Bis zum Schluss motiviert bleiben

Predigt am 16. März 2008 zu Hebräer 12,1-3

1 Wir sind also von einer großen Schar von Zeugen umgeben, deren Leben uns zeigt, dass es durch den Glauben möglich ist, den uns aufgetragenen Kampf zu bestehen. Deshalb wollen auch wir – wie Läufer bei einem Wettkampf – mit aller Ausdauer dem Ziel entgegenlaufen. Wir wollen alles ablegen, was uns beim Laufen hindert, uns von der Sünde trennen, die uns so leicht gefangen nimmt, 2 und unseren Blick auf Jesus richten, den Wegbereiter des Glaubens, der uns ans Ziel vorausgegangen ist. Weil Jesus wusste, welche Freude auf ihn wartete, nahm er den Tod am Kreuz auf sich, und auch die Schande, die damit verbunden war, konnte ihn nicht abschrecken. Deshalb sitzt er jetzt auf dem Thron im Himmel an Gottes rechter Seite. 3 Wenn ihr also in der Gefahr steht, müde zu werden, dann denkt an Jesus! Wie sehr wurde er von sündigen Menschen angefeindet, und wie geduldig hat er alles ertragen! Wenn ihr euch das vor Augen haltet, werdet ihr nicht den Mut verlieren.

Es ist ganz schön schwer, beim Sport zu gewinnen, wenn die Zuschauer alle den Gegner anfeuern. Ob das nun Fußball ist, oder ob man, wie hier in diesem Text, an einen Langstreckenlauf denkt: wenn alle gegen einen sind, dann braucht man ganz schön viel an emotionaler Kraft, um bis zum Ende durchzuhalten.

Der Hebräerbrief wendet dies Bild vom Bild vom Langstreckenlauf auf das Leben, besonders das christliche Leben an. Langstreckenläufe haben ihre eigenen Regeln, da geht es nicht darum, wie bei einem Sprint kurzfristig eine Höchstleistung zu entwickeln. Da geht es nicht um jede Hundertstelsekunde. Sondern da ist entscheidend, dass man seine Kraft gut einteilt, und dass man mental durchhält auf der Strecke. Bei einem Langstreckenlauf nützt es gar nichts, wenn man am Anfang eine tolle Leistung hinlegt, aber dann auf den letzten 1000 Metern schlapp macht.

Und im Leben ist es genauso. Vielleicht beeindruckt die Zuschauer ein starker Spurt am Anfang, aber was am Ende zählt, das ist, ob einer sein Ziel erreicht. Was ist das Ziel? Dass einer sein ganzes Leben lang von Jesus geprägt wird, dass er die ganze Distanz seines Lebens immer weiter wächst in Glauben, Liebe und Hoffnung, und dass er in allen Lebensaltern die neue Welt Gottes widerspiegelt. Dass er seine Zugehörigkeit zu Jesus bis an sein Lebensende lebendig erhält, dass er nicht von irgendwelchen Erinnerungen an eine heroische Aufbruchszeit lebt, sondern dass diese Wirklichkeit des neuen Lebens bei ihm Jahr für Jahr stärker und deutlicher wird.

Man kann das ja manchmal beobachten, dass Menschen einen enthusiastischen Start haben und irgendwann reicht der Schwung nicht mehr aus und sie enden in Routine und Erschöpfung und Langeweile. Als Tiger gesprungen, als Bettvorleger gelandet, wie man so schön sagt. Das passiert in Ehen und Partnerschaften, das passiert im Beruf, das geht Künstlern so, denen die Inspiration ausgeht, und auch die, die Jesus nachfolgen wollen, sind davor nicht sicher. Motivationskrise nennt man das dann.

