Mit Hoffnung in die Zukunft gehen

Predigt am 24. September 2000 (Abschlussgottesdienst der Ilseder KirchenGemeindeTage) mit 1. Petrus 1,3-4 und 3,15

1,3 Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus! In seinem großen Erbarmen hat er uns neu geboren und mit einer lebendigen Hoffnung erfüllt. Diese Hoffnung gründet sich darauf, dass Jesus Christus vom Tod auferstanden ist. 4 Sie richtet sich auf das neue Leben, das Gott schon jetzt im Himmel für euch bereithält als einen Besitz, der niemals vergeht oder verdirbt oder aufgezehrt wird.

3,15 Christus allein ist der Herr; haltet ihn heilig in euren Herzen und weicht vor niemand zurück! Seid immer bereit, Rede und Antwort zu stehen, wenn jemand fragt, warum ihr so von Hoffnung erfüllt seid.

Offensichtlich sollen Christen auffallen, weil sie in besonderem Maß von Hoffnung erfüllt sind. Das soll so offensichtlich sein, dass andere Menschen aufmerksam werden und nachfragen, und für diesen Moment sollen Christen gerüstet sein, dass sie dann nicht sagen: ach, ich war schon immer ein sonniger Charakter, schon als Baby habe ich alle begeistert angelächelt – sondern dass sie vorbereitet sind, dann zu sagen: ich erwarte etwas von Jesus Christus, deshalb schaue ich mit fester Erwartung nach vorn.

Im ersten Petrusbrief wird die Hoffnung als Gabe Gottes ganz besonders herausgestellt. Schon gleich am Anfang heißt es, dass Gott die Christen wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung, als Hoffnungszeichen: ein lebendiger Hinweis darauf, dass Gott noch etwas Entscheidendes vorhat mit der Welt. Sie sind eine lebendige Erinnerung an die die Auferstehung Jesu, sie sind das Zeichen für die Kraft, mit der Gott diese Welt einmal völlig neu gestalten wird. Sie verkörpern die Alternative Gottes.

Aber es sind nicht irgendwelche Christen irgendwo weit weg, über die da geschrieben wird, sondern da steht: wir sind zu einer lebendigen Hoffnung wiedergeboren! Und: Redet über die Hoffnung, die in euch ist! Wir sind es, die in dieser Welt Hoffnungszeichen sind, wir sind der Hinweis, der an die Kraft Gottes erinnern soll.

Da geht es um dieselbe Sache, die Jesus im Auge hatte, als er sagte: ihr seid das Licht der Welt! Ihr seid das Salz der Erde! Ihr seid das Konservierungsmittel, ohne das die Welt verfaulen würde, ihr seid das Licht, ohne das die Welt orientierungslos im Dunkeln tappen würde. Und so wie dann der 1. Petrusbrief fortfährt: nun lasst diese Hoffnung auch wirksam werden! So sagt Jesus genau an dieser Stelle: wenn das Salz seine Kraft verliert, wenn es seine Funktion nicht mehr ausfüllt, womit soll man dann noch salzen?

Das bedeutet: Diese Wertschätzung als Salz der Erde und als lebendige Hoffnung ist kein Titel, auf dem man sich bequem ausruhen könnte, sondern es ist eine Funktion, eine Aufgabe, und wir werden den Titel nicht behalten, wenn wir diese Funktion nicht auch praktisch ausfüllen.

Das ist ja der eigentliche Grund, weshalb die Menschen manchmal so enttäuscht von der Kirche sind und dann auch ärgerlich reagieren: dass wir angeblich etwas besonderes sein sollen, aber sie finden das nicht, sie finden diese Hoffnung nicht, die ihnen bei uns versprochen wird. Ok, sie haben da sicher auch oft nicht geduldig gesucht, aber in ganz vielen Fällen ist diese Enttäuschung ja leider echt und berechtigt gewesen.

Es ist eine völlig berechtigte Erwartung, bei den Christen, bei uns Zeichen der Hoffnung zu finden, Hinweise darauf, dass es noch einmal ganz anders zugehen könnte in der Welt, dass Gott nicht aufgehört hat, seine Schöpfung zurückzurufen zu sich, und dass er eines Tages damit an sein Ziel kommen wird.

