Männer sind anders – Frauen auch

Predigt im Besonderen Gottesdienst am 13. Mai 2001 zu Galater 3,26-28

In diesem Besonderen Gottesdienst war auch eine Theaterszene zu sehen, in der das Verhältnis des Paulus zu Frauen durch die Grußliste aus dem Römerbrief anschaulich wurde.

26 Ihr alle seid jetzt mündige Söhne und Töchter Gottes – durch den Glauben und weil ihr in engster Gemeinschaft mit Jesus Christus verbunden seid.
27 Denn als ihr in der Taufe Christus übereignet wurdet, habt ihr Christus angezogen wie ein Gewand.
28 Es hat darum auch nichts mehr zu sagen, ob ein Mensch Jude ist oder Nichtjude, ob im Sklavenstand oder frei, ob Mann oder Frau. Durch eure Verbindung mit Jesus Christus seid ihr alle ein neuer Mensch geworden.

Dass es Männer und Frauen gibt, das gehört zu den elementaren Grundlagen des menschlichen Daseins. Das ist für uns so selbstverständlich, dass wir meistens gar nicht gross darüber nachdenken. Aber im Grunde ist es keine Selbstverständlichkeit, dass es zwei unterschiedliche Ausgaben der Gattung Mensch gibt. In der Schöpfungsgeschichte wird das an einer Stelle ausdrücklich thematisiert, als Gott zuerst nur einen Menschen schuf, und dann nach kurzem Überlegen sagt: »Es ist für den Menschen nicht gut, allein zu sein.« Es ist nicht gut für den Menschen, als eine Art isolierter Robinson zu existieren. Wir wissen alle, wie leicht Menschen Sonderlinge werden, wenn sie allein leben und wenig Kontakt zu anderen haben. Und wir wissen auch, was für ein merkwürdiges Klima sich oft dort entwickelt, wo immer nur Männer oder nur Frauen unter sich sind. Als Abhilfe dagegen erschafft Gott dann für den Menschen das Gegenüber, die andere Sorte Mensch, und dann existiert der Mensch in dem spannungsreichen und dynamischen Gegenüber von männlich und weiblich.

Und es ist ja eigentlich logisch, wenn diese beiden Ausgaben der Sorte Mensch dann auch irgendwie unterschiedlich sind, sonst brauchte man ja nicht diese unterschiedlichen Versionen. Allerdings, was denn nun die Unterschiede sind, darüber haben sich Scharen von Denken genauso den Kopf zerbrochen wie die ganz normalen Menschen, die einfach nur stöhnen: Diese Frauen! Diese Männer! Verstehe die wer anders, ich verstehe sie nicht! Und so gibt es dann viele Vorschläge, wie diese Unterschiede zu beschreiben sind. Wir haben am Anfang die Szene mit den beiden Dolmetschern gesehen, wo ja etwas über den eher weiblichen und den eher männlichen Kommunikationsstil deutlich wurde. Die Theorie dahinter ist: Frauen sind eher an Kommunikation interessiert, an der Herstellung und Aufrechterhaltung von Beziehungen, Männer sind eher aufgabenorientiert und lösen Probleme lieber allein. Es gibt eine ganze Menge Vorschläge, die die Unterschiede zwischen Männern und Frauen ungefähr in dieser Richtung sehen: Männer stehen eher für Distanz, Frauen für Nähe. Männer sind eher technisch orientiert, Frauen eher kommunikativ. Frauen stehen mehr für das Gefühl, Männer mehr für den Verstand. Die Schwierigkeit bei all diesen Einteilungen ist, dass es im konkreten Einzelfall auch immer anders herum sein kann, und dass natürlich diese Theorien auch dazu führen, dass Menschen in diesem Sinn geprägt und erzogen werden. Und im Normalfall stehen jedem von uns eher männliche und eher weibliche Verhaltensmuster zur Verfügung, nur die Schwerpunkte unseres Verhaltens liegen unterschiedlich. Und die Völkerkundler haben aus allen Teilen der Welt immer wieder von den verschiedensten Arbeitsteilungen zwischen den Geschlechtern berichtet, es gibt eigentlich fast nichts, was es nicht gibt.