Aber der Hebräerbrief sagt an dieser Stelle entschieden: Nein, so muss das überhaupt nicht sein. Es ist kein Naturgesetz, dass man im Laufe des Lebens immer mehr dieses leicht depressive Gefühl bekommt, dass das Wichtigste schon gelaufen ist, und dass man jetzt nur noch ein paar milde goldene Oktobertage zu erwarten hat. Natürlich werden wir im Lauf der Zeit ein bisschen wackliger auf den Beinen, da geht die Kraft zurück, aber an diesem entscheidenden Punkt des Wachstums einer geistlichen Persönlichkeit, da soll es bis zuletzt vorangehen. Es muss nicht sein, dass man irgendwann nur wehmütig zurückschaut auf den Enthusiasmus der Jugendjahre.

Hier im Hebräerbrief stehen einige Hinweise, was man dafür tun kann. Und man hat den Eindruck, dass die Leute, die das lesen sollten, damals mindestens in Gefahr waren, in eine Motivationskrise zu geraten. Deshalb gibt es ein paar Ratschläge für das mentale Durchhalten, wie man es heute vielleicht nennen würde.

Der erste Rat:

Denk an die anderen, die es schon geschafft haben. Im Kapitel vorher gibt es eine lange Liste von Menschen, die uns auf diesem Weg vorausgelaufen sind. Abraham zum Beispiel. Wie lange hat der warten müssen, bis er den von Gott verheißenen Sohn bekommen hat! Ich glaube, er hat ungefähr 50 Jahre lang durchhalten müssen. Er hat zwischendurch auch Dinge falsch gemacht, aber was zählt, das ist: er hat durchgehalten. Gerade am Ende seines Lebens liegen einige seiner stärksten Augenblicke. Und wenn man daran denkt, dann versteht man: es ist möglich, ein ganzes Leben im Vertrauen auf Gott zu gestalten und auch am Schluss noch lebendig zu bleiben und zuzulegen.Deswegen ist es so inspirierend, Bücher zu lesen oder Filme zu sehen über Menschen, die uns vorausgegangen sind und durchgehalten haben. Wenn man z.B. an die Christen denkt, die vor 200 Jahren in England dafür gekämpft haben, dass der Sklavenhandel verboten wird. Jahrzehnte hat das gedauert. Was haben die sich nicht alles anhören müssen: das sie das Land in den Ruin treiben, dass Gerechtigkeit ein schöner Traum ist, der an den ökonomischen Realitäten scheitern muss, dass es schon immer so war, dass die Sklaverei schon in der Bibel steht, dass sie lieber gleich aufgeben sollten, weil es zwecklos ist. Aber sie haben durchgehalten und am Ende Erfolg gehabt.

Es ist ein bisschen unklar, ob der Hebräerbrief hier daran denkt, das unsere ganzen Vorgänger hier so eine Art unsichtbares Publikum sind, das uns anfeuert, nicht aufzugeben, oder ob sie mit ihrem Leben einfach Beweise dafür sind, dass es möglich ist, durchzuhalten und die Motivation bis zum Ende frisch zu halten. Beide Gedanken sind inspirierend: dass da viele andere uns zuschauen und Anteil nehmen und hoffen, dass wir genauso wie sie gegen alle Widerstände durchhalten. Und dass es ganz viele Beispiele dafür gibt, wie Menschen bis an ihr Lebensende kämpfen und wachsen und denen auch die wachsende Lebensweisheit nicht die Leidenschaft raubt. Dass es möglich ist, ein ganzes Leben lang Jesus nachzufolgen, gegen den Strom zu schwimmen und dabei nicht müde zu werden. Ja, im Laufe der Zeit werden ja die Eigenarten eines Menschen oft immer deutlicher, im Guten wie im Bösen, und so müsste eigentlich mit wachsendem Lebensalter diese Prägung durch Jesus immer deutlicher werden. Und tatsächlich erlebt man das mit Menschen, deren Liebe zu Jesus ein leben lang lebendig geblieben ist und sich weiterentwickelt hat, dass sie auch bis ins hohe Alter frisch und beweglich bleiben.

