Worauf Gott antwortet (Kolosserbrief V)

Predigt am 13. Januar 2002 zu Kolosser 3,1-8 und Matthäus 3,13-17

13 Um diese Zeit kam Jesus von Galiläa her an den Jordan, um sich von Johannes taufen zu lassen. 14 Johannes versuchte, ihn davon abzubringen, und sagte: »Ich müsste von dir getauft werden, und du kommst zu mir?« 15 Aber Jesus antwortete: »Zögere nicht, mich zu taufen! Das ist es, was wir jetzt tun müssen. So eröffnen wir den Weg, auf dem der Wille Gottes ohne Abstriche erfüllt wird.« Da gab Johannes nach.
16 Sobald Jesus getauft war, stieg er aus dem Wasser. Da öffnete sich der Himmel, und er sah den Geist Gottes wie eine Taube auf sich herabkommen. 17 Und eine Stimme aus dem Himmel sagte: »Dies ist mein Sohn, ihm gilt meine Liebe, ihn habe ich erwählt.«

Was liegt zwischen den Geburtsgeschichten Jesu und dieser Geschichte von seiner Taufe am Jordan durch Johannes? Beinahe nichts. 30 Jahre im Leben Jesu, aus denen wir nur eine einzige Geschichte kennen, die Geschichte vom 12jährigen Jesus im Tempel, der mit seinen Fragen die Schriftgelehrten aufhorchen lässt.

30 Jahre Pause. Was hat Jesus in dieser Zeit gemacht?

Ganz einfach: er hat einen Beruf gelernt und die Bibel studiert. In ganz vielen Geschichten vom Erwachsenen Jesus merkt man, wie er in seiner Bibel, also im Alten Testament, lebt und wie ihm im richtigen Moment immer das richtige Zitat einfällt. Das kann nur die Frucht von gründlichen Studien in diesen ersten 30 Jahren sein, und die Geschichte von seiner Diskussion mit den Schriftgelehrten weist ja genau in diese Richtung.

Jesus hat die Bibel nicht nur so gekannt, dass er wusste, wo alles steht, sondern er hat in diesem Buch die lebendige Stimme Gottes gehört.

Und was ist das Ergebnis: er kommt zu Johannes und lässt sich taufen. Was heißt das? Er sagt Gott: ich will zu dir gehören! und dass man bei der Taufe ganz unter Wasser kommt, das ist das Zeichen, dass er sein ganzes Leben Gott hingibt.

Gott antwortet auf solche Zeichen. Gott schaut vom Himmel herab und wenn hier auf der Erde so eine Gesinnung da ist, dann richtet er sofort seine Aufmerksamkeit darauf.

Stellen Sie sich vor, Sie wollen Ihre Kinder irgendwo abholen, wo Tausende von Menschen sind, vielleicht bei einem Konzert. Wie sollen Sie die finden? Sie verabreden ein Zeichen und sagen: Ihr blinkt mit einer roten Taschenlampe, und dann finde ich euch. Und dann stellen Sie sich auf eine Tribüne und gucken runter, und Sie sehen viele, viele Menschen, und da haben Leute Wunderkerzen an, und andere schwenken Feuerzeuge, aber nur an einer Stelle sehen Sie das Blinken einer roten Taschenlampe. Und was machen Sie? Sie drängeln sich irgendwie durch, bis Sie bei Ihren Kindern sind. Als Jesus an den Jordan kam, um sich taufen zu lassen, da richtete er so eine Taschenlampe zum Himmel. Aber ich glaube, das war keine Taschenlampe, sondern in Gottes Augen war das ein riesiger, unübersehbarer Scheinwerfer.

Gott sieht zwar auch Taschenlampen, und auch eine schwache und vorsichtige Absicht, unser Leben an ihm zu orientieren, entgeht seiner Aufmerksamkeit nicht. Aber bei Jesus stand sein ganzes Sein, sein ganzes Herz, all seine Kraft dahinter. Das war nicht so halb und schwankend wie bei uns oft, das war ganz und klar.

