Jesus, der Original-Bauplan (Kolosserbrief I)

Predigt am 7. Oktober 2001 zu Kolosser 1,9-20

Haben Sie schon mal gepuzzelt? Vermutlich kennen wir das alle: Man sitzt vor einem großen Haufen Teile und zerbricht sich den Kopf, wie die wohl zusammenpassen. Besonders dann, wenn man keine Vorlage hat, der man entnehmen kann, wie das ganze Bild mal aussehen soll. Ohne so ein Bild kann man lange brüten und findet es nicht heraus.

Damals, als Paulus den Kolosserbrief schrieb, da hatten die Menschen den Eindruck, dass die Welt so ähnlich wie ein großes ungordnetes Puzzle wäre. Und keiner kannte so richtig das Bild, das sie mal abgenen sollte. Wir wissen das aus den Werken anderer Schriftsteller dieser Zeit. Die hatten so ein Lebensgefühl: es passt alles nicht zusammen. Es gibt in der Welt ein schreckliches Gegeneinander. Und wir sind mitten drin.

Wir heute, nach den Anschlägen von New York und möglicherweise im Vorfeld neuer militärischer Auseinandersetzungen, wir können wieder etwas von dem nachempfinden, was die Menschen damals erlebten. Wir haben ja gesehen, wie da auf einmal Kräfte entfesselt werden, gegen die ein Mensch winzig klein ist. Und man fragt sich: wo passiert sowas wieder? Wo soll das denn noch hinführen?

Damals, in der Zeit von Paulus, lebten die Menschen erstmals in einem Reich, das fast die ganze bekannte Menschheit umfasste. Jenseits der Grenzen lebten nur noch ein paar wilde Barbaren. Eine gewaltige Machtzusammenballung, die kaum noch überschaubar war. Das Schicksal ganzer Länder war abhängig von den Launen des römischen Kaisers und von den Diskussionen in einer kleinen Führungsschicht in Rom. Kaum einer von den Betroffenen hatte irgendeine Chance, da Einfluss auszuüben.

Und Paulus schreibt seinen Leuten im Kolosserbrief: Ja, es stimmt, dass es in der Welt drunter und drüber geht, aber macht euch klar: Jesus ist stärker. Was euch vorkommt wie wilde, ungeordnete Kräfte, das ist alles unter seiner Kontrolle. Sie können Gottes Plan mit der Welt nicht torpedieren, weil Gott die Welt gemeinsam mit Jesus geschaffen hat, und zwar so, dass sie auf Jesus hin geschaffen ist. Das ist ihre verborgene Logik, und die Unruhe in der Welt kommt daher, dass die Welt sich gegen ihren eigenen Bauplan sträubt. Aber sie wird damit am Ende keinen Erfolg haben, weil Jesus ja in die Welt gekommen ist und seitdem hier daran arbeitet, dass sein Bauplan verwirklicht wird.

Und Paulus erinnert sie an ein Lied über Jesus, das sie damals wahrscheinlich im Gottesdienst gesungen haben:

15 Er ist das Bild des unsichtbaren Gottes, der erstgeborene Sohn des Vaters, aller Schöpfung voraus und ihr weit überlegen. 16 Denn in ihm ist alles erschaffen worden, was im Himmel und auf der Erde lebt, die sichtbaren Geschöpfe auf der Erde und die unsichtbaren im Himmel – die Thronenden, die Herrschenden, die Mächte, die Gewalten. Alles hat Gott durch ihn geschaffen, und alles findet in ihm sein letztes Ziel.
17 Er steht über allem, und alles besteht durch ihn. 18 Er ist das Haupt des kosmischen Leibes, das heißt: der Gemeinde.
Er ist der Anfang der neuen Schöpfung, der Erstgeborene aller Toten, der zuerst zum neuen Leben gelangt ist, damit er in jeder Hinsicht der Erste sei. 19 Denn Gott gefiel es, in ihm die ganze Fülle des Heils Wohnung nehmen zu lassen. 20 Durch ihn wollte Gott alles versöhnen und zu neuer, heilvoller Einheit verbinden. Alles, was gegeneinander streitet, wollte er zur Einheit zusammenführen, nachdem er Frieden gestiftet hat durch das Blut, das Jesus am Kreuz vergoss;
alles, was auf der Erde und im Himmel lebt, sollte geeint werden durch ihn und in ihm als dem letzten Ziel.

Das ist eine Sprache, die für uns ungewohnt ist, die Sprache von Dichtung und Hymnen. Ungewohnt für uns ist nicht nur die Sprache, es ist die ganze Denkweise. Wir denken heute anders, deswegen muss man es erst in die Art, wie wir solche Dinge ausdrücken, übersetzen. Gemeint ist: als die Welt erschaffen wurde, da hatte Gott schon Jesus im Sinn. Er hat nicht erst die Welt erschaffen, und als die ein Flop zu werden drohte, da hat er sich Jesus ausgedacht. Nein! Er hat von Anfang an alles so gemacht, dass die Welt nur dann ein sinnvolles Ganzes gibt, wenn sie nach dem Muster Jesu zusammengesetzt wird.