Der zweite Rat:

Legt alles ab, was euch dabei behindert. Trennt euch von der Sünde, die euch die Kraft raubt. Niemand würde freiwillig in einer Ritterrüstung zum Marathon antreten. Oder mit einem Rucksack voller Steine. Und so gibt es Gewohnheiten, die einem langsam, aber stetig die Motivation rauben. Und wirklich gefährlich sind nicht die großen Ausrutscher, die man schnell merkt, sondern die kleinen Fehlhaltungen, die sich Tag für Tag einschleichen. Bei einem Langstreckenlauf kommt es auf die Gewohnheiten an, die man eingeübt hat. Der Trainer hat einem nicht ohne Grund immer wieder gesagt, dass man auf seinen Atem achten soll.

Langfristig ist ein einmaliger dummer Ausrutscher viel weniger problematisch als eine Stunde mehr Fernsehen am Tag oder wenn man sich daran gewöhnt, Probleme mit einer kleinen Notlüge aus der Welt zu räumen, oder wenn man Chaos in seiner Terminplanung zulässt, oder wenn man schnell beleidigt ist, oder wenn man ein bisschen zu sehr abhängig ist von dem, was die anderen denken und sagen, oder ein bisschen zu sehr abhängig ist von gutem Essen und Trinken.

So richtig schief gehen tut auch immer wieder mal was, wir werden immer mal einen schlechten Tag haben, wo wir nicht auf der Höhe unserer Möglichkeiten sind und dann auch versagen, aber das ist viel weniger problematisch als die ganz unspektakulären, unauffälligen Gewohnheiten, die uns Tag für Tag daran hindern, unser volles Potential zu entfalten, und die uns manchmal auch unmerklich von Jesus wegbringen. Was für ein Mensch du wirst und wie dein Lebenslauf am Ende ausgeht, das entscheidet sich vor allem an deinen Gewohnheiten und Grundhaltungen, die du auf täglicher Basis praktizierst. Wenn du es schaffst, etwas kleines Gutes regelmäßig zu tun, ist das ein gewaltiger Sieg. Aber andersherum funktioniert es auch. Und deshalb ist es so wichtig, die Gewohnheiten regelmäßig kritisch zu überprüfen. Und es ist gerade deshalb so schwer, weil sie uns so normal und selbstverständlich erscheinen.

Der dritte Rat:

orientiert euch immer wieder an Jesus und an seiner Praxis. Der gibt das Niveau vor. Der hat es geschafft, auch gegen alle Entmutigung und alle Anfeindung seinen Weg bis zum Ende zu gehen. Auch Jesus ist nicht gekommen und sofort ans Kreuz gegangen, sondern auch bei ihm ist das in drei Jahrzehnten unauffälligen Lebens vorbereitet worden. Er ist rtegelmäßig und die Synagoge gegangen, er hat in der Biebel gelebt, er hat gebetet, er ist regelmäßig mit Menschen zusammen gewesen, denen das Reich Gottes am Herzen lag. Und dann kamen noch einmal drei Jahre der öffentlichen Wirksamkeit, wo er im Scheinwerferlicht stand, und dieses grelle Scheinwerferlicht deckt unbarmherzig alle Schwächen auf, das können wir immer wieder in den Zeitungen mitverfolgen. Und es gab viele, die nur darauf warteten, dass er etwas tat, woraus sie ihm einen Strick drehen konnten. Und nach all diesen Jahren war er dann so weit, dass er auch das Schlimmste auf sich nehmen konnte, das Menschen anderen Menschen antun: das Kreuz.

An Jesus wird ein Zusammenhang deutlich, der in unserer beschädigten Welt nach dem Sündenfall immer wieder greift: wer hier ein – göttliches Leben leben will, der wird zuerst und zuletzt und auch zwischendurch immer wieder auf Widerstand stoßen. Diese Welt unterstützt keine Versuche, von Gott her zu leben. Mindestens nicht so schnell. Das Verrückte ist, dass das langfristig schon einen enormen Effekt hat. Langfristig hat keiner die Welt so verändert wie Jesus, aber kurzfristig hat ihn das ins Grab befördert.