In der Schöpfungsgeschichte gibt tatsächlich keinerlei Typologie nach dem Muster: Frauen sind so und Männer sind so. Das einzige, was da zu lesen ist, ist die pure Tatsache, dass Gott den Menschen als Mann und Frau schuf. Erst als Adam und Eva aus dem Paradies vertrieben werden, hören wir zum ersten Mal etwas über ihr künftiges Zusammenleben. Gott sagt zu Eva »Es wird dich zu deinem Mann hinziehen, aber er wird über dich herrschen.« Das ist keine Norm in dem Sinne, dass Gott sagt: Du, Frau unterwerfe dich, und du, Mann, herrsche über sie! Sondern es ist eine schlichte Voraussage, wie es nun, nach dem Sündenfall, sein wird: Frauen werden sich nach Nähe zum Mann sehnen, und Männer werden eine kühle, herrscherliche Distanz aufrechterhalten. Und, so ist es gemeint, das ist für beide nicht gut, aber vor allem die Frauen werden es spüren. Die Herrschaft des Mannes über die Frau ist biblisch gesehen keine Norm, sondern ein Verhängnis.

Diese Voraussage wird ja ausgesprochen in einem Atemzug mit der Voraussage, dass Kinder unter Schmerzen zur Welt gebracht werden und dass man sich in Zukunft mit Mühe und Arbeit sein Brot verdienen wird. Das sind alles keine schönen Dinge. Und, vor allem, sie sind nicht das, was Gott sich mal vorgestellt hat, als er Männer und Frauen schuf. Es war nicht in Gottes Sinn, dass das Verhältnis von Männern und Frauen so problematisch wird. Er hatte es ja gerade als Problem empfunden, wenn der Mensch allein ist, und hatte sich als geniale Problemlösung die beiden Geschlechter einfallen lassen.

Wenn wir also sehen wollen, wie denn nun Männer und Frauen in ihrem Miteinander wirklich gemeint sind, dann können wir das nicht in irgendeiner paradiesischen Vergangenheit ablesen. Da kommen wir nicht mehr hin zurück. Aber wir können es erkennen an der Art, wie die beiden Geschlechter im Umfeld Jesu miteinander umgegangen sind. Jesus hat ja den ursprünglichen Willen Gottes wieder zur Geltung gebracht. Das gilt auch für das Miteinander der Geschlechter.

Und wir sehen bei ihm und in seiner Umgebung zunächst einmal einen sehr freien und vertrauten Umgang zwischen Männern und Frauen. Man muss sich ja immer vor Augen führen, dass damals die Welten der Männer und der Frauen eigentlich streng getrennt waren. Wenn die Männer aßen, dann blieben die Frauen draußen. Bei Jesus ist dagegen bemerkenswert, wie er ganz selbstverständlich diese Grenze überschreitet. Es gibt viele Geschichten davon, wie Frauen im Vertrauen auf ihn in eine Männergesellschaft hineinplatzen, und die werden dann schief angesehen, aber Jesus stellt sich schützend vor sie. Oder diese kurze Notiz, die ich vorhin als Evangelium vorgelesen habe, von den Frauen die Jesus gemeinsam mit den Jüngern begleiteten, das ist ein Hinweis auf eine ganz neue Art, wie die miteinander umgingen. z.B. die Johanna, die eigentlich zu ihrem Mann Chuzas an den Hof des Herodes gehört hätte, und die dieses ganze Leben in Luxus und Intrigen hinter sich lässt, um stattdessen als Jüngerin Jesu zu leben. Und ich denke, da war für sie auch anziehend, dass sie da voll gefordert war und sich nicht als Luxusweibchen bei Hof durch ihre ihre Tage langweilen musste.