Vielleicht verstehen wir es am besten, wenn wir uns die Welt wie ein Puzzle vorstellen.

Fangen wir mal an mit diesen chinesischen Puzzles mit 10 oder 20 Teilen, die man zu allen möglichen Figuren zusammensetzen kann. Da glaubt man, man hat die Lösung gefunden, aber dann bleibt doch ein Teil übrig; oder man hat es eigentlich schon, aber dann fehlt doch wieder irgendwo eine Ecke, und es passt nicht, bis man endlich auf die richtige Lösung kommt. Erst wenn man die richtige Form kennt oder herausgefunden hat, welche Form es am Ende eigentlich geben soll, erst dann kann man die Teile sinnvoll zusammensetzen. Und es gibt Leute, die das tatsächlich rauskriegen, die haben einen Blick dafür, wie die 10 oder 20 Teile sinnvoll zusammengesetzt werden, aber viele von uns würden sagen: das ist mir zu hoch! Deshalb ist ja bei den größeren Puzzlen mit 500 oder 1000 oder mehr Teilen auch immer ein Bild dabei, wie das am Ende mal aussehen soll. Sonst würde man ja ewig sitzen! Je größer, um so hoffnungsloser ist das ohne eine Gesamtübersicht.

Wenn man sich nun aber die ganze Welt als so ein Puzzle vorstellt, die hat ja nicht 10 oder 20 oder 1000 Teile, sondern da gibt es allein schon Milliarden von Menschen, und jeder Mensch ist wieder aus vielen Teilen zusammengesetzt, ganz zu schweigen von der Natur, und erst recht dann noch das riesige Weltall mit seinen unerfassbaren Entfernungen und unendlichen Weiten. Wer könnte da ohne Gesamtübersicht erraten, wie das richtig zusammengesetzt werden muss und was der Sinn hinter allem ist? Wir können noch nicht einmal eine Ecke dieses Riesenpuzzles richtig zusammensetzen, wenn wir den Bauplan nicht kennen. Und deswegen sagt Paulus: Ihr kennt den Bauplan! Die Gestalt, die am Ende dabei herauskommen soll, das ist Jesus. Der ist das Bild, nach dem Gott dieses gigantische Puzzle »Universum« gemacht hat. Jesus ist die Vorlage im Kleinen für das, was aus der Welt einmal werden soll. Sie soll im Ganzen so gut und liebevoll und frei und barmherzig und schön werden, wie wir das bei Jesus schon im Kleinen sehen.

Und nun gibt es ja beim Puzzeln immer Leute, die sich in die falsche Idee verrennen und das ganze wieder durcheinander bringen. Wenn man mit mehreren zusammen puzzelt und einer ist dabei, der so eine fixe Idee im Kopf hat und den anderen deswegen die Teile klaut und seine eigenen nicht rausgibt, das wird nichts. Die anderen können alle nicht weiterbauen, weil Onkel Willi die ganzen blauen Teile gebunkert hat und nicht einsieht, dass die gar nicht zusammengehören.

Auf die Welt übertragen bedeutet das: es gibt kein gutes Bild, weil einige Leute den Bauplan nicht kennen und das Bild nach anderen Vorstellungen zusammensetzen wollen. Das kann nur Murks geben, besonders, wenn man dann noch mit Gewalt versucht, die Teile irgendwie zusammenzudrücken. Wir wissen alle, dass man das nicht darf, weil die Teile zerknicken und schief werden, wenn man sie mit Gewalt irgendwie zusammenpresst. Auf die Welt übertragen heißt das: Wenn Menschen ihre Idee vom richtigen Bauplan mit aller Gewalt verwirklichen wollen, dann gibt es Zerbrechen und Zerstörung, und so ein zerknicktes Teil kann dann für Tausende von Menschen stehen, die dem zum Opfer fallen.

Und nun hinkt dieses Bild von dem Puzzle ja etwas, weil es niemanden gibt, jedenfalls keinen Menschen, der vor diesem Berg mit den Teilen säße und sich den Kopf zerbräche, wie das wohl zusammenpasst. Wir stehen ja nicht da drüber, sondern wir sind selbst Teile des Puzzles, und das Bild ist eher, dass lauter lebendige Puzzleteile mit viel Energie versuchen, sich selbst zusammenzusetzen, aber ohne wirklichen Überblick und manchmal genauso stur wie Onkel Willi.

Also, macht Paulus deutlich, wundert ihr euch, dass es in der Welt chaotisch zugeht, wenn alle auf eigene Faust und ohne den Bauplan versuchen, dieses riesige Puzzle zusammenzusetzen, und dann auch noch, wenn es klemmt, mit Gewalt versuchen, das irgendwie passend zu machen?