Und deswegen ist es so wichtig, dass wir von Jesus lernen, durchzuhalten, keine Abkürzungen zu nehmen, uns auf Widerstand einzurichten, uns nicht entmutigen zu lassen und darauf zu vertrauen, dass Gott am Ende siegt, in unserem Leben, in der Welt, durch uns und durch viele andere. Und auch da wieder nicht so sehr in den Spitzenerfahrungen – die wird es auch geben – sondern Tag für Tag.

Der königliche Mensch

Das ist ja gerade die Spitze des Evangeliums, dass der nach menschlichen Maßstäben gescheiterte Jesus nun der Herr ist, dem Gott alle Macht gegeben hat im Himmel und auf der Erde. Er ist der wirkliche Regent dieser Welt, keiner bewegt sie so wie er. Aber das war nur möglich, weil er gegen alle Widerstände und Anfeindungen an seinem Weg festgehalten hat, auch trotz allem Gegenwind, trotz Qual und Tod. Bis zum Ende hat er auf Gottes Art gelebt. Damit hat er alle Mächte des Bösen und alle Mächte der Zerstörung besiegt. Denn die leben davon, dass wir denken, es gäbe keine Alternative. Die Kraft der Todesmächte besteht zentral darin, dass sie uns auf ihr Niveau herunter ziehen. Dass wir glauben, es gäbe nichts anderes. Der Teufel stellt sich so dar, als ob er die einzig realistische Möglichkeit wäre. Aber als Jesus die Alternative Gottes gelebt hat, da hat er vor aller Augen demonstriert, dass das nicht stimmt. Und so hat er die Mächte bloßgestellt und damit entmachtet. Wir haben jetzt ein anderes Niveau, an dem wir uns orientieren können.

Jesus ist das Urbild des königlichen Menschen, der in dieser Welt die Herrschaft antritt, die uns von Anfang an zugedacht war, und die Adam und Eva verspielt haben. Und man merkt das bei ihm schon sein ganzes Leben lang. Heute diese Szene, die wir in der Lesung vorhin gehört haben (Joh. 12,12-19), wie er in einer königlichen Geste in Jerusalem einzieht, da wird etwas deutlich von der Autorität, die ein königlicher Mensch auch in dieser beschädigten Welt noch hat. Seine Heilungen und Wunder. Alles Zeichen, dass die Welt doch noch nach ihrer ursprünglichen Logik funktioniert, wenn man nur richtig mit ihr umgeht. Und dann am Ende das ultimative Zeichen, die Auferstehung: ja, der Weg Jesu war richtig, Gott hat ihn bestätigt. Ja, er ist jetzt der Herr im Himmel und auf Erden.

Mit all dem hat Jesus einen Raum geöffnet, in dem wir auf seinen Spuren gehen können. So wie irgendwer zum ersten mal einen Achttausender besteigt, und dann wissen die anderen die Route und wissen dass es geht, und es ist immer noch schwer genug, aber dann kommen die anderen nach. Aber vorher muss der Durchbruch kommen, dass es einer wagt und zeigt: ja wirklich, so geht es.

Wir lernen an Jesus, dass es darum geht, bis zum Ende durchzuhalten, den Langstreckenlauf des Lebens auch wirklich ganz zu laufen und nicht auf halber Strecke aufzuhören und sich zur Ruhe zu setzen. Möglichst früh die ganze Distanz im Blick zu haben. Aber wenn einer schon viele Jahre hinter sich hat, dann ist es immer noch richtig, die Zukunft so in den Blick zu nehmen. Dann lohnt es sich immer noch, auf sich und seine täglichen Gewohnheiten zu achten. Zu wissen, dass es immer wieder Gegenwind gibt, Zuschauer, die die Gegner unterstützen; aber auch Unterstützer, die uns die Daumen drücken, im Himmel und auf der Erde, Momente des Sieges und der Bestätigung zwischendurch. Aber entscheidend ist, am Ende das Ziel zu erreichen. Ein ganzes Leben so zu leben, dass Gott daraus einen Baustein der kommenden Welt machen kann. Das ist der ultimative Sieg Jesu in unserem Leben, und dafür sollen wir zu allen Mitteln greifen, die unsere Motivation frisch halten.