Und deswegen antwortet Gott. Sofort. Noch mehr: er kommt, er ist sofort neben Jesus. Jesus steigt aus dem Wasser, und sofort, von oben herab, ist der Heilige Geist da, der Jesus von jetzt ab immer leiten wird. Das ist die Kraft, die ihn auch von den Toten erwecken wird, die ist seit damals in seinem Leben drin.

Und Gott redet zu ihm und bestätigt ihm: du bist mein lieber Sohn, wenn ich dich ansehe, dann freue ich mich. Ich bin jedes Mal so froh, wenn ich an dich denke. Völlig ungetrübte Freude Gottes an Jesus.

Jesus hat in seinem ganzen Leben nie eine Vorzugsbehandlung von Gott bekommen. An Weihnachten haben wir uns daran erinnert, dass das bei seiner Geburt nicht so war – er wurde unterwegs geboren, im Stall, ein Spielball der politischen Mächte. Aber hier wird uns deutlich, dass das auch für das geistliche Leben Jesu gilt. Gottes Wort und Gottes Geist kommen zu ihm, weil er sich auf Gott hin orientiert und bereit ist, umzukehren.

Johannes der Täufer hat damals zu ihm gesagt: du musst doch nicht umkehren! Du hast das doch nicht nötig! Und das stimmte. Jesus musste sich nicht von Sünden abkehren. Aber er brachte trotzdem mit diesem Akt der Taufe zum Ausdruck, dass er ganz zu Gott gehören wollte und nichts anderes Platz haben sollte in seinem Leben.

Und nun redet der Kolosserbrief davon, dass wir da überall dabei sind, wenn wir zu Jesus gehören. Wir sind mit Christus gestorben, wir sind mit ihm auferstanden und wir leben mit ihm ein verborgenes Leben, so wie er jetzt schon verborgen lebt und regiert.

1 Wenn ihr nun mit Christus auferweckt seid, dann orientiert euch nach oben, wo Christus ist! Gott hat ihm den Ehrenplatz an seiner rechten Seite gegeben. 2 Richtet also eure Gedanken nach oben und nicht auf die irdischen Dinge!
3 Ihr seid ja schon gestorben, und euer Leben ist mit Christus bei Gott verborgen. 4 Wenn einmal Christus, euer Leben, allen sichtbar wird, dann werdet ihr mit ihm zusammen in der ganzen Herrlichkeit sichtbar werden, die euch jetzt schon geschenkt ist.
5 Darum tötet alles, was an euch noch irdisch ist: Unzucht, Ausschweifung, Leidenschaft, böse Lust und die Habsucht. Habsucht ist soviel wie Götzendienst. 6 Wegen dieser Dinge kommt das Gericht Gottes.
7 Auch ihr habt früher entsprechend gelebt, als ihr noch ganz dem Irdischen verhaftet wart. 8 Aber jetzt müsst ihr das alles ablegen, auch Zorn und Aufbrausen, Boshaftigkeit, Beleidigung und Verleumdung.

Hier wie auch sonst taucht in der Bibel eine verborgene Instanz im Menschen auf, die real ist, aber nicht so deutlich zu erkennen wie anderes. Sie wird genannt das »verborgene Leben«, der »innere Mensch« oder auch der »Geist des Menschen« (nicht zu verwechseln mit dem Heiligen Geist). Das ist der Teil von uns, der unser Anschluss an die unsichtbare Welt ist – und sobald wir uns mit Jesus verbinden, ist dieser Teil ganz von Gott her bestimmt. Das ist der Brückenkopf Jesu in unserem Leben, die befreite Zone.

Und dann geht es immer darum: wird es von diesem Brückenkopf aus eine Offensive geben in unsere Persönlichkeit hinein und in die Welt hinein? Der Geist gehört Jesus, aber die Seele, also Gefühle, Verstand, Wille, unsere Gewohnheiten und unsere Fantasie, die sind noch ganz stark geprägt von einem Leben ohne Gott. Da geht ein Bruch nicht nur durch die Welt, sondern auch durch uns selbst.