Hoffnung ist nun aber nicht bloß ein optimistisches Gefühl im Herzen, sondern Hoffnung ist eine Lebenshaltung. Nicht umsonst werden Christen eine »lebende Hoffnung« genannt. Unsere ganze Art zu leben soll die Hoffnung auf das gute Ende dieser Welt widerspiegeln. Jesus brachte nicht nur eine Lehre, obwohl er viel gelehrt hat, er brachte nicht nur eine neue Einstellung, obwohl sich durch ihn die Grundeinstellung unzähliger Menschen entscheidend geändert hat. Er brachte eine neue Lebensweise, zu der Lehre und Grundeinstellungsänderungen gehören, aber es war integriert in eine ganze Lebenspraxis, die mit allem an das kommende Reich Gottes erinnert.

Das ist gemeint mit »lebender Hoffnung«: Menschen, in denen Jesus lebt, und die so die Alternative Gottes verkörpern. Und mit gelebten, täglichen Hoffnungszeichen erinnern sie an die große Zukunft der Welt. Die Kraft der Auferstehung setzt sich diesseits des Himmels um in ein erneuertes, zuversichtliches Leben.

Deshalb sind wir diejenigen, die alles, was passiert, abklopfen auf die Chancen, die darin stecken. Wir sind diejenigen, die am wenigsten Anlass haben, sich Sorgen zu machen, wir sollten am stärksten der Zukunft zugewandt sein, am wenigsten ängstlich, wenn sich die Dinge ändern. Was wir heute am Anfang gesehen haben in der ersten Szene, diese Schreckensvision vom Computer, der sich zum Herrn über die Kommunikation dieses Ehepaares macht, das ist doch noch nicht einmal die halbe Wahrheit. Zur Wahrheit gehört mindestens auch noch die Pfiffigkeit, die Menschen in solchen Lagen entwickeln, wo sie dann eben nach dem Gebissreiniger greifen und sich nicht die Butter vom Brot nehmen lassen. Computer können uns je nur beherrschen, wenn wir es ihnen erlauben, und auch der frechste Computer trägt doch nur die Charakterzüge seines menschlichen Erfinders. Zur Wahrheit gehört auch, dass Menschen enorme Energie und Erfindungsreichtum haben.

Am vergangenen Sonntagnachmittag, als wir in der Gebläsehalle über die Zukunft und Vergangenheit unserer Region sprachen, da hat uns der Historiker Dr. Schneider ja davon erzählt, was das für Umbruchzeiten waren, damals, 1850, 1860, als die Hütte hier gegründet wurde. Wie die Menschen herausgerissen wurden aus den alten Verhältnissen, wie sie weit herumwanderten, um Arbeit und Brot zu suchen, und wie die Mutigsten und Tüchtigsten bis nach Amerika zogen, um sich eine Existenz aufzubauen. Im Vergleich dazu sind wir heute bei allen gesellschaftlichen Umbrüchen in einer richtig komfortablen Lage. Diese drastischen Brüche wie vor 150 Jahren gibt es im Moment jedenfalls nicht.

Aber in jedem Fall sollten es die Christen sein, die in jedem Umbruch diejenigen mit dem größten Mut sind. Denn wir wissen, dass unser Herr auch der Herr der Umbrüche ist, wir leben nicht aus dem Gewohnten und Althergebrachten, unsere Weltsicht geht nicht kaputt, wenn sich die Verhältnisse ändern, wir sind gewohnt, dass es heißt: geh aus deiner Heimat und deiner Verwandtschaft in ein neues Land, oder: Geht hin in alle Welt und macht alle Völker zu Jüngern! Wir wissen, dass es immer noch einen Weg mit Jesus gibt, wenn man nach menschlichem Ermessen gescheitert und am Ende ist, und deshalb können wir mehr wagen, wir können fröhlicher und mutiger sein, wir können uns weiter aus dem Fenster hängen als andere.