Deswegen haben wir hier auch versucht, so einen selten gelesenen Text wie die Grußliste des Römerbriefs zu spielen, so weit man das kann. Einfach, weil man an so alltäglichen merkt, wie eng da Männer und Frauen zusammengehören und zusammenarbeiten. Und Paulus formuliert dann etwa im Galaterbrief, was diese Erfahrung eigentlich bedeutet: »Als ihr getauft wurdet, habt ihr Christus angezogen« wie ein Gewand. »Deswegen ist jetzt nicht mehr Jude oder Nichtjude, Sklave oder Freier, Mann oder Frau«. Das bedeutet, diese ganzen Unterschiede sind noch da, aber sie sind sozusagen überdeckt von der neuen Wirklichkeit, dass sie alle zu Jesus Christus gehören. Zwischen Männern und Frauen, Sklaven und Freien, Juden, Griechen und Barbaren verliefen die entscheidenden Trennungslinien der antiken Welt. Aber Paulus sagt: die spielen keine Rolle mehr, die sind übermalt von dieser neuen Wirklichkeit »in Christus«. Und alle, die dazugehören, die stehen füreinander ein, die riskieren auch das Leben füreinander, die bleiben verbunden, weil sie mit Jesus verbunden sind. Gegenüber solchen Erfahrungen sind die alten Einteilungen bedeutungslos. Nicht mehr Sklaven oder Freie, nicht mehr Männer oder Frauen, sondern alle sind eins in Christus.

Diese ganzen natürlichen oder historischen Unterschiede zwischen Menschen, die führen in unserer von Misstrauen geprägten Welt schnell dazu, dass Menschen sich argwöhnisch, fremd und feindlich gegenüberstehen. Wir erleben das etwa an der Unterschieden zwischen Ausländern, Aussiedlern und Einheimischen oder auch zwischen den Rassen. Und mit all diesen Unterschieden kann man kreativ umgehen oder man kann sie zu einer Quelle von Feindschaft und Gewalt werden lassen.

Ganz genauso kann man die Unterschiede zwischen den Geschlechtern zu einer Quelle des Reichtums und der Fülle werden lassen, man kann aber auch das Misstrauen an dieser Front stärken. Man auf sehr kaputte Weise Mann sein und auf sehr kaputte Weise Frau sein. Das sieht dann jeweils anders aus, ist aber beides nicht zu empfehlen. Es geht nicht darum, dass die Unterschiede verblassen und Männer weiblicher und Frauen männlicher werden, und der ewige Disput, welches Geschlecht eigentlich das Bessere ist, ist sinnlos. Es kommt darauf an, dass wir auf erlöstere Weise als Männer und Frauen leben. Es kommt darauf an, dass auch dieses schwierige Verhältnis Jesus unterstellt wird und von ihm geheilt wird. Es kommt darauf an, dass über die Geschlechtergrenze hinweg Begegnung und Gemeinschaft entsteht, und die Basis dafür ist die Erlösung, die uns auf den Weg bringt, als befreite Frauen und Männer ein solidarisches Miteinander zu finden.

Paulus hat Männern und Frauen zugesagt, dass sie durch den Glauben erbberechtigte Söhne Gottes werden. Er hat an dieser Stelle nicht von den Töchtern Gottes gesprochen, weil das damals für niemanden attraktiv gewesen wäre. Töchter konnten nicht erben, Töchter waren Kinder zweiten Ranges. Wenn Paulus sagt, dass auch die Christinnen Söhne Gottes werden, dann hat man damals sehr gut verstanden, dass sie in Gottes Augen keinen geringeren Rang haben und auch in der Gemeinde vollen Anteil haben an der Freude, an der Verantwortung und an den Gefahren der Nachfolge Jesu. Heute denken wir zum Glück anders über Töchter, und das hat seinen Grund eben auch in dieser Entdeckung eines neuen Verhältnisses zwischen den Geschlechtern im Umfeld Jesu. Deswegen kann man heute von den Söhnen und Töchtern Gottes sprechen.

Es geht darum auf erlöste Weise Mann zu sein und auf erlöste Weise Frau zu sein. Genauso, wie es eine erlöste und eine unerlöste Art gibt, Deutscher, Türke, Millionär, Sozialhilfeempfänger oder Polizist zu sein. Es gibt so viele Grenzen in der Welt, an denen wir uns orientieren und die uns verwirren. Aber die entscheidende Grenze ist die Frage: wie lebst du das, was du bist? Kommt Jesus da heran, um es zu erlösen, und stellst du dich mit allem, was du bist, in die Nachfolge Jesu? Dann haben die ganzen Abgrenzungen, an denen so oft nur Misstrauen und Feindschaft entsteht, ihre Macht verloren.