Und dann gibt es die einen, die sagen: solange in mir dieser Zwiespalt ist, bin ich mir eigentlich gar nicht sicher, ob ich ein Christ bin oder nicht. Wenn man sie fragt, ob sie Christen sind, dann antworten sie: »ich versuche es«. Aber eigentlich kann nach dieser Definition niemand ein Christ sein, und wer es trotzdem behauptet, der ist nach dieser Sichtweise überheblich.

Auf der anderen Seite gibt es diejenigen, die betonen: ich habe mich zu Jesus bekehrt, bei mir ist das Entscheidende gelaufen, und ich kann jetzt in Ruhe meinen Tod oder das Wiederkommen des Herrn abwarten. Und wenn mir bis dahin ein Ausrutscher passiert, irgendeine Sünde, dann bitte ich um Vergebung, und es ist wieder klar.

Das, was Paulus schreibt, das liegt dazwischen. Er richtet sein Augenmerk darauf, dass diese Offensive Gottes in unser Leben hinein nicht stecken bleibt, dass es nicht so einen Waffenstillstand gibt, einen Stellungskrieg, in dem sich nichts bewegt.

Es gibt ja in Kriegen immer wieder diese Phasen, wo nichts passiert und die Soldaten es sich einfach in den Schützengräben bequem machen. Und in einem militärischen Krieg kann man sich nur wünschen, dass es ganz viele solche Phasen gibt. Aber im geistlichen Kampf ist das schlecht, weil das bedeutet, dass die Offensive des Reiches Gottes erlahmt ist.

Deswegen schreibt Paulus: »trachtet nach dem, was oben ist, was zu Christus gehört!« Das bedeutet: setzt eure ganze Energie dafür ein, dass es voran geht! Wenn Menschen nach etwas trachten oder nach etwas suchen (das ist die wörtliche Übersetzung), das bedeutet: da werden sie lebendig! Da spitzen sie auf einmal die Ohren! Dafür haben sie Zeit! Und dann sagen vielleicht Eltern: 1000 Musiktitel mit Interpreten und allen Daten hast du im Kopf, aber 20 Vokabeln kannst du dir nicht merken! Oder ein Ehepartner sagt: mit einem Haufen Leuten redest du den ganzen Tag lang, aber wenn ich mal mit dir sprechen will, dann bist du zu müde! Und jedes Mal ist das der Vorwurf: du trachtest nach den falschen Dingen, und das zeigt sich daran, wofür du deine Energie aufwendest.

Paulus will, dass wir unsere Energie einsetzen, um in diesem geistliche Kampf in die Offensive zu gehen. Wenn Christus in euch lebt, dann gebt euch damit nicht zufrieden, sondern sorgt dafür, dass sich das an immer mehr Stellen zeigt. Und von da ab beschreibt Paulus konkret, welche Verhaltensweisen uns mit der alten Welt, mit dem alten System verbinden:

Tötet alles, was an euch noch irdisch ist: Unzucht, Ausschweifung, Leidenschaft, böse Lust und die Habsucht. Habsucht ist soviel wie Götzendienst. 6 Wegen dieser Dinge kommt das Gericht Gottes.

Mit Töten ist hier nicht gemeint, dass man bestimmte Bußübungen praktizieren soll. Das wären ja gerade die religiösen Ersatzleistungen. Wir sollen uns nicht auf Scheinprobleme stürzen. Es geht um ein Nein zu realen Verhaltensweisen und Lebenseinstellungen.