Wenn wir jetzt tatsächlich an der Schwelle zwischen zwei Epochen stehen, also sagen wir mal, an der Schwelle von der Industriegesellschaft, die die meiste Arbeit und Energie in die maschinelle Produktion von Gütern steckt, hin zu einer Gesellschaft, die immer noch viele Güter und Waren erzeugt, aber ihre Hauptenergie in die Verarbeitung von Informationen steckt, also im Übergang von der Industriegesellschaft zur Informationgesellschaft, da sollten wir diese Herausforderung annehmen und dieses neue Land einnehmen, das sich da vor uns auftut. Zumal uns ja eigentlich der Umgang mit Informationen besonders nahe liegen müsste, denn Christen haben schon immer ganz besonders nachgedacht, die Bibel bedacht und die Welt bedacht und zu verstehen versucht.

In der Informationsgesellschaft spielt ja das, was im Kopf und im Herzen der Menschen ist, eine viel größere Rolle. In den lauten und heißen Produktionsstätten der Industriegesellschaft, da war es ziemlich egal, was ein Mensch, der dort arbeitete, dachte und fühlte. Solange er seine Arbeit tat, musste ihm niemand gross in seine Seele schauen. Und das hat auch dazu geführt, dass Menschen wirklich wenig Zugang zu ihrem Innersten hatten.

In Zukunft werden Menschen viel mehr arbeiten mit den Kräften ihrer Seele: mit ihrer Fantasie, mit ihrer Kommunikationsfähigkeit, mit ihrer Intuition und ihren Ideen. Ideen sind der Rohstoff der Informationsgesellschaft. Und eigentlich sind wir mit dem, was wir als Christen mitbringen, da sehr nahe dran. Wir müssten eigentlich eine ganze Menge wissen über den menschlichen Geist und die menschliche Seele und müssten uns in der kommenden Epoche ganz gut zurechtfinden.

Wir wissen ja, dass das damals beim Übergang von der bäuerlichen Gesellschaft zur Industriegesellschaft nicht gut gelaufen ist zwischen der Kirche und denen, die in der Industrie arbeiteten. Die Kirche hatte sich darauf eingestellt, in der bäuerlichen Welt ihren Platz zu haben. Der Welt der Industrie stand sie eher fremd gegenüber. Und die entwurzelten Arbeiter fanden keine rechten Platz in der Kirche.

Wir versuchen im Moment, ob das nicht möglich ist, dass jemand die Geschichte des Verhältnisses zwischen Kirche und Industrialisierung hier in Ilsede erforscht, damit wir nicht bei solchen Pauschalurteilen stehenbleiben müssen. Aber dass es da viel Distanz und Fremdheit gegeben hat, das ist eigentlich deutlich.

Vielleicht muss das ja in diesem Umbruch, den wir jetzt erleben, nicht wieder so sein. Vielleicht öffnet sich da ja ein neues Land, an dessen Grenzen wir nicht ängstlich stehen bleiben, sondern in das wir hineingehen, um auch dort den Menschen ein Zeichen der Hoffnung zu sein – und sicher auch danach zu fragen, wer eigentlich der Herr sein soll: die Götzen des Geldes und der Geschwindigkeit, die Arbeit, die einen Menschen ganz auffressen kann – oder Jesus Christus.

Aber das kann man nicht von außen machen, man kann Menschen nur erreichen, wenn man sich aufmacht und zu ihnen hingeht, dahin, wo sie sind. Jesus hat uns versprochen, dass er mitgehen wird, dass er schon da sein wird, wenn wir uns auf den Weg machen. Das ist der eigentliche Grund, weshalb wir uns mit Hoffnung und Zuversicht auf neue Herausforderungen einlassen können.

Wir wissen, dass diese Welt in immer größere Krisen und Umbrüche hineingeraten wird, weil ihr Herr sich aufgemacht hat und schon an die Tür klopft. Er ist es, der diese ganze Unruhe auslöst. Die Welt wird erschüttert, weil er kommt, um die ganze Schöpfung zurückzuholen ins Vaterhaus. Jesus hat uns immer wieder ermutigt, dass diese Umbrüche uns nicht erschrecken sollen, sondern wir sollen sie begreifen als notwendige Begleiterscheinungen seines Kommens. Deshalb müssten wir uns am besten zurechtfinden in Umbrüchen jeder Art. Die große Hoffnung auf die neue Welt Gottes inspiriert zu gelebter Hoffnung mitten in dieser alten Welt, und wenn die Menschen diesen Lebensstil sehen, dann ist das eine ganz andere Basis, um ihnen auch die große Hoffnung auf das Reich Gottes und seine Zukunft zu erklären.