch mit dem Messer schneidet oder heimlich in der Nase bohrt. Das kann eigentlich nur schiefgehen.

Aber Jesus ist überhaupt nicht befangen. Stattdessen belehrt er seinen Gastgeber gleich darüber, dass man zum Essen auch Leute einladen soll, die keine Standesgenossen sind, Arme, die sich für die Einladung nicht revanchieren können, und er sagt: wenn du die einlädst, dann wird Gott sich dafür revanchieren, er wird dich dafür belohnen bei der Auferstehung der Gerechten.

Und in dem Moment kommt ein Zwischenruf von einem Gast. Ich glaube er ist als Bekräftigung gemeint: »Ja, glücklich ist jeder, der sein Brot im Reich Gottes isst.« Richtig! sagt er. Gut, Jesus, dass du von der Ewigkeit gesprochen hast! Denn darauf kommt es an: wo man die Ewigkeit verbringen wird, bei Gott oder ohne ihn. Stimmt ja auch!

Aber irgendwie ist Jesus mit dieser Unterstützung nicht zufrieden. Denn er wendet sich an diesen Gast und erzählt ihm das Gleichnis von dem Festmahl Gottes, das für die anfänglich Eingeladenen nur ein Pflichttermin war. Warum erzählt er das dem Mann, der ihn eigentlich doch unterstützen wollte?

Anscheinend hat er bei ihm genau diese Haltung entdeckt, dass bei ihm die Gemeinschaft mit Gott in diesem Leben keine Herzensangelegenheit ist. Da sitzt neben ihm Jesus, der Sohn Gottes, der Retter der Welt, die Auferstehung und das Leben, und der redet davon, wie schön es im Himmel ist. Das passt doch vorn und hinten nicht! Das ist so, als ob zwei Leute heiraten, und die Braut erzählt dem Bräutigam am Hochzeitstag die ganze Zeit, wie schön es mal sein wird, wenn sie Enkelkinder haben werden und die gemeinsam betreuen können. Also, ich als Bräutigam wäre da arg enttäuscht!

Und Jesus versucht, dem Mann deutlich zu machen: Hier ist der Himmel! Ich bin hier! Merkst du das nicht? Wenn dir der Himmel so eine Herzensangelegenheit ist, wie kann ich dann für dich nur ein Pflichttermin sein?

Man muss fairerweise sagen, dass die Juden in der Zeit Jesu überhaupt nicht damit gerechnet haben, dass man schon in diesem Leben etwas von der Gottesnähe haben könnte, die sie erst in der kommenden Welt erwarteten. Sie erwarteten nicht, dass der Himmel auf die Erde kommen könnte.

Aber genau das war ja die Botschaft Jesu: ihr müsst nicht warten, bis ihr tot und im Himmel seid. Jetzt fängt für euch der Himmel an, hier bei mir, dafür bin ich zu euch gekommen. Ich bin der Weg, wie ihr jetzt, in diesem Leben, am Festmahl Gottes teilnehmen könnt. Kommt mit, glaubt an mich, geht auf meinen Wegen, das ist die Einladung.

Nicht umsonst hat Jesus dauernd Feste gefeiert. Das passte einfach gut zu ihm und seinem Auftrag. Um ihn herum war ganz viel Freude, weil da Menschen waren, für die er das beste Erlebnis ihres ganzen Lebens war. Für die war es wirklich undenkbar gewesen, dass sie in ihrem Leben noch so etwas Gutes erleben könnten. Die waren schon froh, wenn sie mal ein freundliches Wort hörten anstelle von Bechimpfungen, und jetzt saßen sie am Tisch Gottes!

Und so sagt Jesus durch diese Geschichte zu dem Gast, der ihn dem Anschein nach unterstützen wollte: Wenn dir so viel am Himmel liegt, dann greif jetzt zu! Hier bin ich! Wie kann dir der Himmel eine Herzensangelegenheit sein, wenn dich meine Gegenwart kalt lässt? Heute ergeht die Einladung, und wer sich nicht über das Heute freuen kann, der wird sich auch nicht über den Himmel freuen können. Konsequenterweise folgen gleich anschließend Hinweise darauf, was man tun muss, um ein Jünger Jesus zu sein.

Liebe Freunde, Jesus ist die Einladung Gottes. Die Armen und Herzensangelegenheit haben es anscheinend leichter, sie zu verstehen. Aber eingeladen sind wir alle. Nur möchte Gott nicht wie ein notwendiges Übel behandelt werden, sondern als das, was er tatsächlich ist: jemand, der festliche Freude schafft mitten in dieser oft so traurigen und problematischen Welt.