Das sind einmal Verhaltensweisen aus dem Umkreis des Habenwollens und Sich-Durchsetzen-Wollens. Es gibt eine Grundeinstellung zum Leben, die sagt: ich muss grundsätzlich mehr haben, und das möglichst sofort. Und das muss ich unbedingt haben. Ich werde alles tun, um meinen Willen zu bekommen. Die Welt und meine Mitmenschen sind für mich eine Zitrone, und ich presse sie aus, bis nichts mehr drin ist.

Konkret nennt Paulus die Sexualität und das Geld als zwei Bereiche, in denen Menschen besonders gefährdet sind, keine Grenzen zu akzeptieren. Geld und Sex bedeuten für viele Menschen: hier ist das wahre Leben. Je mehr ich davon habe, um so mehr Leben habe ich. Um so wohler und erfüllter fühle ich mich, und ich werde das mit aller Kraft anstreben.

Und in Wirklichkeit ist das eine Frage nach dem Vertrauen. Glaube ich, dass ich einen Vater im Himmel habe, der mich versorgen wird mit wahrem Leben und mit allem was ich brauche?

Verstehen Sie, ein Mensch kann das in seinem verborgenen geistlichen Leben glauben und trotzdem äußerlich immer wieder seine Umwelt auspressen. Das ist zwar nicht logisch, aber es passiert. Und zwar ziemlich häufig. Wir tragen in uns diesen Widerspruch, und der erste Schritt, das zu ändern, besteht darin, dass wir es wahrnehmen: Wir sind Leute, die gefährdet sind, uns mit aller Gewalt das unter den Nagel zu reißen, was wir unbedingt haben wollen. Und wenn es nicht um Geld und Sex geht, dann um Liebe oder Beachtung oder Bewunderung oder Rechthaben oder was sonst noch.

»Auch ihr habt früher entsprechend gelebt, als ihr noch ganz dem Irdischen verhaftet wart« schreibt Paulus dann weiter. »Aber jetzt müsst ihr das alles ablegen, auch Zorn und Aufbrausen, Boshaftigkeit, Beleidigung und Verleumdung.«

Das ist die Kehrseite des Unbedingt-Haben-Wollens: wenn ich es nicht kriege, dann mache ich Ärger. Dann mache ich Leute runter, oder ich rede schlecht über sie. Dann werden sie sich in Zukunft in acht nehmen und sich hüten, etwas zu tun, was mir nicht gefällt. Aber dahinter steckt nicht nur diese taktische Überlegung. Dahinter steckt der verborgene Groll auf die Welt, die nicht so ist, wie ich es mir wünschen würde, und der Groll auf Gott, dass er mir doch nicht das gibt, was ich haben will. Und dieser Groll in der menschlichen Seele kommt dann raus in hässlichem Reden und in hässlichen Augenblicken. Und Paulus sagt: lasst es sein! Alle Verhaltensweisen, die wir wiederholen, die werden stärker.

Es gibt also zwei Stufen der Gegenmaßnahme: auf der ersten Stufe geht es schlicht darum, etwas äußerlich zu lassen. Dafür sind die äußerliche Regeln da, die ich selbst beachte oder die andere gegenüber mir durchsetzen. Das ist noch nicht die Heilung, aber das ist der Anfang.

Im zweiten Schritt geht es dann darum, dass ich in mir dieses Misstrauen erkenne und es wahrnehme, was in mir steckt. Es geht nicht darum, mich runterzumachen oder auf mir rumzutrampeln. Es geht um die Wahrnehmung, um die Wahrheit. In dem Moment, wo ich das sage: ja Gott, ich sehe, dass in mir das Habenwollen steckt, der Zorn, die Wut, dass es nicht so ist, wie ich es möchte, ich sehe mein Misstrauen, ob du mir schenken wirst, was ich brauche. Aber ich will es anders! – das ist ein Signal an Gott, eine rote Taschenlampe, wir ziehen seine Aufmerksamkeit auf uns, und er sendet den Heiligen Geist, um uns zu heilen.

Und die Kraft dieser Regungen wird gebrochen werden und Vertrauen ein Stück mehr unser Herz erfüllen.