Das sieht ja erstmal ziemlich hoffnungslos aus, aber das ist nicht die Botschaft, die Paulus rüberbringen will. Er sagt: Ihr wisst aber doch, dass jetzt Jesus in die Welt hineingekommen ist, der echte Bauplan und der Sinn des Ganzen, er ist eins von den lebendigen Puzzleteilen geworden und fängt an, das Ganze richtig zusammenzusetzen. Auch beim Puzzlen hat man ja irgendwann eine Ecke, die schon stimmt, und von da aus macht man weiter. So hat Jesus schon angefangen, einen Teil der Welt zu ordnen. Und ihr gehört dazu! Als ihr angefangen habt, zu Jesus zu gehören, da habt ihr den Schlüssel zum Plan dieser Welt gefunden. Versteht ihr, ihr habt die Lösung! Ihr habt schon euren Platz in der Ecke des Puzzles, wo es stimmt! Da, wo die Menschen schon richtig zueinander passen.

In den Worten des Kolosserbriefes klingt das so:

12 Mit Freuden sagt Dank dem Vater, der euch tüchtig gemacht hat zu dem Erbteil der Heiligen im Licht. 13 Er hat uns errettet von der Macht der Finsternis und hat uns versetzt in das Reich seines lieben Sohnes, 14 in dem wir die Erlösung haben, nämlich die Vergebung der Sünden.

Um im Bild des Puzzles zu bleiben: es gibt immer einige Teile, die sind größer oder energischer als die anderen. Die haben ihre Idee davon, wie es alles zusammenpasst, im Kopf, und sie setzen die Teile ringsum unter Druck, dass sie sich da einfügen. Ohne Rücksicht darauf, ob es klemmt oder ob einige Teile gar nicht reinpassen. Das sind die Mächte in der Welt, die Ideologien und Überzeugungen, nach denen Menschen handeln und manchmal auch schreckliche Dinge tun, das sind die großen und kleinen Reiche, die die Menschen einordnen in ihren Plan, und die, die nicht hineinpassen, die werden ausgerottet. »Endlösung« und »ethnische Säuberung« heißt das dann. Und so viele Menschen lassen sich da hineinziehen und machen mit und sagen hinter: »ich konnte nicht anders, ich habe nur meine Befehle ausgeführt.« Da nicht mehr mit dazuzugehören, das nennt Paulus »Befreiung von der Macht der Finsternis«. Endlich ist Schluss damit, dass wir von anderen für falsche Ziele eingesetzt werden! Jesus befreit uns von der Bindung an diese Machtzentren und setzt uns ein in einen neuen Zusammenhang. Und wir sollen dabeisein, wenn dieser Zusammenhang sich weiter ausbreitet und immer mehr andere lebendige Puzzleteile dazufinden.

Liebe Freunde, als einzige in der Welt wissen wir, nach welchem Bauplan die Welt geschaffen ist. Wer Jesus Christus kennt, der muss keinem von den großen und kleinen Machtzentren in die Hände fallen. Wir sind auf sie nicht angewiesen, weil wir es besser wissen. Die Welt ist so gebaut, dass sie nur nach dem Bild Jesu funktioniert. Und wir brauchen alle Klugheit und Weisheit, damit wir das auch im Detail verstehen und mitbauen können.

Denn wozu sollen wir den Bauplan kennen? Damit wir sagen können: Toll, ich habe es! Damit wir den Bauplan abheften und in den Tresor legen und sagen: Toll, ich kenne den Plan? Nein, Gott hat uns das Gesamtbild gezeigt, damit wir mitbauen und an unserem Platz in der Welt den Bauplan verwirklichen. Die Antwort auf das Chaos in der Welt besteht darin, dass wir mitbauen am Reich Jesu, an der Gemeinde, an dem Bereich, wo es jetzt schon richtig zusammengesetzt wird.

Die Frage ist also:

  • Habe ich den Schlüssel zum Bauplan? und
  • Werde ich dann auch nach diesem Plan mitbauen?

Das ist das Ziel von Paulus und sicher auch von Gott, denn warum hätte er uns sonst dieses Geheimnis verraten sollen?

Mit den Worten des Kolosserbriefes (1,9-10):

9 Deshalb hören wir auch nicht auf, für euch zu beten, seit wir von euch gehört haben. Wir bitten Gott, dass er euch durch seinen Geist mit aller Weisheit und Einsicht erfüllt und euch erkennen läßt, was sein Wille ist. 10 Denn ihr sollt ja so leben, wie es dem Herrn Ehre macht, und stets tun, was ihm gefällt. Euer Leben soll als Frucht gute Taten aller Art hervorbringen, und ihr sollt immer besser verstehen, was Gott von euch will.